Gerbera-Drohne, Foto: wikipedia
Gerbera-Drohne, Foto: wikipedia

Eskalationslogik

Russlands Krieg gegen die Ukraine: die 180.–181. Kriegswoche

Nikolay Mitrokhin, 15.9.2025

Russland hat Mitte September Drohnen in den polnischen Luftraum eindringen lassen. In der Logik des Kreml handelte es sich um einen Akt der Vergeltung. Der Ukraine gelingt es, Russlands Kriegswirtschaft mit Drohnenangriffen empfindlich zu treffen. Nun will Moskau die westlichen Unterstützer der Ukraine dazu bringen, die Finanzierung des ukrainischen Drohnenprogramms einzustellen. Die NATO hat adäquat reagiert und die Luftraumverletzung als Provokation, nicht aber als Angriff behandelt. An der Front hat sich gezeigt, dass die Einschätzung, Russlands Sommeroffensive sei gescheitert, verfrüht war. Zwar haben die Besatzer keine größere Siedlung einnehmen können. Doch zahlreiche Städte sind teilweise eingekreist und könnten noch in den nächsten Wochen in die Hand der Okkupationsarmee fallen.

In der Nacht auf den 10. September sind 23 Drohnen in den polnischen Luftraum eingedrungen. Diese stammten eindeutig aus Russland. Trümmer von 19 unbemannten Flugkörpern wurden in einer Entfernung von bis zu 100 Kilometern von der Grenze gefunden. Vier der nicht mit Sprengstoff beladenen Flugkörper schoss die polnische Luftwaffe ab, eine Drohne zerstörte das Dach eines Wohnhauses und ein Auto. In der gleichen Nacht griff Russland die Ukraine mit 415 Drohnen und 40 Marschflugkörpern an.

In den vergangenen drei Kriegsjahren waren mehr als einmal russländische Drohnen im Anflug auf Ziele in der Ukraine durch den polnischen sowie den rumänischen Luftraum geflogen. Doch der jetzige Fall hat einen anderen Charakter. Russland hat demonstriert, dass es eine Bedrohung für die NATO-Staaten darstellt. Zugleich hat der Drohneneinflug erneut gezeigt, was zuvor längst bekannt war: Die Luftabwehr an der Grenze zur Ukraine, zu Belarus und zu Russland muss verstärkt werden, insbesondere bedarf es billigerer Abfangsysteme.

Vieles spricht dafür, dass das Vorgehen Moskaus in Zusammenhang mit den ukrainischen Luftangriffen auf russländisches Territorium zu sehen ist. Die Ukraine zerstört seit Juli systematisch Raffinerien sowie Pumpstationen von Erdgas- und Ölleitungen; auch Hafenanlagen in Primorsk im Gebiet Leningrad sowie in Novorossijsk, die der Verladung von Erdöl sowie der Verflüssigung von Erdgas zur anschließenden Verschiffung dienen, sind Ziel der Angriffe. Gleiches gilt für Schiffe der russländischen „Schattenflotte“. Ebenso sind petrochemische Unternehmen sowie Bahnanlagen im Süden Russlands – in der zweiten Septemberwoche auch im Norden des Landes – Ziele der Attacken.

Die Angriffe haben dazu geführt, dass – Stand Mitte September – in 20 Regionen Russlands das Benzin knapp ist. Alleine zwischen dem 7. und dem 9. September, den Tagen vor der Drohnenattacke auf Polen, hat die Ukraine mit unbemannten Flugkörpern zwei Tanks des Öl-Zwischenlagers „Vtorovo“ im Gebiet Vladimir beschädigt, im Stadtbezirk Železnodorožnoe von Penza zwei große Pipelines unterbrochen und zwei kleinere außer Betrieb gesetzt. Im Kreis Krasnoarmejsk des Gebiets Saratov wurde die große Ölpipeline Kujbyšev-Lysyčans’k getroffen, die nach ukrainischen Angaben eine wichtige Rolle für die Versorgung der Okkupationstruppen spielt.

Putin und seine Umgebung betrachten die Finanzierung des ukrainischen Drohnenprogramms durch die EU und einige ihrer Mitgliedstaaten als direkte Einmischung in den Krieg auf Seiten der Ukraine. Entsprechend greift Moskau zu Vergeltungsschlägen, die eine abschreckende Wirkung erzielen sollen.

Bei einem Gespräch mit dem slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, mit dem Putin in Peking zusammenkam, äußerte der Kremlchef: „Russland hat lange ohne Reaktion zugeschaut, wie die ukrainischen Streitkräfte die Energieinfrastruktur des Landes angreifen. Jetzt wurde eine ernsthafte Antwort eingeleitet.“

Einem Aktion-Reaktions-Schema folgt auch der ukrainische Präsident Zelens’kyj. Nach den Drohnenattacken auf Polen erklärte er: „Moskau testet ständig die Grenzen. Erfolgt keine klare Antwort, ist ein neues Eskalationsniveau etabliert. Heute hat Russland einen weiteren Schritt der Eskalation unternommen, russländisch-iranische Shahed-Drohnen im polnischen Luftraum, im Luftraum der NATO. Ein äußerst gefährlicher Präzedenzfall für Europa. Ob Moskau noch weiter gehen wird, hängt davon ab, wie koordiniert und stark die Reaktion ausfallen wird.“ Am 13. September äußerte er zum gleichen Vorfall: „Auf solche Signale muss man reagieren. Niemand will eine Ausweitung des Kriegs. Aber es muss deutliche Antworten geben.“ Und an anderer Stelle:

„Um 800 Drohnen vom Himmel zu holen, benötigt man 1600 Abfangdrohnen, zu 3000 Euro das Stück. Aber das wichtigste ist: eine spiegelbildliche Antwort. Die Ukraine verfügt über Langstreckenkapazitäten, es fehlt uns nur an Mitteln.“

Bereits im Herbst 2022 hatte sich gezeigt, dass Russland seine Luftangriffe teilweise als Rache oder Bestrafung des Gegners betrachtet. Nach dem Anschlag auf die Krimbrücke erfolgte ein massiver Schlag gegen Objekte des ukrainischen Energiesystems, die zuvor nicht zum Ziel von Angriffen geworden waren. Nicht immer lässt sich eine solche Reaktionslogik beobachten, doch oft ist dies der Fall. So erfolgte etwa der Drohnen- und Raketenangriff auf Häfen im Gebiet Odessa nach erfolgreichen ukrainischen Luftschlägen auf der Krim. Umgekehrt hat die Ukraine auf Angriffe, bei denen Zivilisten getötet wurden, einige Tage später mit Attacken auf Flughäfen in Russland reagiert.

Auf die Operation „Spinnennetz“, bei der es der Ukraine am 1. Juni 2025 gelang, ein Dutzend russländischer Flugzeuge der strategischen Bomberflotte zu beschädigen und teils zu zerstören, folgte in der Nacht vom 9. auf den 10. Juli der bis dahin größte Drohnenangriff Russlands, der vor allem auf Kiew zielte. Diese Attacke legte große Lücken in der ukrainischen Luftabwehr offen. Erstmals wurde Kiew mit mehr als 100 Drohnen und Raketen angegriffen, schwere Brände waren die Folge. Seitdem führt Russland immer wieder solche massiven Schläge. In einer Nacht werden mittlerweile bis zu 800 Flugkörper auf Ziele in der Ukraine gelenkt, Angriffe mit 400–500 Drohnen finden nun jede Woche statt.

Auch Russlands Luftschläge gegen die ukrainische Eisenbahninfrastruktur seit Mitte August können in einem Zusammenhang mit ukrainischen Angriffen auf ähnliche Objekte in Russland gesehen werden. Anfang Juni wurden in Südrussland drei Eisenbahnbrücken bei Anschlägen schwer beschädigt, am 22. Juli griffen ukrainische Drohnen Bahnanlagen in Südrussland an. Darauf reagiert Russland seit einigen Wochen. Zuletzt hat eine russländische Drohne vom Typ Geran‘ am 7. September eine Eisenbahnbrücke über den Dnipro nahe Kremenčuk schwer beschädigt. Die Explosion mehrerer mit Munition beladener Eisenbahnwaggons westlich von Kiew am 13. September geht eventuell auf einen Anschlag zurück. Bestätigt sich dies, würde es bedeuten, dass Russland auch auf die Sabotageaktionen des ukrainischen Geheimdiensts eine spiegelbildliche Antwort sucht.

Für Putin liegt daher die Ausweitung der Einsatzzone russländischer Drohnen auf NATO-Gebiet in der Logik des Kriegs: Für erhebliche Unannehmlichkeiten muss eine „Strafe“ in Form einer „Antwort“ erfolgen. Die Drohnen sind ein Mittel der Kommunikation: Die NATO, die Europäische Union und konkret Polen sollen sich entscheiden: Unterstützen sie das ukrainische Drohnenprogramm weiter und werden dann von Moskau auch als Teilnehmer des Drohnenkriegs behandelt – oder versuchen sie, die Ukraine davon abzubringen, mit Kampfdrohnen Infrastruktur in Russland anzugreifen und können dann damit rechnen, nicht mehr angegriffen zu werden. So wie Putin mit den Drohnen über Polen die westlichen Staaten von einer weiteren Unterstützung der Ukraine abschrecken will, will Zelens’kyj in gleicher Logik, aber mit entgegengesetzter Konsequenz das Geschehen als einen Vorfall verstanden wissen, auf den die EU und die NATO nur mit einer Ausweitung der Unterstützung reagieren können.

Die Reaktion der europäischen NATO-Staaten ist zurückhaltend ausgefallen. Sie haben das Eindringen der Drohnen tief in den polnischen Luftraum als Provokation gedeutet, nicht aber als Angriff. Entsprechend haben sie begonnen, die Luftabwehr an der polnischen Ostgrenze zu verstärken, dehnen aber deren Aktivitäten vorerst nicht auf den ukrainischen Luftraum aus.

Schrittweiser Rückzug der USA

US-Präsident Trump hingegen reagierte in bekannt erratischer Manier. Am Tag nach dem Auftauchen kündigte er neue Sanktionen gegen Russland an. Doch bereits am nächsten Tag knüpfte er diese an die Bedingung, dass die europäischen Staaten die Einfuhr von Öl und Gas aus Russland beenden. Damit kehrte er zu dem Kurs zurück, den er grundsätzlich verfolgt: Die USA wollen nicht die finanziellen Folgen und den Imageschaden auf sich nehmen, die mit einer Verdrängung Russlands vom internationalen Ölmarkt einhergehen würden – zumal sich die von US-Sekundärsanktionen betroffenen Staaten um China scharen würden.

Gleichzeitig haben die USA die Militärhilfe für die baltischen Staaten stark gekürzt. Insbesondere in Ostmitteleuropa wird dies als Verrat betrachtet. Aus Sicht der USA werden lediglich Kosten anders verteilt. Die Europäer sollen für ihre Verteidigung selbst bezahlen. Informationen, dass die USA unter Trump bestimmte Waffen oder Munition Putin zuliebe auch gegen Bezahlung nicht mehr liefern würden, gibt es bislang nicht. Gleiches gilt für die Erkenntnisse der militärischen Aufklärung, welche die USA weiter zur Verfügung stellen.

Gleichwohl ist offen erkennbar, dass Washington nach sechs Monaten, die von Versprechen, Ankündigungen, Verhandlungen und gelegentlichen Drohungen geprägt waren, das Interesse an einer Regulierung des Kriegs in der Ukraine verliert. Trumps Friedensinitiativen sind von wenigen Ausnahmen abgesehen gescheitert, jetzt wendet er sich stärker innenpolitischen Themen zu, darunter so wichtigen Fragen wie dem Bau eines neuen Ballsaals im Weißen Haus.

Die Lage an der Front

Ende August deutete vieles darauf hin, dass Russlands Sommeroffensive gescheitert ist.

In der ersten Septemberhälfte änderte sich die Situation jedoch erneut. Auch wenn es sich lediglich um kleinere Entwicklungen handelt, muss die Gesamtbewertung wohl anders ausfallen. Russlands Armeeführung hat im Verlauf des Sommers mit Angriffen an verschiedensten Stellen der Front die Reserven der ukrainischen Armee zerstreut. Zu diesen Ablenkungsmanövern gehört der Angriff auf das Gebiet Sumy, auch die Attacken auf das Gebiet Charkiv sind wohl eher als Teil einer solchen Strategie zu betrachten. Die Angriffe im Gebiet Zaporižžja dienten – wenngleich es sich bei der Offensive im Raum Stepnohirs’k und Novosilka um mehr als nur ein Ablenkungsmanöver handelte – ebenfalls primär der Schwächung der ukrainischen Kräfte an den entscheidenden Frontabschnitten.

Zentrales Ziel der russländischen Armeeführung war es, die wichtigsten Städte des westlichen Donbass, die der ukrainischen Armee als Bollwerke dienen, zu umgehen und sie nach Schließung eines Belagerungsrings in relativ unzerstörtem Zustand einzunehmen. Kritik an den Sturmangriffen, die zu hohen Verlusten und einer totalen Zerstörung der angegriffenen Stadt geführt hatten, wird mittlerweile selbst von putinloyalen Kriegshetzern wie dem bekannten Blogger Maksim Kalašnikov geübt. „Was sollen wir mit diesen Ruinen?“ lautet der Tenor sogar in diesen Kreisen.

Mindestens zur Hälfte eingeschlossen haben die Okkupationstruppen im Laufe des Sommers (von Norden nach Süden): Kupjans’k, Lyman, Severs’k, das teilweise bereits eroberte Časiv Jar, Kostjantynivka, Torec’k (von der Ukraine bereits weitgehend aufgegeben) und die Agglomeration von Pokrovs’k mit Myrnohrad, Novoėkonomične sowie zwei Dutzend weitere Siedlungen, die sich um das urbane Zentrum Pokrovs’k verteilen. Die gefährlichsten Durchbrüche erzielten die Besatzer im Raum zwischen Pokrovs’k und Kostjantynivka, wo sie über Velyka Novosilka in nordwestlicher Richtung vorstießen, östlich von Časiv Jar sowie nördlich von Lyman mit Stoßrichtung auf Svjatohirs’k und den Fluss Oskil‘.

Ab dem 15. August unternahm die Ukraine eine Reihe von Gegenangriffen, für die sie unter Verzicht auf das übliche Rotationssystem alle Reserven einsetzte. Die Angriffe galten den „Fühlern“ der Frontdurchbrüche, die in der Regel über wenig Feuerkraft verfügen und nur lückenhaft von Drohnen und der aus dem rückwärtigen Raum operierenden Artillerie gedeckt werden. Faktisch handelt es sich um einige Hundert leichtbewaffnete Soldaten, die in Gruppen von zwei bis fünf Männern in einem kleinen Waldstück sitzen. Sie werden lediglich aus der Luft versorgt – und dies in unzureichendem Maße – und rücken auf über Funk ausgegebene Befehle des Kommandeurs mal einen Kilometer, mal nur einige Hundert Meter am Tag vor. Diese Trupps aus ihren Höhlen im Wald oder aus den halbzerstörten Dörfern zu vertreiben ist nicht schwierig. Es bedarf dazu lediglich einsatzbereiter Kräfte – und über diese verfügt die ukrainische Armee kaum noch. Einige Erfolge konnte sie gleichwohl erzielen: Es gelang ihr, westlich von Pokrovs’k den „Fühler“ bei Dobropillja abzuschneiden, Novoėkonomične zurückzuerobern, den Durchbruch nördlich von Lyman zur Hälfe zu kupieren und den Gegner westlich von Kupjans’k bei Moskovka zurückzudrängen.

Sechs Wochen vor Beginn des Herbstregens, der die Schlachtfelder in Schlammwüsten verwandeln wird, beschloss Russlands Militärführung Ende August, nun doch zu Sturmangriffen überzugehen. Mit neuen Kräften rückten Einheiten der Besatzungsarmee in der ersten Septemberwoche in die östlichen Bezirke von Pokrovs’k ein, mechanisierte Trupps stießen von Süden und Nordosten auf Myrnohrad vor und eröffneten den Sturm auf die Ortschaft. Auch nordwestlich von Kupjans‘k verstärkten die russländischen Truppen ihre Aktivitäten. Bei Lyman, Severs’k und Kostjantynivka kann die ukrainische Armee den Gegner bislang auf Abstand von den Außenbezirken halten.

In der zweiten Septemberwoche ließen die Angriffe etwas nach, doch die Lage bleibt schwierig für die Ukraine. Im Norden des Gebiets Sumy, wo Russland keine neue Reserven mehr heranführt, konnte die ukrainische Armee eine Ortschaft befreien. In Kupjans’k hat sie nach eigenen Angaben den Gegner aus den nordwestlichen Außenbezirken vertrieben, dieser habe dabei bis zu 400 Soldaten verloren. Diese waren über das Erdgasleitungsnetz in die Stadt eingedrungen. Ähnliches hat es bereits in Avdijivka und Sudža gegeben. Nach ukrainischen Angaben seien drei Stränge der Pipeline jetzt unter Wasser gesetzt, ein vierter sei abgeriegelt worden.

Von diesen kleinen Erfolgen abgesehen entwickelt sich die Lage jedoch weiter ungünstig für die Ukraine. Bei Lyman haben die russländischen Truppen in der zweiten Septemberwoche mindestens zwei weitere Siedlungen eingenommen, eine im Osten, eine im Nordwesten der Stadt. Bei Kostjantynivka sind die Besatzer nach eigenen Angaben am 15. September von Torec’k kommend in einem schmalen Keil zum östlichen Stadtrand vorgedrungen.

Gefährlich ist die Lage weiter im Raum Pokrovs’k. Nach russländischen Angaben sei Novoėkonomične wieder unter Kontrolle gebracht worden, von wo aus die Einnahme von Myrnohrad in Gang sei. Pokrovs’k wird von Nordwesten aus der an die Besatzer gefallenen Siedlung Lyman (nicht zu verwechseln mit der Stadt Lyman im Norden des Gebiets Donec’k) sowie von Südosten attackiert, die Angreifer stehen offenbar bereits im Stadtgebiet.

Weiter südlich haben die Moskauer Truppen bei Novopavlivs’k weitere Ortschaften eingenommen. Die Front rückt immer näher an diese Siedlung, die hier, im Grenzbereich zwischen den Gebieten Donec’k, Zaporižžja und Dnipropetrovs’k, die wichtigste Festung der ukrainischen Verteidigung ist. Allerdings liegen westlich des bereits zur Hälfte eingekreisten Novopavlivs’k weitere Siedlungen ähnlicher Größe, in denen sich die ukrainischen Verteidiger ebenfalls verschanzen werden.

Das Minimalziel einer Verlangsamung der russländischen Sommeroffensive hat die ukrainische Armee erreicht. Es droht jedoch einer baldiger Verlust der Agglomeration von Pokrovs’k sowie möglicherweise auch von Kostjantynivka. Bedrohlich bleibt die Lage für Lyman und den gesamten Norden des Gebiets Donec’k. Putins Hoffnung, im Schatten der Gespräche mit Trump die noch unter ukrainischer Kontrolle stehenden Städte im Norden und Westen des Gebiets Donec’k einnehmen zu können, hat sich nicht erfüllt. Deutlich geworden ist im Verlauf des Spätsommers aber erneut, dass Russland sich jeden Zipfel ukrainischen Territoriums einverleibt, den es erobern kann. Das bedeutet, dass der Südosten des nicht annektierten Gebiets Dnipropetrovs’k genauso in Gefahr ist wie die verbleibenden Teile des Gebiets Donec’k, das Russland bereits seit September 2022 als sein Staatsgebiet betrachtet.

Aus dem Russischen von Volker Weichsel, Berlin

Hinweis zu den Quellen: Die Berichte stützen sich auf die Auswertung Dutzender Quellen zu den dargestellten Ereignissen. Einer der Ausgangspunkte sind die Meldungen der ukrainischen sowie der russländischen Nachrichtenagenturen UNIAN und RIA. Beide aggregieren die offiziellen (Generalstab, Verteidigungsministerium, etc.) und halboffiziellen Meldungen (kämpfende Einheiten beider Seiten, ukrainische Stadtverwaltungen, etc.) der beiden Kriegsparteien. Der Vergleich ergibt sowohl übereinstimmende als auch widersprüchliche Meldungen und Darstellungen.

Zur kontrastierenden Prüfung ukrainischer Meldungen wie jene von Deep State (https://t.me/DeepStateUA/19452) – werden auch die wichtigsten russländischen Telegram- und Livejournal-Kanäle herangezogen, in denen die Ereignisse dieses Kriegs dargestellt und kommentiert werden, darunter „Rybar’“ (https://t.me/rybar), Dva Majora (https://t.me/dva_majors), und „Colonel Cassad“ (Boris Rožin, https://colonel cassad. livejournal.com/). Wichtige Quellen sind auch die Berichte, Reportagen und Analysen von Meduza und Novaja Gazeta Europe. Ebenfalls berücksichtigt werden die täglichen Analysen des Institute for the Study of War (www.understandingwar.org), das auf ähnliche Quellen zurückgreift.