Die Kursk-Blase implodiert
Russlands Krieg gegen die Ukraine: die 157. Kriegswoche
Nikolay Mitrokhin, 14.3.2025
Die amerikanisch-ukrainischen Verhandlungen im saudi-arabischen Dschidda haben eine Waffenruhe wahrscheinlicher werden lassen. Dafür hat Kiew “harte Kompromisse” gemacht, bekommt aber wieder Aufklärungsdaten und darf sogar auf mehr US-Waffen als zuvor hoffen. Nun muss Russlands Präsident Vladimir Putin reagieren. Im Gebiet Kursk hat Putin erstmals die Nähe der Front besucht und feiert einen militärischen Sieg, den er möglicherweise auch den Nordkoreanern zu verdanken hat. An den meisten anderen Frontabschnitten zeigt sich aber auch, wie erschöpft seine eigene Armee ist. Ein Pipeline-Manöver der Russen endet für viele Soldaten tödlich.
Politische Lage
Das wichtigste Ereignis der vergangenen Woche waren die Gespräche der ukrainischen und amerikanischen Delegationen im saudi-arabischen Dschidda. Sie wurden möglich, nachdem der ukrainische Präsident Volodymyr Zelens’kyj ein offizielles Schreiben mit einer Entschuldigung für den Streit im Oval Office an US-Präsident Donald Trump geschickt hatte. Zelens’kyj lenkte ein, weil die USA ihre Waffenlieferungen als Akt der Zwangsdiplomatie eingestellt hatten. Besonders hart traf Kiew zudem das Abschalten von Geheimdienstinfos und Aufklärungsdaten, die zum Steuern von Raketen notwendig sind. Innerhalb von drei Tagen wurde der ukrainischen Armee nicht nur faktisch das ferngesteuerte Raketensystem HIMARS entzogen, sondern auch nachrichtendienstliche Informationen, darunter Karten mit hochwertigen Weltraumbildern des Satellitenunternehmens Maxar. Einzig die Starlink-Datenübertragungssysteme waren weiter funktionsfähig, allerdings wurden auch diese Berichten zufolge in der Region Kursk abgeschaltet. Das behinderte mutmaßlich die Drohnenpiloten.
Die Parteien konnten sich nach dem Schreiben darauf einigen, möglichst bald ein Abkommen über die Einrichtung eines Wiederaufbau-Fonds für die Ukraine zu beschließen. Finanziert werden soll dieser mit der Erschließung von Seltenen Erden in der Ukraine. Berichten zufolge soll es um einen Fonds gehen, in den die Ukraine 50 Prozent aller Einnahmen aus Rohstoffprojekten einzahlen soll. Eine Karte zeigt, wo sich die Vorkommen befinden. Viele Experten äußerten große Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Erschließung solcher Vorkommen. Das ursprüngliche Volumen von 500 Milliarden Dollar wurde inzwischen offenbar als unrealistisch fallen gelassen.
Es scheint möglich, dass stattdessen als Bedingung für die Aufnahme von Verhandlungen der Rückzug der wichtigsten ukrainischen Streitkräfte aus der Region Kursk gefordert wurde. Dafür spricht zumindest, dass etwa ab dem 7. März die erfahrenen Brigaden durch Einheiten der Territorialverteidigung ersetzt wurden. Gleichzeitig ist das gehaltene Territorium immer kleiner geworden. Zuletzt war von eingekesselten ukrainischen Einheiten im Kursker Gebiet die Rede.
Das Ergebnis der Verhandlungen in Dschidda war eine Vereinbarung über einen 30-tägigen Waffenstillstand sowie das Ende der Angriffe zu Wasser und in der Luft. Am 12. März sagte Zelens’kyj, der selbst nicht in Dschidda anwesend war, nach Angaben des Sprechers des ukrainischen Außenministeriums, Heorhij Tychy: „Keiner von uns glaubt den Russen, aber wir werden nicht mit ihrem Narrativ spielen, dass wir nicht wollen, dass der Krieg endet … Ich meine es sehr ernst, ich will den Krieg beenden und ich will, dass Trump das sieht“. Tychy sagte, dass bei den Gesprächen mit den USA „harte Kompromisse“ gemacht worden seien. Gleichzeitig wurden die Waffenlieferungen wieder aufgenommen. Wenig später bestätigte die Direktorin der nationalen Nachrichtendienste der USA, Tulsi Gabbard, die Wiederaufnahme der nachrichtendienstlichen Informationsübermittlung an die Ukraine.
Die USA schickten daraufhin den Sondergesandten für den Nahen Osten, Steve Witkoff, nach Russland. Er sollte eine Antwort auf die ukrainisch-amerikanischen Vorschläge aus Moskau mitbringen. Er reiste jedoch ab, ohne dass Details bekannt geworden wären. Zelens’kyj sagte daraufhin, Putin traue sich nicht, Trump mitzuteilen, dass er den Krieg fortsetzen wolle. Einige Abgeordnete der russländischen Staatsduma erklärten zunächst, dass die Vorschläge für ein 30-tägiges Einfrieren der Kämpfe inakzeptabel seien. Sie würden den ukrainischen Streitkräften die Möglichkeit geben, ihre erschöpften Einheiten neu auszurüsten. Ähnliche Überlegungen sind allerdings auch für die Einheiten des Aggressors nicht von der Hand zu weisen. Auch diese befinden sich seit anderthalb Jahren in einer Daueroffensive in Richtung Pokrovs’k. Sie sind völlig erschöpft, haben die Offensive eingestellt und in einigen Gebieten sogar Gelände verloren. Russlands Präsident Vladimir Putin knüpfte die Zustimmung zu einer solchen Waffenruhe vor dem Gespräch mit Witkoff an Bedingungen. Er forderte eine “dauerhafte, friedliche Lösung” und hielt an seinen Maximalforderungen fest.
Viele gehen davon aus, dass Putin der Ukraine unannehmbare Bedingungen unterbreiten und Druck ausüben wird, bis sie einwilligt. Doch die Lage auf dem Schlachtfeld spricht nicht dafür. Die Offensive der Okkupanten ist in allen Gebieten ins Stocken geraten. Einzelne Angriffe führen bestenfalls noch zur Besetzung von Ruinendörfern. Und diese vermeintlichen Erfolge bezahlt Russland mit Hunderten von Toten und dem Verlust von immer knapper werdendem Material. Gleichzeitig hat die Ukraine, nachdem sie Trumps Bedingungen zugestimmt hat, wieder Zugang zu amerikanischen Waffenlieferungen und könnte sogar mehr Ausrüstung bekommen als von der in diesem Punkt eher sparsamen Biden-Regierung.
Im Allgemeinen deutet einiges darauf hin, dass beide Seiten den Konflikt so schnell wie möglich beenden wollen. Das lässt sich insbesondere an der zurückgefahrenen Rekrutierung von Soldaten ablesen. Am 12. März verabschiedete die Ukraine in erster Lesung ein Gesetz über die strafrechtliche Verantwortung von Personal des Territorialen Zentrums für Rekrutierung und soziale Unterstützung (TCK) für illegale Handlungen während der Mobilisierung. Haftstrafen zwischen drei und acht Jahren sollen künftig drohen, wenn etwa gegen das Verfahren der medizinischen Feststellung der Wehrtauglichkeit verstoßen wird.
Der Telegram-Kanal VChK-OGPU spricht davon, dass die Entsendung von „Sonderkontingenten“ aus den Strafkolonien an die Front auf russländischer Seite eingestellt wird. Auch sollen in Moskau und einigen anderen Städten nach Angaben von Bloggern in der vergangenen Woche die Anzeigen für den vertraglichen Militärdienst verschwunden sein.
Auch die seit Beginn des Krieges unterbrochenen Kontakte der Geheimdienste wurden wieder aufgenommen. CIA-Chef John Ratcliffe führte ein Telefongespräch mit dem Leiter des russländischen Auslandsgeheimdienstes Sergej Naryškin.
Gebiet Kursk
Die Ukraine hat ihre Truppen aus der Sudža-Blase de facto abgezogen. Am Abend des 13. März befanden sich nur noch etwa 150 Quadratkilometer der Region Kursk unter der Kontrolle der ukrainischen Streitkräfte. Das sind gerade noch etwas mehr als zehn Prozent der Fläche, die sie Anfang September kontrollierten. Noch am 2. März sollen es DeepState zufolge 407 Quadratkilometer gewesen sein.
Für den ukrainischen Rückzug gibt es mehrere Gründe. Moskau feiert ihn als militärischen Sieg, deshalb kam Putin am 12. März in Militäruniform und in Begleitung des Chefs des Generalstabs der Streitkräfte Russlands, Valerij Gerasimov, in die Kommandozentrale in der Region Kursk. Dies war Putins erster Besuch in Frontnähe seit Kriegsbeginn. Offenbar hatte er die Garantie, dass keine amerikanischen oder europäischen Raketen eintreffen. Eine langsame Offensive von Putins Armee führte in der Tat dazu, dass die Kontrolle über die „Blase“ zuletzt immer näher rückte. Insbesondere gelang es ihr, die Versorgungsfahrzeuge der ukrainischen Truppen mit Drohnen zu zerstören. Entscheidend könnte zudem ein Angriff von zwei Bataillonen nordkoreanischer Spezialkräfte nördlich des Dorfes Guevo im östlichen Teil der „Blase“ in Richtung der Hauptversorgungsroute der Ukrainer gewesen sein. Es gelang ihnen, über Nacht neun Kilometer durch Wälder zu marschieren und den schwachen ukrainischen Widerstand zu überwinden. Die ukrainischen Drohnenpiloten hatten offenbar Probleme zu reagieren, was an möglichen Starlink-Ausfällen liegen könnte, aber auch daran, dass es sich um eine so große Gruppe vorrückender Infanterie handelte. Daraufhin wurde der Kommandeur der Gruppe Sever, General Dmitro Krasilnikov, am 7. März in den Ruhestand versetzt. Nach Angaben des ukrainischen Journalisten Jurij Butusov geschah dies, weil er zu langsam auf Informationen über die Vorbereitung eines Durchbruchs reagiert haben soll. Gleichzeitig begannen die ukrainischen Einheiten am 7. März mit einem intensiven Rückzug auf ihr Staatsgebiet.
Am 8. März wurde bekannt, dass russländische Sturmtruppen versucht hatten, über die Gaspipeline Urengoj-Pomary-Užgorod in den Außenbezirk der Stadt Sudža in der Region Kursk einzudringen. Die Spezialeinheiten durchquerten die etwa 15 Kilometer lange Pipeline zu Fuß. Sie sollen dann weitere vier Tage auf den richtigen Zeitpunkt für einen Angriff gewartet haben. Zunächst berichteten die ukrainischen Medien, dass 80 Prozent der Angreifer aus der Pipeline durch Artilleriebeschuss vernichtet worden seien. Nach ein paar Tagen stellte sich jedoch heraus, dass das russländische Militär das Rohr für den Nachschub genutzt hatte. So drangen offenbar Brigaden der Luftlandetruppen in die Stadt ein. Gleichzeitig wurde bekannt, dass die ukrainischen Truppen nach und nach die Siedlungen im Norden der eroberten Zone aufgaben, sich Richtung Sudža bewegten und sich von dort aus in die Ukraine zurückzogen.
Es ist zudem durchaus möglich, dass die russländischen Durchbrüche durch einen Wechsel der ukrainischen Einheiten möglich wurden. Der verzögerte Austausch von Truppen, der zu unbesetzten Verteidigungspunkten führen kann, war bereits mehrfach in Richtung Pokrovs’k zum Problem geworden.
Am 13. März tauchte ein Video auf, das mindestens fünf ukrainische Soldaten zeigt, die bei der Gefangennahme im Dorf Kazačja Loknja in der Region Kursk getötet wurden. Dies ist höchstwahrscheinlich das Werk der 155. Marinebrigade, die in der Region auf dem Vormarsch und für ihre Erschießungen von ukrainischen Kriegsgefangenen berüchtigt ist. Putin hat bei einem Treffen im Gebiet Kursk am 12. März solche Verbrechen gebilligt. Er erklärte, dass die ukrainischen Soldaten im Gebiet Kursk wie „Terroristen“ zu behandeln seien. Außerdem forderte er die Schaffung einer „Sicherheitszone“ an der Grenze. Russländische Militärbeobachter verstanden dies so, dass die Offensive über die Grenze hinaus fortgesetzt und ein Teil der Region Sumy eingenommen werden solle. Die ukrainische Grenze wurde vor zwei Jahren allerdings gut befestigt. Und die russländischen Truppen sind beispielsweise in der Region Charkiv nicht weiter als acht Kilometer vorgerückt. Zudem rücken die ukrainischen Einheiten aus der „Blase“ und verstärken die Verteidigung. Die Chancen eines russländischen Vorstoßes auf ukrainisches Gebiet sind also minimal.
Pokrovs’k, Časiv Jar, Torec’k und Sivers’k
In Richtung Pokrovs’k gehen die Kämpfe um die Ortschaft Ševčenko weiter. Die ukrainischen Streitkräfte hatten zuletzt eine für diesen Krieg relativ groß angelegte Offensive auf die Siedlung gestartet. Ihr Hauptziel ist es, eine breitere Zone vor Pokrovs’k zu kontrollieren und Moskaus Militär daran zu hindern, in das Stadtgebiet einzudringen. Die ukrainische Armee hofft, im Idealfall die gesamte russländische Offensive zu beenden. Aktuell rücken feindliche Truppen von Südwesten her auf Pokrovs’k zu. Am 10. März wurde bekannt, dass in diesem Gebiet Angehörige der ukrainischen Spezialeinheit 144 neun feindliche Soldaten gefangen genommen haben, nachdem sie ihr Versteck in einem Industriegebäude gesprengt hatten.
Im Südosten, in Richtung Kurachove, konnte Putins Armee weiter vorrücken und nach einem Monat schwerer Kämpfe das Dorf Kostjantinopil’ einnehmen.
Auch die Berichte aus dem mittleren Teil der Front sind aus ukrainischer Sicht optimistisch, begleitet von Videos von zerbrochenen Kolonnen und Interviews mit gefangenen russischen Soldaten. Aus dieser Richtung gibt es regelmäßig Videos von russländischen Kriegsgefangenen. Sie werden von ihren Befehlshabern in sinnlose Angriffe ohne Artillerie- und Drohnenunterstützung geworfen und ergeben sich in der Folge häufig. Auch in Richtung Pokrovs’k kommt dies vor. Die Berichte aus dem mittleren Teil der Front sind ebenfalls optimistisch für die Ukraine, was durch Videos zerstörter Kolonnen und Interviews mit gefangenen feindlichen Kämpfern unterstrichen wird.
In Torec’k setzen die ukrainischen Streitkräfte den Feind im Stadtgebiet weiter unter Druck. Sie kontrollieren mindestens die Hälfte der Stadt. Am 12. März zerstörten Soldaten der 28. separaten mechanisierten Brigade der ukrainischen Streitkräfte einen gegnerischen Konvoi, der aus vier mit Blechen verkleideten „Scheunenpanzern“ bestand, unter denen sie Sturmtruppen transportierten.
In Časiv Jar und seiner Umgebung halten die ukrainischen Einheiten ihre Verteidigung aufrecht. Am 6. März zerstörte die 24. unabhängige mechanisierte Brigade in der Nähe der Stadt 16 der 25 feindlichen Einheiten, die versuchten, durch den Sivers’k-Donec’k-Kanal zu neuen Stellungen durchzubrechen. Die zerstörten Fahrzeuge bildeten einen Stau. Die folgenden Fahrzeuge blieben stecken, was deren Zerstörung ermöglichte. Etwas Ähnliches, wenn auch in größerem Maßstab, geschah Mitte Mai 2022. Damals verloren die Russen 80 Fahrzeuge, als sie denselben Kanal bei Bilohorivka überqueren wollten.
Am 11. März zerstörten oder beschädigten die 30. und 54. mechanisierte Brigade sowie die 81. Luftlandebrigade und die 4. Brigade der ukrainischen Nationalgarde im Norden an der Sivers’k-Front 33 russländische gepanzerte Fahrzeuge. 160 feindliche Militärangehörige sollen dabei getötet worden sein. Diese hatten versucht, zur Stadt Sivers’k durchzubrechen, offenbar vom kürzlich eroberten Bilohorivka aus.
Drohnenangriff auf Moskau
In den vergangenen anderthalb Monaten sind die Luftangriffe eskaliert. Auf beiden Seiten brannten vor allem Einrichtungen der Brennstoff- und Energieinfrastruktur. Treffer auf Industrieanlagen, einschließlich Unternehmen des militärisch-industriellen Komplexes, kommen offenbar noch häufiger vor. Beide Seiten versuchen, die Sammelpunkte von Militäreinheiten, militärische Ausrüstung und Munitionslager zu treffen. Allerdings werden Informationen über die Folgen solcher Angriffe oft verheimlicht. In die Nachrichten schaffen es meist nur erfolglose Angriffe von Drohnen und Raketen auf Wohngebäude. Dennoch gibt es statistische Verschiebungen. So hieß es vom Institute for the Study of War, dass Russlands Angriffe auf die Ukraine nach Trumps Amtsantritt zugenommen hätten. Während die russländischen Streitkräfte im Januar durchschnittlich 83,4 Langstreckendrohnen pro Angriff einsetzten, waren es im Februar 139,3. In der ersten Märzwoche waren es 128,8 Drohnen pro Angriff.
Andererseits nimmt auch die Produktion und Nutzung von Drohnen in der Ukraine stark zu. Im Jahr 2024 kaufte das ukrainische Verteidigungsministerium noch gut 1,5 Millionen Drohnen aus eigener Produktion. Laut Hleb Kanevskyj, Direktor der Abteilung für Beschaffungspolitik im Verteidigungsministerium, soll sich diese Zahl im Jahr 2025 auf 4,5 Millionen Drohnen verdreifachen. Dafür sollen mehr als 110 Milliarden Hrywnja (etwa 2,4 Milliarden Euro) ausgegeben werden. Neben sogenannten First-Person-View-Drohnen, die dem Piloten Bilder aus der Ich-Perspektive liefern, stellt die Ukraine Zehntausende weiterer schwerer Kampfdrohnen her. Das Land steigert seine Produktion ständig.
Der Angriff vom 11. März auf Moskau und die Region Moskau sowie eine Reihe anderer Gebiete in Zentralrussland war eine Demonstration der Fähigkeiten ukrainischer Hersteller und des ukrainischen Militärs. Nach Angaben des russländischen Verteidigungsministeriums wurden 400 Drohnen gestartet. Darunter waren Mehrzweckdrohnen vom Typ PD-2, die für die Luftaufklärung und zum Abwerfen von Bomben bis zu drei Kilogramm geeignet sind, die Kamikazedrohne Rubaka und Langstreckendrohne Ljutyj, die bis zu 2000 Kilometer weit fliegen können soll. In dieser Nacht sollen allein 337 Ljutyjs eingesetzt worden sein.
Über der Region Moskau wurden in der Nacht 91 Drohnen zerstört, über der Region Kursk 126. Dutzende von Drohnen gingen beim Einsatz von elektronischer Kampfführung verloren. Schwärme von sechs bis zwölf Drohnen wurden von den Regionen Černihivs’k, Sumy und Dnipropetrovs’k aus gestartet. Sie kamen in so großer Zahl, dass sie leicht mit Gewehren abgeschossen werden konnten. Ein ehemaliger Polizist schoss eine dieser Drohnen im Bezirk Kašir im Moskauer Gebiet ab. Die Drohne stürzte unmittelbar neben ihm ab, explodierte und verletzte den Mann. Ein anderer Mann in der Region Lipeck parkte sein Auto, um Drohnen in der Nähe einer Mautstelle an einer Autobahn zu beobachten. Die herabstürzende Drohne traf fünf Autos und verletzte den Russen.
Drei Menschen kamen bei einem Drohnenangriff in derselben Nacht auf dem Parkplatz eines Fleischproduzenten und -händlers im Dorf Jam im Bezirk Domodedovo in der Region Moskau ums Leben. Mehrere Familien in den Städten Ramenskoe und Vidnij bei Moskau sowie in der Domodedowskaja-Straße in Moskau hatten ebenfalls Pech: Die oberen Stockwerke ihrer Häuser wurden von Drohnen getroffen. Eine der Drohnen in Ramenskoe explodierte neben einem Maršrutka und verletzte Erwachsene und Kinder.
Die Bilanz des Angriffs fällt jedoch eher bescheiden aus. Das lässt sich indirekt an der geringen Zahl der zivilen Opfer – etwa 20 – ablesen. Das ist kein Vergleich zu den Opferzahlen, die die täglichen „Flüge“ in ukrainische Städte verursachen. Eigentlich sollte wohl zudem das Kraftwerk in Čerepet’ in der Region Tula getroffen werden, wie russländische Medien berichten. Die Drohne erreichte zwar das Ziel, explodierte dann aber nicht. Drohnen waren zudem in der Lage, die Ölpumpstation (LPDS) Stal’noj Kon’ in der Region Orel zu treffen. Dies beeinträchtigte den Betrieb der Družba-Ölpipeline und sorgte für heftige Reaktionen in Budapest und Bratislava. Nach wenigen Stunden konnte der Normalbetrieb wieder aufgenommen werden.
Der Durchschnittspreis solcher Drohnen liegt bei 50 000 bis 100 000 Dollar. Solche Nächte sind entsprechend für die Ukraine und ihre Verbündeten teuer. Die Kosten beliefen sich in diesem Fall auf Dutzende Millionen Dollar.
Andererseits ist jede russländische Rakete, die auf eine Drohne abgefeuert wird, um ein Vielfaches teurer. Zudem produziert Russland nicht genug von diesen Raketen. Der Abzug von Luftabwehrsystemen nach Moskau und in die Regionen südlich und westlich von Moskau, um Drohnen abzuwehren, gefährdet die Luftabwehr in anderen russländischen Gebieten. So flogen etwa in der Nacht zum 12. März ukrainische Drohnen in die Wolga-Region und die Region Wladimir, wo sie Brände auf Geländen von Energieunternehmen verursachten. Ein Problem für die Ukraine besteht darin, dass solche Ziele in Russland inzwischen zunehmend durch passive Verteidigungsanlagen geschützt sind – in erster Linie durch Netze. Es gibt entsprechend immer mehr Berichte über Drohnen, die zwar ihr Ziel erreichen, aber nicht explodieren.
Dennoch gelang es den ukrainischen Luftstreitkräften etwa in der Nacht zum 13. März, mit Drohnen die Ölpumpstation in Petrovsk zu treffen. Sie ist für die Gasversorgung der Städte und Gemeinden in den Regionen Saratov und Pensa zuständig. Sie verfügt über fünf Kompressorstationen, von denen eine von einer Drohne getroffen wurde. In der Region Kaluga griffen ukrainische Drohnen eine getarnte Drohnenproduktionsanlage an, die sich im Porenbetonwerk Kaluga im Dorf Obuchovo befand. Dies löste einen heftigen Brand aus.
Aus dem Russischen von Felix Eick, Berlin
Hinweis zu den Quellen: Die Berichte stützen sich auf die Auswertung Dutzender Quellen zu den dargestellten Ereignissen. Einer der Ausgangspunkte sind die Meldungen der ukrainischen sowie der russländischen Nachrichtenagenturen UNIAN und RIA. Beide aggregieren die offiziellen (Generalstab, Verteidigungsministerium, etc.) und halboffiziellen Meldungen (kämpfende Einheiten beider Seiten, ukrainische Stadtverwaltungen, etc.) der beiden Kriegsparteien. Der Vergleich ergibt sowohl übereinstimmende als auch widersprüchliche Meldungen und Darstellungen.
Zur kontrastierenden Prüfung ukrainischer Meldungen wie jene von Deep State (https://t.me/DeepStateUA/19452) – werden auch die wichtigsten russländischen Telegram- und Livejournal-Kanäle herangezogen, in denen die Ereignisse dieses Kriegs dargestellt und kommentiert werden, darunter „Rybar’“ (https://t.me/rybar), Dva Majora (https://t.me/dva_majors), und „Colonel Cassad“ (Boris Rožin, https://colonel cassad. livejournal.com/). Wichtige Quellen sind auch die Berichte, Reportagen und Analysen von Meduza und Novaja Gazeta Europe. Ebenfalls berücksichtigt werden die täglichen Analysen des Institute for the Study of War (www.understandingwar.org), das auf ähnliche Quellen zurückgreift