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Aus aktuellem Anlass

Diffamierung des Levada-Zentrums als „ausländischer Agent“

Chronik der Ereignisse

13.7.2012

Verabschiedung der Änderung der „Gesetzes über nichtkommerzielle Organisationen“. Formal besagt das Gesetz nun , dass Nichtregierungsorganisationen, die „finanzielle Mittel aus dem Ausland“ erhalten und „politisch tätig“ sind, sich vom Justizministerium in einem speziellen Verzeichnis von Organisation registrieren lassen müssen, welche „die Funktion ausländischer Agenten ausüben“. Den NGOs werden härtere Berichtspflichten auferlegt. Lässt sich eine NGO nicht als „ausländischer Agent“ registrieren, drohen Sanktionen gegen die Organisation (Geldstrafen bis hin zur Auflösung) und gegen deren Leiter (Freiheitsentzug von bis zu vier Jahren). Alle Informationsmaterialien und Medien einer entsprechend registrierten NGO müssen das Label „ausländischer Agent“ tragen; Medien in ihrer Berichterstattung über eine solche NGO immer erwähnen, dass es sich bei ihr um „ausländische Agenten“ handelt. Das sogenannte „Agentengesetz“ ist das zweite einer Serie von repressiven Gesetzen, mit denen die Bürger- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger Russlands nach der Amtseinführung von Vladimir Putin am 7. Mai 2012 beschnitten werden. Es wurde in Eile verabschiedet: eingebracht in die Duma am 29.6., am 6.7. in erster Lesung angenommen und am 13.7. in zweiter und dritter Lesung beschlossen.

21.9.2012

Die Menschenrechtsorganisation „Memorial“ bezeichnet das Agentengesetz als „rechtswidrig und unmoralisch“.

20.11.2012

Das Agentengesetz tritt in Kraft

6.2.2013

Elf russische NGOs, darunter die Wahlbeobachter „Golos“, Memorial und die Moskauer Helsinki-Gruppe reichen Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen das NGO-Gesetz ein.

14.2.2013

Präsident Putin verlangt vor dem erweiterten Führungskreis des FSB, dass das Gesetz über nichtkommerzielle Organisationen angewendet werde. Von März bis Mai 2013 werden über 300 Organisationen außerplanmäßig überprüft. Eine davon ist das Levada-Zentrum.

23.4.2013

Im Levada-Zentrum geht die schriftliche Ankündigung einer Überprüfung ein. Es solle festgestellt werden, ob das Zentrum die „Funktion eines ausländischen Agenten“ erfülle.

24.4.2013

Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft, des Innenministeriums, des Justizministeriums und der Steuerpolizei verlangen die Aushändigung von Akten und Dokumenten.

7.5.2013

Die Tageszeitung Izvestija veröffentlicht die Nachricht, dass eine staatsanwaltschaftliche Untersuchung ergeben habe, dass das Levada-Zentrum als „ausländischer Agent“ zu bezeichnen sei.

16.5.2013

Eingang der staatsanwaltschaftlichen „Ermahnung wegen unzulässiger Rechtsverletzung“, ausgestellt von der bezirksübergreifenden Staatsanwaltschaft Moskau-Savelovskoe am 15.5.2013.

20.5.2013

Veröffentlichung der Erklärung des Direktors des Levada-Zentrums Lev Gudkovs аuf der Homepage des Zentrums http://www.levada.ru/20-05-2013/zayavlenie; dt. unter: http://www.zeitschrift-osteuropa.de/support-levada/de

In Übereinstimmung mit den Anforderungen des „Gesetzes über nichtkommerzielle Organisationen“ verzichtet das Levada-Zentrum seitdem auf die Annahme von Zuwendungen (grants) und arbeitet mit ausländischen Partnern auf kommerzieller Basis zusammen: es betreibt Auftragsforschung. Die entsprechenden Umfragen, die von den wissenschaftlichen Mitarbeitern des Zentrums interpretiert werden und dann auf der Website des Zentrums für Fachleute und die breite Öffentlichkeit publiziert werden, basieren fast ausschließlich auf Umfragen, die das Levada-Zentrum mit eigenen Mitteln durchgeführt hat.

Feb. 2014

Das „Russländische Institut für Strategische Forschung“, ein Forschungsinstitut und Analysezentrum der Präsidialverwaltung, legt ein Gutachten vor: „Methoden und Technologien der Tätigkeit ausländischer und russländischer Forschungseinrichtungen, Forschungsstrukturen sowie Hochschulen, die eine Finanzierung aus ausländischen Quellen erhalten: Analyse und Auswertung“. Acht Einrichtungen werden dargestellt, zum Levada-Zentrum heißt es, es habe „Einfluss auf die politischen Prozesse und die öffentliche Meinung durch 1) Manipulation von Wortbedeutungen bei Meinungsumfragen; 2) Herauf- oder Herabsetzen der benötigten Zahlen aus den Umfragen; 3) Vertreten nützlicher Positionen bei Konferenzen, Runden Tischen und Seminaren; 4) rege Tätigkeit im Informationsraum …“ Es sei als Einrichtung „zur Sammlung und Analyse soziologischer Informationen ein wichtiges Instrument zur Manipulation der öffentlichen Meinung und zur informationellen Beeinflussung des Staatsapparats und der politischen Institutionen.“ Das Levada-Zentrum habe dem US-State Department „eine Liste mit regionalen Oppositionsgruppen übergeben, die alle notwendigen Informationen enthält, um ‚Protestpotential‘ anzuwerben“.

2.6.2014

Präsident Putin setzt eine Novelle des Gesetzes „Über politische Tätigkeit nichtkommerzieller Organisationen“ (NKO/engl: NGO) in Kraft. Der Begriff „politische Tätigkeit“ der NGOs wird definiert. Als politische Tätigkeit gilt nun u.a. „ die Bildung gesellschaftspolitischer Ansichten und Überzeugungen unter anderem auf dem Wege der Durchführung und Veröffentlichung von Meinungsumfragen oder anderer soziologischer Forschung“.

10.6.2014

Die „Antimajdan“-Bewegung veröffentlicht auf ihrer Website die verleumderische Behauptung, dass das Levada- Zentrum finanzielle Mittel vom Verteidigungsministerium der USA zur Durchführung von Forschungen (über die Wohnverhältnisse der Bürger Russlands) erhalte. Tatsächlich hat das Zentrum diese Zuwendung von der Universität Wisconsin erhalten, um ein Forschungsprogramm fortzuführen, welches das Levada-Zentrum auf der Basis eines mit der Universität abgeschlossenen Geschäftsvertrags über die Durchführung von Umfragen und Fokus-Gruppen abgeschlossen hatte.

11.7.2014

Die „Antimajdan“-Bewegung wendet sich an das Justizministerium mit der Forderung, das Levada-Zentrum auf ausländische Finanzierung zu überprüfen und es als ausländischen Agenten einzustufen. https://antimaidan.ru/content/8262

26.7.2014

Der Abgeordnete des Föderationsrats Dmitrij Sablin wendet sich mit einem öffentlichen Aufruf an das Justizministerium. Es solle auf die Forderung der „Antimajdan“-Bewegung vom 11.7. reagieren, das Levada-Zentrum zum ausländischen Agenten zu erklären.

19.8.2014

Die „Antimajdan“-Bewegung wendet sich an das Justizministerium mit der Bitte, eine Reihe von russländischen NGOs, die Mittel von der Soros-Stiftung erhalten haben, als ausländische Agenten einzustufen. Unter diesen Organisationen ist auch das Levada-Zentrum. Im Kern handelt es sich um eine Verletzung des Rückwirkungsverbots als Rechtsprinzip, denn das novellierte Gesetz über nichtkommerzielle Organisationen sieht eine rückwirkende Geltung nicht vor. Zum Zeitpunkt der staatsanwaltschaftlichen Überprüfung im Jahr 2013 hatte das Levada-Zentrum keine Mittel von der Soros-Stiftung erhalten. https://antimaidan.ru/article/8683

12.–31.8.2014

Außerplanmäßige Überprüfung des Levada-Zentrums durch das Justizministerium.

5.9. 2016

Russlands Justizministerium nimmt das Levada-Zentrum als 141. Organisation in das Verzeichnis der Nichtregierungsorganisationen auf, welche „die Funktion eines ausländischen Agenten erfüllen“.

Verantwortlich: Dr. Manfred Sapper, Osteuropa, Schaperstr. 30, 10719 Berlin, Tel.: 030-30104581 osteuropa@dgo-online.org