Zentralmuseum des Großen Vaterländischen Krieges, Foto: Benjamín Núñez González (CC BY-SA 4.0)
Zentralmuseum des Großen Vaterländischen Krieges, Foto: Benjamín Núñez González (CC BY-SA 4.0)

Der Krieg und die Militarisierung

Notizen zu Russlands Innen- und Außenpolitik

Margarete Klein, Nils Holger Schreiber, 23.1.2023

Russlands Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 ist das Ergebnis einer seit 2008 zu beobachtenden Militarisierung der Außenpolitik. Diese war von einer inneren Militarisierung begleitet, die sich im Laufe des Jahres massiv verstärkt hat. Seit der Plan eines schnellen Eroberungsfeldzugs gescheitert ist, wird die gesamte Gesellschaft auf den Krieg ausgerichtet. Gleichwohl bleiben die Kapazitäten zur Ausgleich der hohen Verluste begrenzt. Das bisherige Scheitern in der Ukraine reduziert nicht nur Russlands Fähigkeiten zur Machtprojektion in anderen Konflikten im postsowjetischen Raum und über diesen hinaus. Es untergräbt auch die Legitimität des Regimes. Doch dies führt nicht dazu, dass dieses den Krieg gegen die Ukraine beendet. Vielmehr ist das Überleben des Regimes von Erfolgen im Krieg abhängig. Es wird alle zur Verfügung stehenden Mittel konventioneller und hybrider Kriegsführung einsetzen, um diesen zu gewinnen.

In Russlands außenpolitischem Instrumentenkasten haben militärische Mittel seit 2008 an Bedeutung gewonnen. Moskau setzte seine nationalen Interessen immer häufiger mit der Androhung („Zwangsdiplomatie“) oder dem Einsatz militärischer Gewalt durch. Davon zeugen der Krieg gegen Georgien (2008), die Besetzung und Annexion der Krim sowie die Destabilisierung des Donbass (2014), die Intervention in Syrien (2015) und der Einsatz von Söldnergruppen in Libyen, Mali und der Zentralafrikanischen Republik. Russland konnte mit diesen Operationen nicht nur seine Interessen in den betroffenen Ländern durchsetzen, sondern auch seinen Einfluss im Nahen Osten und in Afrika ausweiten. Ferner diente die Drohung mit militärischer Eskalation der Abschreckung. Auf diese Weise wurde etwa der von Georgien und der Ukraine angestrebte Beitritt zur NATO verhindert.

Die Militarisierung der Außenpolitik zeigt sich auch daran, dass der Anteil von Verteidigungs- und Rüstungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt von 3,1 Prozent im Jahr 2008 auf 4,1 Prozent im Jahr 2021 gestiegen ist.[1] Mit einem Anteil von 10,6 Prozent am Staatshaushalt (2020) genießt die militärische Modernisierung eindeutig Priorität vor Sozialausgaben, etwa für Bildung und Gesundheit.[2] Gleichzeitig hat der Staat seit 2008 mit einer gezielten Bildungs- und Geschichtspolitik das Prestige der Streitkräfte in der Bevölkerung gehoben. Dies spielt eine wichtige Rolle bei der Legitimation des autoritären Systems.[3] Die innen- und die außenpolitische Dimension der Militarisierung sind eng miteinander verwoben.

Militärreform im Realitätscheck

Die großflächige Invasion Russlands im Februar 2022 setzte den Trend zur Militarisierung der Außenpolitik auf einer qualitativ neuen Stufe fort. Zuvor waren alle Militär­interventionen Russlands begrenzt gewesen – entweder zeitlich wie der Fünf-Tage-Krieg gegen Georgien oder funktional wie die Intervention in Syrien, die sich auf Luftwaffe und Militärpolizei sowie Söldnergruppen beschränkte. Dagegen handelte es sich beim Angriff auf die Ukraine vom Februar 2022 um den ersten vollumfänglichen Kriegseinsatz Russlands gegen ein großes Land.

Daher ist dieser der erste Realitätscheck für Russlands militärisches Modernisierungsprogramm. Bei diesem haben sich nicht nur Defizite bei Planung und Durchführung der Invasion offenbart, sondern auch strukturelle Schwächen des Programms.[4] Dieses war 2008 nach dem Georgienkrieg gestartet worden und zielte darauf ab, Russlands Streitkräfte von einer Mobilisierungsarmee in eine moderne Einsatzarmee umzuwandeln.[5] Diese sollte die gesamte Bandbreite möglicher Militäroperationen erfüllen können, von der Bekämpfung transnationaler Bedrohungen bis zur regionalen Kriegsführung.

Die Reform war eingebettet in eine seit den frühen 2000er Jahren geführte Debatte über die Frage, wodurch sich Kriege im 21. Jahrhundert auszeichnen und auf welche Art von Kriegsführung sich Russland vorbereiten müsse. In dieser standen, vereinfacht gesprochen, zwei miteinander verbundene Leitbilder moderner Kriegsführung im Vordergrund.

Die Überlegungen zu einem „Krieg neuen Typs“ basieren auf einem holistischen Verständnis von Krieg.[6] In den frühen, nichtmilitärischen Phasen gehe es darum, den Gegner durch „aktive Maßnahmen“ wie Desinformation und Subversion im Sinne „mentaler Kriegsführung“ zu schwächen. Sobald der Krieg in die militärische Phase übergehe, würden nicht nur reguläre Soldaten eingesetzt, sondern auch irreguläre Gewaltakteure, die in enger Koordination mit der Militärführung agieren. Aufbauend auf solchen Überlegungen baute Moskau den Pool seiner sogenannten „Proxys“ beträchtlich aus. Zu ihnen gehören neben Freiwilligenverbänden wie der rechtsextremen Gruppe Rusič oder Kosakengruppierungen auch die bis heute nach russländischer Rechtsprechung verbotenen privaten Militärfirmen wie Wagner oder Redut.[7]

Das zweite Leitbild der russländischen Militärreform war der „Krieg der 6. Generation“, auch „kontaktlose Kriegsführung“ genannt, das auch die Debatte zu den militärischen Endphasen des Krieges neuen Typs dominierte.[8] Dahinter steht die Vorstellung, dass militärische Operationen – wie schon die US-Intervention im Irak 2003 – künftig über lange Distanzen unter besonderer Nutzung modernster, vor allem luft- und weltraumbasierter Systeme ausgetragen werden.

Im Sinne des Leitbilds vom „Krieg neuen Typs“ lässt sich der Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar 2022 als Folge des Scheiterns nichtmilitärischer Mittel der Einflussnahme im Vorfeld begreifen. Die Versuche, Teile der ukrainischen Streitkräfte und Bevölkerung mit Desinformation und Subversion auf Russlands Seite zu ziehen, waren weitgehend erfolglos geblieben. Als die Entscheidung zum erneuten, diesmal offenen und massiven militärischen Eingreifen getroffen wurde, beruhten die Planungen offensichtlich auf einer fehlerhaften strategischen Aufklärung. Putin und seine Berater gingen davon aus, dass die ukrainischen Streitkräfte schwach seien und die politische Führung in Kiew rasch kollabieren werde.[9]

Im Verlauf des Krieges zeigte sich, dass Russlands Streitkräfte enorme Schwierigkeiten haben, Kernelemente des „Krieges der 6. Generation“ umzusetzen. Zwar waren auf Rüstungsmessen und Paraden medienwirksam Modernisierungserfolge präsentiert worden, und der Anteil „moderner“ Waffen am Gesamtarsenal war 2020 offiziell mit über 70 Prozent angegeben worden.[10] Doch nicht wenige der neuen Systeme, etwa der T-14-Armata-Kampfpanzer und das Su‑57-Kampfflugzeug, werden noch nicht in Massenfertigung produziert.[11] Schwerer als Verzögerungen bei der Produktion einzelner Systeme wog die geringe Digitalisierung von Führungs-, Aufklärungs- und Kommunikationssystemen in Russlands Streitkräften.[12] Berichte von der Front zeigen, dass russländische Soldaten anstelle digitaler Karten Straßenatlanten aus der Sowjetzeit benutzten oder mangels verschlüsselter Nachrichtensysteme auf offene Handyverbindungen zurückgreifen mussten.[13] In verlassenen Panzern fehlten wichtige elektronische Komponenten.[14] Das dürfte auch eine Folge der endemischen Korruption in den Streitkräften sein.

Die geringe digitale Vernetzung in den russländischen Streitkräften erschwert das koordinierte Zusammenwirken von Luftwaffe, Luftabwehr, Artillerie- und Infanterieeinheiten. Auch deshalb gelang es Russlands Streitkräften nicht, den Luftraum in der Ukraine zu kontrollieren, wie es das Konzept des „Krieges der 6. Generation“ vorsieht, zumal die Ukraine anders als die Rebellen oder die Kämpfer des „Islamischen Staates“ in Syrien über Luftabwehrsysteme verfügt.[15] Dazu kommen Koordinationsprobleme zwischen den regulären Streitkräften und den Proxys. Da es den nur zu 75 Prozent bemannten Bataillonskampfgruppen vor allem an Infanterieeinheiten fehlte, übernahmen oftmals Söldnergruppen und Nationalgardisten deren Aufgabe.[16] Zu Letzteren gehören die sogenannten Kadyrovcy. Zwar sind diese zum Großteil formal der Nationalgarde – sowie zu einem kleinen Teil den regulären Streitkräften – unterstellt; de facto handelt es sich bei ihnen aber um eine Privatarmee des tschetschenischen Machthabers Ramzan Kadyrov.[17]

Der Krieg offenbarte zudem, dass der reale Trainings- und Professionalisierungsstand der russländischen Streitkräfte deutlich geringer war, als es offizielle Dokumente auswiesen.[18] Zwar hatten Russlands Streitkräfte seit 2008 Zahl, Frequenz, Umfang und Komplexität größerer Militärübungen massiv ausgeweitet.[19] In der Ukraine eingesetzte Soldaten berichten jedoch, dass besonders in den Bataillonskampfgruppen zu wenig, zu kurz oder manchmal nur für Fotozwecke trainiert wurde.[20] Dies wirft auch ein anderes Licht auf die auf den ersten Blick erfolgreichen Professionalisierungsbemühungen der Streitkräfte. Hatte das Verteidigungsministerium 2009 mit 175 000 Vertragssoldaten, Kontraktniki, geplant, waren es nach offiziellen Angaben 2020 bereits 405 000.[21] Die bloße Zahl besagt aber wenig darüber, wie groß der Pool an gut ausgebildeten, einsetzbaren Zeitsoldaten tatsächlich ist, die nicht nur komplexe Waffensysteme bedienen können, sondern wie in westlichen Armeen als Unteroffiziere auch für die Auf­rechterhaltung der Disziplin sorgen können. Das Programm zur Ausbildung professioneller Unteroffiziere scheiterte aufgrund der Beharrungskraft einer Militärkultur, in der das Delegieren militärischer Führungsaufgaben an Personen außerhalb des Offizierskorps nicht vorgesehen ist. Entsprechend war die Invasion in der Ukraine oftmals mehr durch Chaos (bardak) und Schludrigkeit (razgil’djajstvo) gekennzeichnet als durch die effiziente Umsetzung moderner Konzepte der Kriegsführung.[22]

Materielle Verluste und Kompensationsversuche

Ob Russland zur Durchsetzung außenpolitischer Interessen auch künftig militärische Drohungen einsetzen kann, hängt davon ab, ob es den Streitkräften des Landes gelingt, die materiellen und personellen Verluste im Krieg gegen die Ukraine auszugleichen. Dies gilt umso mehr, als sich dieser zu einem langen Abnutzungskrieg entwickelt.

Nach Angaben von Oryx, einer von ehemaligen Bellingcat-Mitarbeitern gegründeten Recherchegruppe, die mit offenen Daten arbeitet und die mit Bildmaterial dokumentierbaren Verluste bei schweren Waffenkategorien zählt, haben Russlands Streitkräfte bis zum 20. Dezember 2022 1585 Kampfpanzer, 1869 Schützenpanzer, 67 Kampfflugzeuge, 72 Helikopter und zwölf Schiffe verloren.[23] Das ukrainische Verteidigungsministerium nannte am 4. Dezember 2022 für die vorhergehenden neun Monate deutlich höhere Zahlen.[24]

Die materiellen Verluste wiegen unterschiedlich schwer. Artilleriesysteme, Munition und gepanzerte Fahrzeuge lassen sich rasch ersetzen, da für deren Produktion keine Importe aus westlichen Ländern benötigt werden. Zudem gibt es hier teils große Lagerbestände.[25] Schwieriger sind moderne Systeme zu ersetzen, für deren Produktion und Wartung Komponenten erforderlich sind, deren Einfuhr durch die Sanktionen der EU und der USA unterbunden ist.[26] Moskaus Führung setzt nun auf Importsubstitution, ökonomische Mobilisierung und Sanktionsumgehung.[27] Importsubstitution gelingt jedoch aufgrund der wenig innovationsfreundlichen Industriebasis kaum. In den acht Jahren seit der Einführung erster Sanktionen im Jahr 2014 konnte nur bei sieben von 127 Gütern der Import durch die Produktion in Russland selbst ersetzt werden.[28] Mittlerweile erhalten zwar Rüstungsunternehmen Vorrang beim Zugriff auf knappe Güter. Doch dies ändert die Situation nicht grundlegend. Die Möglichkeiten, aus dem Ausland Rüstungsgüter oder Komponenten für solche zu beziehen, sind durch die westlichen Sanktionen und die Zurückhaltung möglicher Lieferländer wie etwa China begrenzt. Ausnahmen bilden bislang Belarus und der Iran, der Russland Drohnen liefert.[29]

Von der „stillen Mobilisierung“ zur Teilmobilmachung

Auch die „personellen Verluste“ der russländischen Streitkräfte sind hoch. Verteidigungsminister Sergej Šojgu gab am 21. September 2022 bekannt, es seien 5937 Soldaten gefallen.[30] BBC Russia und Mediazona haben 9311 russländische Soldaten namentlich identifiziert, die zwischen dem 22. Februar und dem 6. Dezember 2022 umgekommen sind.[31] Sie gehen davon aus, dass die Zahl der tatsächlich gefallenen Soldaten doppelt so hoch ist, also etwa 20 000, und insgesamt 90 000 russländische Soldaten gefallen sind, schwer verwundet wurden oder sich in Kriegsgefangenschaft befinden.[32] Das entspräche einer Ausfallquote von 44 Prozent der Invasionstruppe, die im Februar 2022 rund 190 000 Soldaten umfasste, oder ungefähr zehn Prozent der gesamten russländischen Streitkräfte.[33]

Um die personellen Lücken zu füllen, versuchte Russlands Führung ab dem späten Frühjahr 2022 zunächst „still“ zu mobilisieren, das heißt Soldaten und Söldner über kurzfristige, gut bezahlte Zeitverträge anzuwerben.[34] Dazu bediente sich der Kreml sowohl der regionalen Führungen als auch der Proxys. Die Exekutive jedes Föderationssubjekts wurde angewiesen, jeweils ein regionales „Freiwilligenbataillon“ aus ungefähr 400 Mann aufzustellen.[35] Darüber hinaus rekrutierten private Militärfirmen wie Wagner oder Redut gezielt Männer mit Kampferfahrung.[36] In manchen Stellenanzeigen, die sich über Telegram-Kanäle verbreiteten, wurde das Mehrfache des regulären Soldes geboten. Wie hoch der Personalbedarf in Russlands Streitkräften ist, lässt sich an einigen Indizien ablesen. So wurde im Sommer 2022 die Altersgrenze für Zeitsoldaten über das bis dahin geltende Höchstalter von 40 Jahren bis zum Ende des Erwerbsalters auf 65 Jahre erhöht.[37] Ferner wurde im September 2022 für ausländische Vertragssoldaten, die mindestens ein Jahr in den russländischen Streitkräften dienen, die Möglichkeit eines beschleunigten Erwerbs der russländischen Staatsbürgerschaft geschaffen.[38] Angeworben werden sollen damit vor allem Männer aus Zentralasien.[39] Darüber hinaus wurden verstärkt Freiwillige aus Kosakengruppierungen eingesetzt, um personelle Lücken in den Streitkräften zu füllen.[40] Auf den Personalmangel verweist auch, dass es dem Unternehmen Wagner erlaubt wurde, in Gefängnissen „Freiwillige“ anzuwerben.[41] Wie viele Kämpfer auf diese Weise angeworben werden konnten, ist unklar. Mediazona berichtet, dass in den beiden Monaten September und Oktober 2022 die Zahl der in den russländischen Gefängnissen einsitzenden Verurteilten um 23 000 Personen gesunken sei.[42]

Die erfolgreiche ukrainische Gegenoffensive im Nordosten bei Charkiv im August 2022 demonstrierte eindrücklich, dass die stille Mobilisierung allein nicht ausreichte, um die Personallücken zu füllen. In der Folge verkündete Präsident Putin am 21. September 2022 eine Teilmobilmachung.[43] Nach offiziellen Angaben wurden 318 000 Reservisten eingezogen, ehe das Dekret am 31. Oktober 2022 wieder aufgehoben wurde.[44] Die seit dem 4. Oktober 2022 in Russland rechtskräftige Annexion der vier ukrainischen Gebiete Donec’k, Luhans’k, Zaporižžja und Cherson erlaubt es Moskau nun auch, zu deren „Verteidigung“ Wehrpflichtige in der Ukraine einzusetzen.[45] „Verteidigung“ umfasst sowohl die Abwehr ukrainischer Angriffe zur Befreiung der besetzten Gebiete als auch Offensiven zur Einnahme der noch nicht von Russland eroberten Teile der vier Gebiete.

Weder der nun mögliche Einsatz von Wehrpflichtigen noch die Mobilisierung von Reservisten werden kurzfristig die Kampfkraft der russländischen Streitkräfte erhöhen. Zwar steht diesen theoretisch ein Reservoir von rund 1,6 Millionen Männern zur Verfügung, die in den vergangenen fünf Jahren als Wehrpflichtige und Zeitsoldaten gedient haben oder über „militärische Erfahrung“ verfügen, da sie etwa paramilitärische Kurse absolviert haben.[46] Doch dies ist nicht mit einer aktiven Reserve gleichzusetzen, da die meisten dieser Männer nicht regelmäßig an Übungen teilnehmen. In den fünf Jahren nach ihrem Ausscheiden aus den Streitkräften erhalten nur zehn Prozent der vormaligen Wehrpflichtigen ein Auffrischungstraining.[47] Für die ab September 2022 eingezogenen Reservisten war offenbar nur ein dreiwöchiger Kurs vorgesehen, der nicht selten viel kürzer ausfiel.[48]

Russlands Führung ist momentan vor allem bestrebt, unabhängig vom Ausbildungsstand möglichst viele Männer an die Front zu bringen, damit die eigenen Streitkräfte in der Ukraine nicht weiter zurückgedrängt werden. Eine solche Notmaßnahme ist auch das im Teilmobilmachungs-Dekret verankerte Verbot für Vertragssoldaten, ihren Vertrag vor Vollendung der „militärischen Spezialoperation“ zu kündigen.[49] Zwar wird so sichergestellt, dass genau jene Soldaten, die als Spezialisten für das Bedienen komplexer Waffensysteme nur schwer zu ersetzen sind, nicht die Armee verlassen. Nach Monaten im Einsatz dürfte ihre Kampfbereitschaft aber erheblich gesunken sein.

Der kurzfristige militärische Nutzen von Putins Dekret ist daher gering, das Risiko militärischer Folgekosten dagegen hoch. So dürfte es künftig deutlich schwerer werden, neue Zeitsoldaten zu rekrutieren oder die in Dienst stehenden zur Verlängerung ihres Vertrags zu bewegen. Auch dürften Moral, Kohäsion und Einsatzbereitschaft der eilig durch Reservisten verstärkten Einheiten gering bleiben. Es ist fraglich, ob sich bei einer möglichen neuen Einberufungswelle die Probleme der hastig und vielfach improvisierten ersten Mobilmachungsrunde überwinden ließen.[50] Denn es fehlen Trainingseinrichtungen und Ausbilder für eine Schulung der Reservisten. Viele Ausbilder sind durch den Kriegseinsatz gebunden.[51] Die Mitte Oktober 2022 vereinbarte Nutzung belarussischer Trainingseinrichtungen fällt bislang kaum ins Gewicht.[52] Vor diesem Hintergrund würde eine neue Mobilisierungswelle noch stärker als bisher dazu führen, dass die Invasion in der Ukraine mit veralteten, hauptsächlich auf Masse beruhenden Konzepten von Kriegsführung fortgesetzt wird. Damit verlöre das Reformprojekt von 2008 weiter an praktischer Relevanz.

Begrenzter militärischer Handlungsspielraum nach außen

Die materiellen und personellen Verluste Russlands und die Schwierigkeiten, diese auszugleichen, begrenzen kurz- bis mittelfristig die Fähigkeiten des Kreml, außenpolitische Interessen wie bisher durch die Drohung mit militärischer Gewalt, durch den Einsatz regulärer Streitkräfte oder durch Militärkooperation mit anderen Staaten durchzusetzen. Probleme dürfte Moskau vor allem damit haben, Einsätze durchzuführen, die personal- und materialintensiv sind, sowie mit Operationen, die auf schnell einsatzbereite Einheiten oder die Schwarzmeerflotte angewiesen sind. Nach amerikanischen Angaben sind mittlerweile mehr als 85 Prozent der einsatzbereiten Einheiten in der Ukraine gebunden. Vor allem Luftlandetruppen und Marineinfanterie hatten überproportional hohe Verluste zu verzeichnen.[53] Die Schwarzmeerflotte wiederum hat mehrere Schiffe, darunter den Raketenkreuzer Moskva, verloren, und wegen des beschränkten Zugangs durch die Dardanellen hat sie kaum mehr Manövrierraum außerhalb des Schwarzen Meeres.[54]

Dies dürfte Moskaus Machtprojektionsfähigkeiten im Nahen Osten und in Nordafrika reduzieren. Zwar ist zu erwarten, dass Russland seinen Einsatz in Syrien fortführt. Zugleich muss es versuchen, eine Eskalation zu vermeiden und mit reduziertem Personal, gerade auch Proxys, die Präsenz aufrechtzuerhalten. Der Krieg unterminiert zudem Moskaus Bemühungen, über Ausbildungshilfe und Rüstungsverkäufe im Nahen Osten, in Afrika und Asien seinen politischen Einfluss auszubauen. Nicht nur das Vertrauen in die Effektivität russländischer Waffensysteme sinkt, sondern angesichts des hohen Eigenbedarfs auch das in die Verlässlichkeit der Lieferungen.[55] Davon zeugt, dass Russlands Waffenexporte von 2021 auf 2022 um geschätzt 40 Prozent schrumpfen dürften.[56]

Auch im postsowjetischen Raum gerät das Militär als Pfeiler russländischer Hegemonialpolitik unter Druck. Dabei war dieses aufgrund der zurückgegangenen ökonomischen Abhängigkeit vieler Länder von Russland in den vergangenen Jahren für den Kreml immer wichtiger geworden. Moskau kann seine Truppenpräsenz in Armenien, Kyrgyzstan und Tadschikistan sowie den abtrünnigen Gebieten Abchasien, Südossetien, Transnistrien und Bergkarabach nicht verringern, ohne den eigenen Anspruch zu unterminieren, an den jeweiligen Orten als „Sicherheitsgarant“ zu wirken. Zugleich vermindern sich die Kapazitäten, um auf Krisen zu reagieren. Noch im Januar 2022 hatte Moskau unter dem Dach der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) in Kasachstan interveniert.[57] Als aber im September 2022 die Kämpfe zwischen Armenien und Aserbaidschan wieder aufflammten und kurz darauf die Spannungen zwischen Kyrgyzstan und Tadschikistan eskalierten, vermied der Kreml weiteres militärisches Engagement.[58] Daher verliert die von Moskau dominierte OVKS rapide an Bedeutung.[59] Lediglich mit Belarus ist die militärische Kooperation 2022 enger geworden.[60] Hatte sich Machthaber Aljaksandr Lukašenka zuvor stets geweigert, eine substantielle russländische Truppenpräsenz in seinem Land zuzulassen, kommen nun schleichend immer mehr Soldaten aus Russland nach Belarus. Am 10. Oktober 2022 gab Lukašenka bekannt, dass eine sogenannte „gemeinsame regionale Streitkräftegruppierung“ aus russländischen und belarussischen Soldaten aufgestellt worden sei.[61] Dies sieht der Unionsvertrag von 1999 im Fall einer gemeinsamen Bedrohung vor. Lukašenka verwies zur Begründung auf eine angebliche Gefahr, die von der NATO ausgehe. Der belarussische Verteidigungsminister geht davon aus, dass im Rahmen der gemeinsamen Gruppierung 9000 russländische Soldaten in Belarus stationiert werden sollen.[62] Dies lässt sich nicht nur als Vorbereitung auf eine neue Offensive Richtung Kiew deuten, sondern auch als Versuch Moskaus, die Kontrolle über Belarus zu festigen.

Verschiebungen im militärischen Machtgefüge

Der Verlauf des Krieges gegen die Ukraine wirkt sich nicht nur auf den außenpolitischen Handlungsspielraum Russlands, sondern auch auf die Legitimation des Putinschen Regimes aus. Auch führt er zu Verschiebungen im militärischen Machtgefüge.

Die hohen Verluste und militärischen Rückschläge setzen insbesondere die Führung der regulären Streitkräfte unter Druck. Dies zeigen Medienauftritte ehemaliger Militärs, Militärblogger und nationalistischer Hardliner sowie von solchen betriebene Telegram-Kanäle.[63] Zu Beginn des Krieges waren die gescheiterte Einnahme von Kiew oder der Rückzug aus dem Norden von Charkiv noch wohlwollend gerechtfertigt worden. Diese Niederlagen wurden mit einer angeblichen Humanität der russländischen Kriegsführung, einem vorgeblich besonders brutalen Vorgehen der ukrainischen Streitkräfte sowie mit der Involvierung westlicher Akteure erklärt.[64] Der russländische Vormarsch zur „Befreiung“ der Ukraine sei durch den Versuch verlangsamt worden, Opfer unter der ukrainischen Zivilbevölkerung zu vermeiden. Zudem sei die Widerstandsfähigkeit der ukrainischen Streitkräfte unterschätzt worden, die so stark durch westliche Staaten unterstützt worden seien, dass Moskaus Truppen eigentlich nicht gegen die ukrainischen Streitkräfte, sondern gegen die westliche Militärallianz kämpfen würden.[65] Die als Demütigung wahrgenommenen Niederlagen bei Charkiv und Izjum, der erzwungene Rückzug aus der Stadt Cherson und deren Umland sowie die Angriffe der ukrainischen Streitkräfte auf wichtige Symbole des russländischen Großmachtanspruchs wie die 2018 eröffnete Brücke über die Meerenge von Kerč lösten eine Radikalisierung aus. An die Stelle von Durchhalteparolen rückte zunehmend die Forderung nach einer Ausweitung und Verschärfung der russländischen Kriegsführung. Ehemalige Militärs verloren an Bedeutung im medialen Raum, nationalistische Hardliner und Militärblogger wie Igor’ Girkin, „Rybar“ und Semen Pegov („WarGonzo“) wurden wichtiger.[66] Sie greifen die Armeeführung Russlands scharf an, indem sie ihr „militärische Inkompetenz“ und Unfähigkeit, aus Fehlern zu lernen, vorwerfen.[67] So behauptete der Militärblogger Jurij Podoljaka (2,77 Millionen Telegram-Follower) nach dem Rückzug aus Izjum im September 2022, dass „wir Reserven hatten, aber irgendjemand […] sie falsch verteilt hat“.[68] Aleksandr Koc (675 000 Telegram-Follower) kritisierte zur selben Zeit, dass im Militär „niemand schlechte Neuigkeiten überbringen wolle“, weshalb diese nicht von den Untergebenen an die übergeordneten Stellen weitergeleitet würden.[69] Auch wenn Generalstabschef Valerij Gerasimov oder Verteidigungsminister Sergej Šojgu kaum explizit beschuldigt werden, zielt die Kritik der enttäuschten nationalistischen Kräfte doch zunehmend scharf gegen die oberste Militärführung. So sprach Igor’ Girkin („Strelkov“, 740 000 Abonnenten) von einer „vom Kopf her verrottenden Militärführung“.[70]

Eine neue Qualität gewannen diese Angriffe im November 2022, als der tschetschenische Präsident Ramzan Kadyrov sowie der Finanzier der Söldnergruppierung Wagner, Evgenij Prigožin, den damaligen Oberkommandierenden der russländischen Streitkräfte in der Ukraine, General Lapin, offen angingen.[71] Prigožin und Kadyrov nutzen bewusst die ideologischen Topoi der nationalistischen Kräfte zur Verbrämung ihrer Partikularinteressen. Primär geht es ihnen darum, einen größtmöglichen Anteil des stark wachsenden Budgets für Verteidigung und innere Sicherheit abzuschöpfen sowie ihre politische Position innerhalb der Siloviki auszubauen. Beide konkurrieren mit den regulären Streitkräften. Dass Söldner und die Kadyrovcy in zunehmendem Maße originäre Aufgaben der Armee übernehmen – seien es Kampfeinsätze oder sei es die Ausbildung von Reservisten –, ist einerseits als Investition vor den anstehenden Verteilungskämpfen um Kompetenzen und Finanzmittel zu werten, andererseits spiegelt sich darin auch ein Machtgewinn der Proxys gegenüber den regulären Streitkräften wider.[72]

Parallel zum Schulterschluss der nationalistischen Kräfte mit „Kriegsunternehmern“ wie Prigožin und Kadyrov geraten die regulären Streitkräfte sowie Verteidigungsminister Sergej Šojgu noch aus einer anderen Ecke unter Druck. Am 19. Oktober 2022 gründete Präsident Putin ein neues Organ, den „Koordinationsrat“.[73] Dieser soll sich um „jeden Bedarf, der im Rahmen der militärischen Spezialoperation entsteht“, kümmern, vor allem um die Beschaffung von Waffensystemen und militärischer Ausrüstung, Logistik, medizinischer Versorgung, Wartungs- und Konstruktionsarbeiten für die Streitkräfte.[74] Im neuen Gremium ist der Verteidigungsminister nicht in führender Funktion, sondern nur als einfaches Mitglied vertreten. Geleitet wird der Koordinationsrat von Ministerpräsident Michail Mišustin. Außerdem gehören ihm dessen Stellvertreter, Vertreter der Machtministerien und -behörden sowie die mit sozioökonomischen Fragen befassten Ministerien, Vertreter der Präsidialadministration und des Staatsrats an. Dass die sogenannten „Technokraten“ damit eine Schlüsselposition bei der Verteilung der für den Kriegseinsatz bereitgestellten Mittel erhalten, lässt sich als Kritik Putins an der Militärführung und Verteidigungsminister Šojgu interpretieren. Zugleich passt die Zusammensetzung des Gremiums zur Herrschaftsstrategie „Teile und herrsche“, mit der Putin die verschiedenen informellen Elitengruppierungen kontrolliert.

Krieg und Regimelegitimierung

Eine mögliche Machtverschiebung zwischen regulären Streitkräften und Proxys sowie „Technokraten“ ist kein Indikator für eine Destabilisierung des Putin-Regimes. Eine größere Herausforderung für das System ist dagegen, dass die militärischen Rückschläge einen wichtigen Pfeiler der Regimelegitimierung unter Druck setzen. In den ersten beiden Amtszeiten Putins beruhte der ungeschriebene Gesellschaftsvertrag auf dem Versprechen von Stabilität und wirtschaftlicher Prosperität im Austausch für politische Loyalität oder Apathie. Als dieses Modell mit der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2009 ins Wanken geriet, schwenkte der Kreml auf die Inszenierung einer Großmachtpolitik Russlands in Geschichte und Gegenwart um. Eine Schlüsselrolle nahm die Demonstration militärischer Erfolge ein. Die Effekte zeigten sich eindrücklich nach der Krim-Annexion, als die Zustimmungswerte für Präsident Putin von 61 Prozent im November 2013 auf 88 Prozent im Oktober 2014 kletterten.[75]

Gleichzeitig wuchs das Prestige der Streitkräfte in der Bevölkerung, das in den 1990er Jahren aufgrund ausbleibender Soldzahlungen, materiellen Verfalls und hoher Verluste gerade unter Wehrpflichtigen im Tschetschenienkrieg massiv gelitten hatte.[76] So stieg der Anteil jener, die den Dienst eines Verwandten oder Freundes in den Streitkräften positiv beurteilen, von 20 Prozent im Jahr 2002 auf 52 Prozent im Jahr 2020.[77] In der letzten Dekade gehörten die Streitkräfte neben dem Präsidenten und der orthodoxen Kirche stets zu den drei Institutionen, von denen bei Umfragen die meisten Befragten sagten, sie würden ihnen vertrauen.[78] Der Popularitätszuwachs der Streitkräfte ist Teil eines breiteren Trends zur „Militarisierung des Bewusstseins“ in Russlands Gesellschaft.[79] Abzulesen ist das an der Einbindung militärisch-patriotischer Elemente in die Bildungs- und Geschichtspolitik sowie am breiten Raum, den militärische Siege im staatlichen Feiertagskalender genießen.[80] So wurde 2016 zur militärisch-patriotischen Schwerpunktsetzung in der Jugenderziehung die Organisation Junarmija gegründet, die sich darum bemüht, Kinder und Jugendliche zwischen acht und 17 Jahren möglichst früh mit militärischen Sachverhalten und dem richtigen Verhalten in Hierarchien vertraut zu machen.[81] Die Organisation, die nach eigenen Angaben über 1,2 Millionen Mitglieder zählt, ist eingebettet in größere staatliche Initiativen, die darauf zielen, die gesetzlich vorgeschriebene militärisch-patriotische Erziehung wieder an Russlands öffentlichen Schulen zu verankern.[82]

Vor diesem Hintergrund birgt die Möglichkeit einer Niederlage im Krieg in der Ukraine das Risiko, dass ein zentraler Pfeiler von Putins Legitimationsstrategie unterminiert wird. Zwar ist angesichts der seit Februar 2022 verschärften Repressionen und der Ausschaltung der Pressefreiheit die Aussagekraft von Meinungsumfragen beschränkt, doch lassen sich Trends erkennen. Bei Umfragen erklären zwar im November 2022 weiterhin 74 Prozent der Befragten, sie würden die Aktivitäten der russländischen Streitkräfte in der Ukraine unterstützen, doch im März 2022 waren es noch 80 Prozent.[83] Vor allem glauben immer weniger Befragte an einen erfolgreichen Abschluss der „militärischen Spezialoperation“. Im April 2022 erklärten dies 68 Prozent, im November 2022 nur noch 54 Prozent.[84] Besonders auffällig ist, dass seit der Teilmobilmachung im September 2022 negative Gefühle und individuelle Betroffenheit deutlich zugenommen haben. Lediglich 23 Prozent der Befragten sahen im Oktober 2022 mit Stolz auf die Entwicklung des letzten Monats, während 47 Prozent der Befragten Angst, Furcht und Schrecken, 23 Prozent einen Schock und 13 Prozent Wut und Empörung äußerten.[85] Dies trifft vor allem auf die jüngeren Befragten zu. 58 Prozent der 18- bis 24-Jährigen lehnen die Teilmobilmachung ab.[86]

Daraus ergibt sich noch keine unmittelbare Gefahr für die Stabilität des Putin-Regimes. Anfängliche Proteste nach der Teilmobilmachung wurden von den Sicherheitsdiensten niedergeschlagen.[87] Die Flucht von bis zu 700 000 Männern erschwerte zwar die Einberufung von Reservisten, bedeutet aber auch, dass potentiell protestbereite Personen das Land verlassen.[88]

Dennoch geraten wesentliche Elemente der bisherigen Legitimationsstrategie des Kreml unter Druck. Die hohen Verluste und militärischen Rückschläge kratzen am Nimbus der erfolgreichen Wiedererrichtung der Großmacht Russland. Und mit der Einberufung von Reservisten bricht der Kreml den ungeschriebenen Gesellschaftsvertrag, wonach sich militärische Abenteuer nicht negativ auf das Alltagsleben der Bevölkerung auswirken.

Zugleich kann Putin die Legitimationsdefizite nicht durch Rückkehr zum Status quo ante überwinden – ganz im Gegenteil. Die westlichen Sanktionen und der Einbruch des Öl- und Gasexports nach Europa verschlechtern die wirtschaftliche Lage. Daher wächst für den Kreml der Anreiz, den Krieg gegen die Ukraine fortzusetzen. Dies bietet die Möglichkeit, sozioökonomische Härten und verschärfte Repression unter Verweis auf Erfordernisse des Krieges zu rechtfertigen. Aus der Forschung über autoritäre Systeme ist bekannt, dass diese selbst lange Kriege überstehen können; nur desaströse Niederlagen wirken regimegefährdend.[89] Dass sich Russland auf einen längeren Krieg gegen die Ukraine vorbereitet, offenbart der Haushaltsentwurf für 2023 und 2024.[90] Er sieht vor, die Ausgaben für Verteidigung und innere Sicherheit massiv, nämlich um 50 Prozent zu steigern.[91] Darüber hinaus werden Vorbereitungen getroffen, die Wirtschaft für Kriegszwecke zu mobilisieren.[92] Ukrainische Medien berichten, dass in Russland eine möglicherweise weit umfangreichere zweite Mobilisierung von Reservisten in Planung sei.[93] Um die mit einem längeren Krieg verbundenen Kosten zu rechtfertigen und die Risiken für die Regimestabilität zu reduzieren, baut der Kreml den Repressionsapparat aus. Der Präsident, der Verteidigungsminister und die staatlich gelenkten Medien stellen den Krieg gegen die Ukraine zunehmend als existentielle und zugleich schicksalhafte Auseinandersetzung mit einem wesentlich größeren Gegner – dem „kollektiven Westen“ – dar.[94] Auf diese Weise werden die bisherigen militärischen Schwierigkeiten erklärt und die Bevölkerung wird auf die Notwendigkeit eines langen, kostspieligen Krieges eingeschworen.

Schlussfolgerungen

Die enge Wechselwirkung zwischen innerer und äußerer Militarisierung hat nicht nur Konsequenzen für Russlands Krieg gegen die Ukraine. Sie birgt auch Risiken und Gefahren für die deutsche und europäische Politik. Anders als frühere Militäreinsätze wirkt sich der massive Krieg gegen die Ukraine auf die Stabilität des politischen Regimes in Moskau aus. Verliert Russland den Krieg, stehen nicht nur seine außenpolitische Rolle als Großmacht und sein Anspruch auf Hegemonie über eine spezifische Einflusszone im postsowjetischen Raum zur Disposition, sondern auch die bisherige Legitimation der Herrschaft des Putin-Systems im Inneren.

Daher ist davon auszugehen, dass der Kreml nur dann zu ernsthaften Verhandlungen bereit sein wird, wenn er entweder eine desaströse Niederlage seiner Streitkräfte vermeiden muss. Andernfalls dienen Verhandlungen nur dazu, der Ukraine einen Kapitulationsfrieden zu oktroyieren. Verhandlungen, bei denen Moskau ohne militärische Not substantielle Zugeständnisse macht, ergeben nach der Logik des russländischen Regimes keinen Sinn. Allenfalls macht Moskau Verhandlungsangebote, die taktisch motiviert sind und dazu dienen, den personell und materiell erschöpften Streitkräften Zeit zur Umgruppierung und Verstärkung zu verschaffen.

Zu erwarten ist, dass Russland seine Kriegsführung nicht nur fortsetzt, sondern sie brutaler wird, um den Druck auf die Ukraine zu erhöhen. Diesem Ziel dienen die seit dem Spätherbst 2022 massiv verstärkten Angriffe auf die ukrainische zivile Infrastruktur. Flächenbombardierungen wie in Syrien wären ein weiterer Schritt. Auch die wachsende Rolle der Proxys und der hinter ihnen stehenden „Kriegsunternehmer“ machen eine Brutalisierung des Krieges wahrscheinlicher. Die Rekrutierung von Häftlingen und die grausamen Maßnahmen zur internen Disziplinierung, die bis zur Hinrichtung desertierender Kämpfer mit Vorschlaghämmern reichen, sind Anzeichen für eine interne Verrohung, die sich auch im Umgang mit ukrainischen Soldaten und Zivilisten widerspiegelt.[95] Zugleich prägen Kriegsunternehmer wie Kadyrov und Prigožin ihr Image als Vertreter einer besonders rücksichtslosen und brutalen Kriegsführung zur „Markenbildung“ für das eigene „Unternehmen“.

Zudem warnt Moskau vor einer Eskalation des Krieges über die Grenzen der Ukraine hinaus und droht auf diese Weise den EU- und NATO-Staaten.[96] Auf diese Weise will der Kreml verhindern, dass diese ihre politische, wirtschaftliche, finanzielle und militärische Unterstützung für die Ukraine erweitern. Der Einsatz von Nuklearwaffen ist aufgrund hoher Folgekosten für Russland eher unwahrscheinlich. Anders sieht es mit Cyberangriffen, Täuschungsmanövern unter falscher Identität („false flag attacks“) und verstärkter Subversion aus. Darüber hinaus bestehen Anreize für Russland, Konflikte planvoll anzuheizen, deren Eskalation sich auch auf EU-Länder auswirken würde, so etwa die in Bosnien-Hercegovina, Libyen, Syrien oder Mali. Zwar ist der Kreml in internationalen Konflikten derzeit eher an einer Erhaltung des status quo interessiert, doch um bewusst Öl ins Feuer schwelender Konflikte zu gießen, ist meist kein großes militärisches Engagement nötig.

In Anbetracht dieser Lage müssen die europäischen Staaten ihre Widerstandsfähigkeit gegen hybride Bedrohungen aus Russland stärken sowie in glaubhafte Abschreckung und damit in Kapazitäten für eine militärische Rückversicherung investieren. Darüber hinaus sollten sie die Unterstützung der Ukraine wirtschaftlich, finanziell und militärisch langfristig sichern. Da Russlands Führung an ihren Maximalzielen in der Ukraine festhält, ist ein langer Abnutzungskrieg zu befürchten. In diesem können sich Phasen intensiver Kriegsführung mit solchen reduzierter Kämpfe abwechseln, wenn Russlands Streitkräfte eine Pause zur Umgruppierung oder zur Konsolidierung ihrer Besatzungsherrschaft benötigen. Deswegen sind für die Ukraine Hilfen zur Aufrechterhaltung staatlicher Funktionen ebenso essentiell wie verlässliches sicherheitspolitisches und militärisches Engagement. Erforderlich sind die weitere Lieferung von Waffensystemen und Ausrüstung sowie militärische Ausbildungsprogramme. Da sich der Kreml ohnehin im Krieg gegen den „kollektiven Westen“ sieht, sollten sich Umfang und Qualität der Waffenlieferungen weniger an Moskaus Drohungen mit Gegenmaßnahmen orientieren, sondern an den Erfordernissen der ukrainischen Streitkräfte bei ihrem Bestreben, Russlands militärische Aggression abzuwehren. Letztlich entscheidet sich in der Ukraine, ob die Militarisierung der Außenpolitik Russlands gestärkt oder gebrochen wird.

Margarete Klein (1973), Dr. phil., Politikwissenschaftlerin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin
Von Margarete Klein erschien zuletzt in Osteuropa: Machtpolitik und selektive Kooperation. Russland und Israel im Zeichen des Syrienkriegs, in: OE, 9–11/2019, S. 317–332. – Russlands neue Nationalgarde. Stärkung der Machtvertikale des Putin-Regimes, in: OE, 5/2016, S. 19–32. – Ambitioniert, aber ambivalent. Russlands Sicherheitspolitik in Nordostasien, in: OE, 5–6/2015, S. 67–84.
Nils Holger Schreiber (1996), M.A., Politikwissenschaftler, MSc-Student an der LSE, London
Bei dem vorliegenden Aufsatz handelt es sich um eine erweiterte und aktualisierte Version des SWP-Aktuell 76/2022: „Der Angriff auf die Ukraine und die Militarisierung der russischen Außen- und Innenpolitik“.


[1] SIPRI Military Expenditure Database, <https://milex.sipri.org/sipri>.

[2] Ebd. – Ivan Tkachev: Russia’s new budget: are there any development incentives?, <https://ridl.io/russia-s-new-budget-are-there-any-development-incentives/>.

[3] Susan Stewart: Geschichte als Instrument der Innen- und Außenpolitik am Beispiel Russlands. Berlin 2020 [= SWP-Studie 11/2020].

[4] Why Russia’s Military Reforms Failed in Ukraine. The National Interest, 15.10.2022.

[5] Margarete Klein: Russlands Militärpotential zwischen Großmachtanspruch und Wirklichkeit Berlin 2009 [= SWP-Studie 24/2009], S. 14.

[6] Valerij Gerasimov: Cennost’ nauki v predvidenii. Voenno-promyšlennyj kur’er, 27.2.2013.

[7] Nach § 359 des Russländischen Strafgesetzbuches stehen auf die Rekrutierung, Finanzierung und den Einsatz von Söldnergruppierungen vier bis acht Jahre Haft. – Tor Bukkvoll, Åse G. Østensen: The Emergence of Russian Private Military Companies: A New Tool of Clandestine Warfare, in: Special Operations Journal, 1/2020, S. 1–17. – Michael Sheldon: Meet the Irregular Troops Backing up Russia’s Army in the Kharkiv Region, <www.bellingcat.com/news/2022/06/17/meet-the-irregular-troops-backing-up-russias-army-in-the-donbas/>.

[8] Vladimir Slipchenko: Vojny šestogo pokolenija: Oružie i voennoe iskusstvo buduščego. Moskva 2002.

[9] Georgiy Kasianov: From Historical Fallacy to Tragic, Criminal Loss: Putin’s Case for Invading Ukraine. Washington DC 2022.

[10] Kakoe oružie polučila rossijskaja armija v 2020 godu. ТАSS, 29.12.2020.

[11] The Military Balance, 1/2022, S. 164–217, hier S. 168–169.

[12] Sam Cranny-Evans, Thomas Withington: Russian Comms in Ukraine: A World of Hertz. London 2022, <https://rusi.org/explore-our-research/publications/commentary/russian-comms-ukraine-world-hertz>.

[13] Ben Wallace: Speech by Defence Secretary on Russia’s invasion of Ukraine, <www.gov.uk/ government/speeches/speech-by-defence-secretary-on-russias-invasion-of-ukraine>. – „Putin Is a Fool“: Intercepted Calls Reveal Russian Army in Disarray. The New York Times, 28.9.2022.

[14] Military and Political Situation in Ukraine. Morning of March 27h, 2022. Interfax-Ukraine, 27.3.2022. — Sanctions forcing Russia to use appliance parts in military gear, U.S. says. The Washington Post, 11.5.2022.

[15] Justin Bronk: Is the Russian Air Force Actually Incapable of Complex Air Operations? London 2022, <https://rusi.org/explore-our-research/publications/rusi-defence-systems/russian-air-force-actually-incapable-complex-air-operations>.

[16] Michael Kofman, Rob Lee: Not Built for Purpose: The Russian Military’s Ill-Fated Force Design, <https://warontherocks.com/2022/06/not-built-for-purpose-the-russian-militarys-ill-fated-force-design/>.

[17] Tomáš Šmíd, Miroslav Mareš: „Kadyrovtsy“: Russia’s Counterinsurgency Strategy and the Wars of Paramilitary Clans, in: Journal of Strategic Studies, 5/2015, S. 650–677, hier S. 671.

[18] Jack Watling: Just How Tall Are Russian Soldiers? London 2022, <www.rusi.org/explore-our-research/publications/rusi-defence-systems/just-how-tall-are-russian-soldiers>.

[19] Anton Lavrov: Russian Military Reforms from Georgia to Syria. Washington DC 2018 [= CSIS Russia and Eurasia Program Reports, 11/2018], S. 4.

[20] Soldier’s diary of Ukraine campaign exposes a Russian army in disarray. France 24, 25.8.2022. – Pavel Filatyev: ZOV. Lies and Corruption within Putin’s War in Ukraine. New York 2023.

[21] Vystuplenie načal’nika General’nogo štaba Vooružennych Sil Rossijskoj Federacii na zasedanii Obščestvennoj palaty Rossii <https://function.mil.ru/for_media/ press_conferences /detail.htm?id=10804648>. – V rossijskoj armii budet polmilliona kontraktnikov. Interfax, 21.12.2022.

[22] Roger N. McDermott: The Brain of the Russian Army: Futuristic Visions Tethered by the Past, in: The Journal of Slavic Military Studies, 1/2014, S. 4–35, hier S. 6. – Dmitry Adamsky: Russian campaign in Syria – change and continuity in strategic culture, in: Journal of Strategic Studies, 1/2020, S. 104–125, hier S. 110.

[23] Attack On Europe: Documenting Russian Equipment Losses During The 2022 Russian Invasion Of Ukraine, <www.oryxspioenkop.com/2022/02/attack-on-europe-documenting-equipment.html>.

[24] <www.facebook.com/MinistryofDefence.UA/posts/pfbid026yUTFkgnuURwojySNS4u6u LivZrGH9sbjb884hPEkVeaPzNwLXTSnYQ7WaULq2zVl>.

[25] Michael Kofman u.a.: Assessing Russian State Capacity to Develop and Deploy Advanced Military Technology. Washington DC 2022 [= CNAS Reports, 10/2022], S. 7f.

[26] James Byrne u.a.: Silicon Lifeline: Western Electronics at the Heart of Russia’s War Machine. London 2022 [= Special Resources, 8/2022], S. 15.

[27] Emily Ferris: Decoupling Russia: Kremlin Reshuffle Reveals Focus on Self-Reliance. London 2022, <https://rusi.org/explore-our-research/publications/commentary/decoupling-russia-kremlin-reshuffle-reveals-focus-self-reliance>. – International Institute for Strategic Studies: Russia and sanctions evasion, in: Strategic Comments, 4/2022, S. vii–ix.

[28] Sidharth Kaushal: Can Russia Continue to Fight a Long War? London 2022, <https://rusi.org/ explore-our-research/publications/commentary/can-russia-continue-fight-long-war>.

[29] Soobščestvo železnodorožnikov Belarusi: Informacija po količestvu vyvezennyh boepripasov iz Belarusi za mart-sentjabr’ 2022 goda. 28.10.2022, <https://t.me/belzhd_live/1960?single>. – Iran agrees to ship missiles, more drones to Russia. Reuters Media, 19.10.2022.

[30] Rossija poterjala 5937 čelovek v specoperacii, zajavil Šojgu. RIA Novosti, 21.12.2022.

[31] 10 000 imen: čto izvestno o poterjach Rossii v Ukraine k dekabrja. BBC News Russkaja služba, 9.12.2022.

[32] Ebd.

[33] U.S. Mission to the OSCE: U.S. Statement for the Vienna Document Joint PC-FSC Chapter III Meeting, <https://osce.usmission.gov/u-s-statement-for-the-vienna-document-joint-pc-fsc-chapter-iii-meeting-2/>. – David Vergun: Defense Official Says Russians Reportedly Recruiting Syrian Mercenaries 7.3.2022, <www.defense.gov/News/News-Stories/Article/Article/ 2958107/defense-official-says-russians-reportedly-recruiting-syrian-mercenaries/>.

[34] Russia is conducting covert mobilisation campaign, Ukraine spy chief says. Reuters Media, 25.6.2022.

[35] Kateryna Stepanenko u.a.: Russian Volunteer Units and Batallions. 16.7.2022, <www.understandingwar.org/backgrounder/russian-volunteer-units-and-battalions>.

[36] A mercenaries’ war. How Russia’s invasion of Ukraine led to a „secret mobilization“ that allowed oligarch Evgeny Prigozhin to win back Putin’s favor. Meduza, 14.7.2022. – Shrouded in secrecy for years, Russia’s Wagner Group opens up. Al Jazeera, 10.8.2022. – Russia is recruiting thousands of volunteers to replenish its ranks in Ukraine. Prior experience isn’t always required. CNN, 30.7.2022.

[37] Gosduma otmenila predel’nyj vozrast voennoj služby po kontraktu. Radio Svoboda, 25.5.2022.

[38] Foreign Citizens servings in the Russian Army under contract to be able to obtain citizenship of Russia under simplified procedure, <http://duma.gov.ru/en/news/55276/>.

[39] Russian Military Eyes Central Asian Recruits Amid Mobilization Drive. Radio Free Europe, 23.9.2022.

[40] Richard Arnold: Cossacks and the Battle for Donbas, in: Eurasia Daily Monitor, 59/2022. – Ders: Russia’s Increasing Use of Cossack Reservists Highlights Manpower Shortage, in: Eurasia Daily Monitor, 112/2022.

[41] „We thieves and killers are now fighting Russia’s war“: how Moscow recruits from its prisons: The Guardian, 20.9.2022.

[42] Za dva mesjaca čislo zakljačennyh v mužskich kolonijach sokratilos’ na rekordnye 23 tysjači čelovek. Èto proischodit na fone verbovki v „ČVK Vagnera“. Mediazona, 18.11.2022.

[43] Vladimir Putin: Erklärung der Teilmobilmachung, 21.9.2022, in: Osteuropa, 9–10/2022, S. 213–218. Im Original Russisch: <http://kremlin.ru/events/president/news/69390>.

[44] TASS, 4.11.2022, <https://t.me/tass_agency/164451>.

[45] „Forcing Ukrainians to take up arms against their country is a war crime.“ How Russia is mobilizing Ukrainians in occupied territories. The Insider, 12.11.2022. – Operational update regarding Russian invasion as of 18.00, Nov. 17, 2022 <www.kmu.gov.ua/en/news/ operativna-informaciya-generalnogo-shtabu-zbrojnih-sil-ukrayini-stanom-na-1800-17112022-shchodo-rosijskogo-vtorgnennya>.

[46] Kateryna Stepanenko, u.a.: Explainer On Russian Conscription, Reserve, and Mobilization. Institute for the Study of War Report, 3/2022, <www.understandingwar.org/backgrounder/ explainer-russian-conscription-reserve-and-mobilization>.

[47] Ebd.

[48] Anger Mounts as Russian Draftees Thrown Into Battle Without Training, Equipment. The Moscow Times, 18.10.2022.

[49] Ukaz 647, 21.9.2022: „Ob ob”javlenii častičnoj mobilizacii v Rossijskoj Federacii“, in: Sobranie Zakonodatel’stva Rossijskoj Federacii 39/2022, Pos. 6590.

[50] Generalstab der Ukrainischen Streitkräfte, 30.11.2022, <www.facebook.com/GeneralStaff.ua/posts/pfbid02xkfBrGn1Ax9NKUEfnVgcrwACLNuQPWpmfYbyFfxPoBU8nx4pWfKwSZhTZLnYDBJWl>.

[51] Anger on the front lines and anxiety at home as Russia’s mobilization is mired in problems. CNN, 17.11.2022. – Ksenia Kirillova: Mobilization and Annexation Will Create More Problems for Moscow, in: Eurasia Daily Monitor, 150/2022.

[52] Two joint Russia-Belarus military training centers now operate, says Belarusian top brass. TASS, 1.11.2022.

[53] Russia using 85 % of fighting force in Ukraine: senior US defense official. Fox News, 22.7.2022. – Kofman, Not Built for Purpose [Fn. 16]. — Elitnye specialisty. Kogo imenno poterjala rossijskaja armija v Ukraine: BBC News Russkaja služba, 1.9.2022.

[54] Daniel Fiott: Relative Dominance: Russian Naval Power in the Black Sea – War on the Rocks. 9.11.2022.

[55] Russia Can’t Fight a War and Still Arm the World: How the Country’s Shrinking Weapons Exports Could Change the Middle East, in: Foreign Affairs Magazine, 12.8.2022. – Southeast Asia is a case study in Russia’s declining prospects as an arms exporter. The New York Times, 6.11.2022.

[56] Pavel Baev: Russian Influence Fades in the Middle East, in: Eurasia Daily Monitor, 176/2022.

[57] Margarete Klein, Andrea Schmitz: Präzedenzfall Kasachstan. Berlin 2022 [= SWP Kurzgesagt 1/2022].

[58] Pashinyan refuses to sign CSTO document on joint assistance measures for Armenia. Interfax, 23.11.2022. – Kyrgyzstan Cancels CSTO „Indestructible Brotherhood“ Military Exercises. The Diplomat, 11.10.2022.

[59] Paul Goble: Will the CSTO Go the Way of the Warsaw Pact, in: Eurasia Daily Monitor, 156/2022.

[60] Pavel Slunkin: Putin’s last ally: Why the Belarusian army cannot help Russia in Ukraine – European Council on Foreign Relations, <https://ecfr.eu/article/putins-last-ally-why-the-belarusian-army-cannot-help-russia-in-ukraine/>.

[61] Belarus’s Lukashenko warns Ukraine, deploys troops with Russia. Reuters Media, 10.10.2022.

[62] Artyom Shraibman: What’s Behind Russia’s New Deployment of Troops to Belarus? 25.10.2022, <https://carnegieendowment.org/politika/88249>.

[63] Die Fallselektion der Militärblogger erfolgte auf Basis ihrer gesellschaftlichen Reichweite. Diese wurde annähernd ermittelt durch die Anzahl ihrer Abonnements auf Telegram und auch den Zuwachs an Abonnements der jeweiligen Kanäle seit dem 24. Februar 2022. Die Fallselektion der Ex-Militärangehörigen mittleren und höheren Ranges erfolgte auf der Basis der Reichweite ihrer Aktivitäten auf Telegram, als auch durch „zielgerichtetes sampling“ auf der Grundlage ihrer Auffälligkeit und Eigentümlichkeit. Zu diesem Zweck erfolgte die Sichtung und Analyse zahlreicher militärwissenschaftlichen Fachzeitschriften, Zeitungen, Telegram-Kanälen sowie den Publikationen von Veteranenorganisationen in Russland.

[64] Evgenij P. Bužinskij: Čto sderživaet rossijskie vojska na Ukraine, <https://russiancouncil.ru/analytics-and-comments/comments/chto-sderzhivaet-rossiyskie-voyska-na-ukraine/>. – Eks-komandujaščij VDV Georgij Špak: Aeroport „Gostomel’“ pod Kievom brali 200 desantnikov: Komsomol’skaja pravda, 30.3.2022. — Skol’ko ešče proderžitsja Ukraina: ob”jasnjaem, čto pokazal mesjac voennoj operacii. Komsomol’skaja pravda, 23.3.2022.

[65] Taktika vybrana vernaja, no ona ne predusmatrivaet bystrych pobed: general-polkovnik Georgij Špak o chode specoperacii. RT, 28.5.2022. – Vladimir S. Krjažev: Pričiny i povod voennoj operacii Rossii na Ukraine. Reakcija mira, <http://clubadmiral.ru/ ?cat=8&subcat=1250>. – Vladimir Šamanov: O konflikte na Ukraine, o vojne v Čečne, ob Azove, ob Armii Rossii, sila odnogo; <https://youtu.be/Pe_Qwzd7y8U>, hier 1:02:00-1:03:05. – General-lejtenant SVR Leonid Rešetnikov proanaliziroval chod operacii na Ukraine. Rossijskaja gazeta, 26.4.2022.

[66] So hatten Posts der Obščerossijskoe Oficerskoe Sobranie (OOS) im Mai 2022 eine Reichweite von 16 000 Aufrufen, im Herbst und Winter 2022 nur knapp über 100. Zajavlenie Soveta Obščerossijskogo Oficerskogo Sobranija, <www.ooc.su/news/zajavlenie_soveta_obshherossijskogo_oficerskogo_sobranija/2022-05-20-120>.

[67] Girkin prjamo obvinil ministra oborony RF Šojgu v chalatnosti. Twitter, 13.5.2022. <https://twitter.com/i/status/1525035974429970432>. – Igor’ V. Girkin: Interview mit Princip Kovaleva, <https://youtu.be/K9P1_YsX17U>, hier 00:53:30–00:58:00.

[68] Jurij Podoljaka, 10.9.2022, <https://t.me/yurasumy/4833>.

[69] Aleksandr I. Koc, 7.9.2022, <https://t.me/sashakots/35397>.

[70] Igor’ Strelkov: Obstanovka na fronte, 8.12.2022, <https://youtu.be/LBFFz7PsVK8>.

[71] Ramzan Kadyrov, 1.10.2022, <https://t.me/RKadyrov_95/2911>. – Press-služba kompanii „Konkord“: VKontakte, 1.10.2022, <https://vk.com/concordgroup_official?w=wall-177427428_1219>.

[72] Defence Intelligence Update on the situation in Ukraine. 29.7.22 <https://twitter.com/defencehq/status/1552875325754941440?lang=ca>. – Russia’s Wagner Mercenary Group Announces Border Militia Plan. The Moscow Times, 11.11.2022.

[73] Putin orders creation of special council for military operation needs. TASS, 19.10.2022.

[74] Ebd.

[75] Levada-Сentr: Nojabr”skie rejtingi odobrenija i doverija, <www.levada.ru/2014/11/26/noyabrskie-rejtingi-odobreniya-i-doveriya-2/>.

[76] Dmitri Trenin: The Revival of the Russian Military: How Moscow Reloaded, in: Foreign Affairs, 3/2016, S. 23–29, hier S. 23.

[77] VCIOM: Daten einer Umfrage zum Verhältnis der Bevölkerung und Armee 2000–2015, <https://wciom.ru/fileadmin/user_upload/table/table_2779.html>. – VCIOM: bolee poloviny rossijan choteli by, čtoby rodstvenniki služili v armii. TASS, 26.2.2021.

[78] Levada-Centr: Doverie obščestvennym Institutam, 20.9.2022, <www.levada.ru/2022/09/20/doverie-obshhestvennym-institutam-2/>.

[79] Dlja čego proischodit i čem opasna militarizacija soznanija Rossijan. Otkrytye Media, 19.2.2019. – Aleksej Levinson: Virus kak vojna, <www.levada.ru/2021/11/01/virus-kak-vojna/>.

[80] Stewart, Geschichte [Fn. 3], S. 23. – Elisabeth Sieca-Kozlowski: Russian military patriotic education: a control tool against the arbitrariness of veterans, in: Nationalities Papers, 1/2010, S. 73–85.

[81] Jonna Alava: Russia’s Young Army: Raising New Generations into Militarized Patriots, in: Katri Pynnöniemi (Hg.): Nexus of Patriotism and Militarism in Russia. Helsinki 2021, S. 249–284.

[82] Next-Generation Fighters: Youth Military-Patriotic Upbringing Bolsters the Russian Military’s Manning and Mobilization Potential. 22.9.2020, <www.csis.org/blogs/post-soviet-post/next-generation-fighters-youth-military-patriotic-upbringing-bolsters-russian>. – O dviženii „Junarmija“, < https://yunarmy.ru/headquarters/about/>.

[83] Levada-Centr: Konflikt s Ukrainoj: nojabr’ 2022 goda, <www.levada.ru/2022/12/02/konflikt-s-ukrainoj-noyabr-2022-goda/>.

[84] Ebd.

[85] Levada-Centr: Konflikt s Ukrainoj: oktjabr’ 2022 goda, <www.levada.ru/2022/10/27/konflikt-s-ukrainoj-oktyabr-2022-goda/>.

[86] Levada-Centr: Konflikt s Ukrainoj: sentjabr’ 2022 goda, <www.levada.ru/2022/09/29/konflikt-s-ukrainoj-sentyabr-2022-goda/>.

[87] Russian Crackdown On Anti-Mobilization Protests Continues. More Than 800 Detained. Radio Free Europe, 25.9.2022.

[88] Rossija posle 21 sentjabrja pokinuli okolo 700 000 graždan. Forbes.ru, 4.10.2022.

[89] Bruce B. de Mesquita, Randolph M. Siverson: War and the Survival of Political Leaders: A Comparative Study of Regime Types and Political Accountability, in: American Political Science Review, 4/1995, S. 841–855, hier S. 852. – Hein E. Goemans: War and Punishment. The Causes of War Termination and the First World War. Princeton 2012, S. 70f. – Jessica L.P. Weeks: Dictators at War and Peace. Ithaca, London 2014, S. 73.

[90] Prinjat zakon o federal’nom bjudžete na 2023–2025 gody, <http://duma.gov.ru/news/55836/>.

[91] Surge in Russia’ defence and security spending means cuts for schools and hospitals in 2023. Reuters Media, 22.11.2022.

[92] Russian parliament passes first vote on war economy measures. Reuters Media, 5.7.2022. Russia prepares to mobilise economy for longer war in Ukraine. Financial Times, 7.7.2022.

[93] New wave of mobilization in Russia to begin in January, intelligence says. The New Voice of Ukraine, 6.12.2022.

[94] Vystuplenie ministra oborony Šojgu. RIA Novosti, 21.9.2022.

[95] Video show’s sledgehammer execution of Russian mercenary. Reuters, 13.11.22, <www.reuters.com/world/europe/sledgehammer-execution-russian-mercenary-who-defected-ukraine-shown-video-2022-11-13/>.

[96] Russia’s Shoigu warns of „uncontrolled escalation“ in Ukraine conflict. Reuters Media, 23.10.2022.