Putin und Trump „teilen die Welt auf“
Russlands Krieg gegen die Ukraine: die 153. Kriegswoche
Nikolay Mitrokhin, 13.2.2025
Die Friedensgespräche, um Russlands Angriffskrieg gegen der Ukraine zu beenden, haben offiziell begonnen. US-Präsident Donald Trump kommt Russlands Präsident Vladimir Putin weit entgegen. Die Ukraine wird zu einer europäischen „Domäne“ der USA, während Europa das Land wiederaufbauen soll. Mehrere Gebiete sollen getauscht werden, die Ukraine könnte ein Atomkraftwerk zurückerhalten. Russland hofft, die Krim über den aktuell von der Ukraine kontrollierten Nord-Krim-Kanal mit Wasser versorgen zu können. Für den ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelens’kyj persönlich wird die Luft offenbar dünner. Die Ukraine kann sich darauf einstellen, dass die Besatzer ihren Angriff in den Wochen vor dem Abkommen verstärken werden.
Das wichtigste Ereignis der vergangenen Woche war die tatsächliche Aufnahme von Friedensgesprächen. Diese starteten nach einer Reihe von Vorgesprächen, die US-Präsident Donald Trump initiierte hatte. Wie von Trump versprochen, entwickeln sich die Verhandlungen rasch. Diese Analyse konzentriert sich darauf, was bis hierhin gesichert scheint.
Bislang ist Folgendes offensichtlich: Russlands Präsident Vladimir Putin will sich die Welt direkt mit dem US-Präsidenten „aufteilen“. Die Europäische Union und das atlantische Verteidigungsbündnis NATO sind von der Lösung dieses Problems faktisch ausgeschlossen. Kiew wird in eine Position der Unterordnung gebracht, sie ist abhängig von den Entscheidungen Trumps. Tatsächlich wird die Ukraine zu einer europäischen „Domäne“ der USA. Sie soll die Möglichkeit erhalten, mittelfristig der EU beizutreten, nachdem Europa in großem Umfang in das Land investiert haben wird. Gleichzeitig wird sie in absehbarer Zukunft, zumindest aber bis zum Ende der Herrschaft Putins, nicht Teil einer NATO-Architektur sein. Die Ukraine wird erst dann „Souveränität“ im Sinne einer NATO-Mitgliedschaft herstellen können, wenn sie eine eigene moderne, leistungsfähige Verteidigungsindustrie aufgebaut hat. Sie benötigt dafür eine eigene Produktion von Raketen und Raketenabwehr und muss über eine ständige, schlagkräftige Armee verfügen. Es ist wahrscheinlich, dass der ukrainische Präsident Volodymyr Zelens’kyj nach den diesjährigen Wahlen aus dem Amt scheiden wird. Das ist nicht nur Putins Forderung, auch Trump dürfte sich dies wünschen, auch wenn er es noch nicht öffentlich geäußert hat. In Wahlumfragen führt der frühere Oberkommandierende der ukrainischen Streitkräfte Valeryj Zalužnij mit großem Vorsprung.
Die Ukraine und Russland werden voraussichtlich Gebiete tauschen. Der Bezirk Sudža im Gebiet Kursk soll offenbar an Russland zurückgehen. Dafür sollen die russländischen Truppen aus drei kleinen besetzten Enklaven im Gebiet Charkiv abziehen. Trump stellt auch in Aussicht, dass Russland einen Teil des Gebiets Zaporižžja zurückzugeben. Die Ukraine könnte so das Gebiet des Kernkraftwerks Zaporižžja zurückerhalten. Im Gegenzug würden die Wasserversorgung der Krim durch den Nord-Krim-Kanal wiederherstellt und Garantien für die ständige Versorgung gegeben. Die Krim ist auf diesen Kanal angewiesen. Anderenfalls droht ein akuter Mangel an Bewässerungswasser und eine Versalzung der Steppengebiete. Alternative Projekte, bei denen Frischwasser aus dem Fluss Don durch unter dem Fluss Asov verlegte Rohre auf die Krim gepumpt werden soll, kosten Milliarden Dollar.
Es ist davon auszugehen, dass Moskau den Rückzug der ukrainischen Armee aus der Region Donec‘k fordern wird. Aber es scheint wahrscheinlich, dass die Frontlinie die Grundlage für ein Waffenstillstandsabkommen sein wird, mit möglicherweise wenigen Ausnahmen, also dem Tausch kleinerer Gebiete. Die Ukraine kann sich vermutlich darauf einstellen, dass die Besatzer ihren Angriff in den Wochen vor dem Abkommen verstärken werden, um möglichst viel Verhandlungsmasse herauszuholen. Allerdings scheinen die Wetter- und Bodenverhältnisse an der Frontlinie für eine Offensive ungeeignet.
Die Lage an der Front
Nach siebenmonatigem Kampf hat die Okkupationsarmee eine weitere ukrainische Stadt erobert: das einst 30 000 Einwohner zählende Torec’k. Westlich von Donec’k gelegen ist es eines der wichtigsten Zentren des Kohlebergbaus im Donbass. Kiew weigert sich wie so oft, den Verlust der Stadt anzuerkennen, vermutlich auch deshalb, weil möglicherweise nicht alle Gebiete im Nordwesten der Stadt unter der Kontrolle der Besatzer stehen. Russländischen Kriegsberichterstattern zufolge durchbrechen einige gepanzerte Fahrzeuge der ukrainischen Armee Minenfelder am Rande der Stadt.
An anderen Teilen der Front ist es im Allgemeinen ruhig, was auf die Wetterbedingungen, die Erschöpfung der vorrückenden Einheiten und möglicherweise auch auf die Friedensgespräche zurückzuführen ist. Die ukrainische Offensive im Bezirk Sudža, die in der vergangenen Woche begonnen hatte, kam schnell zum Stillstand, da Putins Armee Reserven verlegte. Es stellte sich heraus, dass die ukrainischen Kolonnen in ein Gebiet gestoßen waren, wo sich keine feindlichen Einheiten aufhielten. Russländischen Kriegsberichterstattern zufolge wurde die Führung der 11. Brigade der Luftlandetruppen, die dieses Gebiet um das Dorf Čerkaskaja Konopel’ka hätte verteidigen sollen, suspendiert.
Darüber hinaus gibt es neue Informationen über den Umfang der Einfuhren der Koksan-Langstreckenartillerie aus Nordkorea nach Russland. Nach Angaben des südkoreanischen Geheimdienstes sind bereits 200 Stück nach Russland geliefert worden. In den sozialen Netzwerken sind Bilder von 40 Stück aufgetaucht.
In Richtung Sivers’k, südwestlich von Kreminna, gehen die ukrainischen Offensivversuche nur schleppend voran. Dieses Gebiet ist bereits als „Fleischwolf“ bekannt geworden. Wiederholt haben hier Offensiven nicht zu einem Vorstoß, sondern nur zu hohen Verlusten geführt.
In dieser Woche wurde ein Video aus einem ukrainischen Schützengraben veröffentlicht, das die Zerstörung einer weiteren Kolonne von sechs russländischen Schützenpanzern mit 30 Soldaten zeigt. Der einzige überlebende Soldat ist im Video von Kopf bis Fuß mit Schlamm bedeckt, sodass man seine Uniform erkennen kann. Nach weniger als einem Monat im Murmansker Gefängnis wegen Drogenbesitzes wurde er an die Front geschickt. Er kannte nicht einmal die Nummer seiner Einheit. Die Okkupationsarmee schickt solche Leute direkt aus dem Gefängnis in den Kampf, oft nur mit einem Gewehr und einem Granatwerfer.
Die wachsende Macht der Drohnen
Kiew und Moskau berichten von erfolgreichen Artillerie- und Drohnenangriffen. Am 8. Februar meldeten ukrainische Quellen unter Berufung auf Informationen aus russländischen Militärblogs, dass kurz zuvor in Selydove in Richtung Pokrovs‘k das Hauptquartier der 35. motorisierten Schützenbrigade der Unabhängigen Garde getroffen wurde. Dabei soll die gesamte Führungsriege getötet worden sein.
Russländische Medien berichteten am 11. Februar über einen erfolgreichen Angriff im Gebiet Charkiv auf einen „riesigen Hub mit technischer Ausrüstung zehn Kilometer von der russländischen Grenze entfernt“. In Wirklichkeit handelte es sich um einen Kuhstall oder eine Scheune. Dort hatten ukrainische Einheiten offenbar drei polnische Mannschaftstransportwagen des Typs Rosomak und zwei ukrainische gepanzerte Geländewagen des Typs Kozak untergebracht. Offenbar ließen sie die Tore offen, weil sie sich auf die Systeme elektronischer Kampfführung verließen. Dies nutzten russländische Drohnenpiloten aus. Sie ließen mehrere Glasfaserdrohnen in das Gebäude fliegen und zerstörten die gesamte Ausrüstung. Früher wären solche Angriffe mit Artillerie oder teuren Iskander-Raketen durchgeführt worden. Dieser Angriff belegt erneut die Veränderung der Militärtechnologie.
Die rasche Steigerung der Effektivität von Drohnen – in Bezug auf Reichweite, Nutzlast und Widerstandsfähigkeit gegenüber elektronischer Kampfführung – sowie die höhere Produktionsmenge verändern die Taktik auf dem Schlachtfeld, die Versorgung der Truppen und den Einsatz einiger Waffentypen. Der Militärkanal Rybar, der die ukrainischen Pläne analysiert, schreibt, dass die mit Bomben bestückten Drohnen der Ukraine bereits in einer Tiefe von 20 bis 50 Kilometern das nahe und mittlere Hinterland angreifen. Dies erschwert nicht nur die Versorgung der russländischen Einheiten, sondern auch die Versorgung der Krim über den Transportkorridor durch das Gebiet Zaporižžja. Es ist durchaus möglich, dass in nicht allzu ferner Zukunft, sollte der Krieg weitergehen, Angriffsdrohnen mit einer Reichweite von bis zu 100 Kilometern zu einer starken Abschreckung für jegliche militärische Aktivität an der Front und im Hinterland werden. Dies könnte zum Beispiel die Rohrartillerie außer Gefecht setzen. Aus dem gleichen Grund werden etwa seit einem Jahr russländische schwere gepanzerte Mehrfachraketenwerfer vom Typ Solncepek nur noch in Ausnahmefällen an der Front eingesetzt.
Angriffsdrohnen führen schon jetzt auf beiden Seiten zu vielen zivilen Opfern, vor allem in jenen Gebieten, die in der Nähe der Kampflinie oder der Staatsgrenze liegen und nicht evakuiert werden. Dies gilt insbesondere für Cherson, wo Besatzertruppen am gegenüberliegenden Ufer des Dnipro stehen und wo täglich Menschen sterben. Das gilt aber auch für höher gelegene Städte am linken Ufer wie Novaja Kachovka, Gorlovke oder Donec‘k, Städte wie Hluchiv und Schebekino und andere Siedlungen in den russländisch-ukrainischen Grenzgebieten in den Regionen Belgorod, Kursk, Sumy und Charkiv.
Ukraine will Armee rekrutieren und den Terrorismus bekämpfen
Am 12. Februar veröffentlichte das ukrainische Verteidigungsministerium die Bedingungen für die Unterzeichnung von Verträgen mit einer neuen Altersgruppe, die die Regierung für die Armee zu gewinnen versucht: 18- bis 24-jährige Freiwillige. Ihnen wird ein neunmonatiger Dienst an der Front versprochen. Zuvor erhalten sie eine dreimonatige militärische Ausbildung. Für den Dienst sollen sie etwa 2,5 Millionen Hryvnja, also 60 000 Dollar erhalten. Darüber hinaus dürfen sie nach dieser Dienstzeit, das Land verlassen, und ihnen wird garantiert, dass sie ein Jahr nicht eingezogen werden. Freiwillige in diesem Alter, die bereits kämpfen, können ebenfalls eine Million Hryvnja für die Unterzeichnung eines Vertrags erhalten. Das „Paket“ enthält weitere Leistungen: ein kostenloses Hochschulstudium, Unterbringungskosten, eine zinslose Hypothek nach dem Dienst, medizinische Versorgung und etwa auch Zahnersatz und -behandlung. Den Freiwilligen wird die freie Wahl der Einheit und der militärischen Spezialisierung zugesagt. Allerdings müssen sie, wie der Sprecher des Verteidigungsministeriums Dmitrij Lazutkin am 13. Februar erklärte, ausschließlich an der Front kämpfen. Inwieweit diese Strategie erfolgreich sein wird, werden die kommenden Monate zeigen. Möglicherweise befürchten die jungen Menschen auch, dass der Staat sie in Bezug auf die Befreiung vom Wehrdienst und die Möglichkeit, nach einem Jahr ins Ausland zu gehen oder eine Einheit zu wählen, betrügt.
In der Zwischenzeit wurden auf Befehl des Oberbefehlshabers der ukrainischen Armee, Oleksandr Syrs‘kyj, vom 11. Januar etwa 50 000 Soldaten aus den hinteren Reihen der Streitkräfte zur Infanterie versetzt, um, wie es offiziell hieß, nach drei Jahren Krieg die erste Rotation durchzuführen. Dies berichtete die führende Zeitung des Landes, die Ukrajinska Pravda. Vom Generalstab der ukrainischen Armee hieß es: „Wir müssen den Mechanismus der Rotationen in Gang setzen, da die Ressourcen der Ausbildungszentren nur einen minimalen Ausgleich für die Verluste erlauben und die vollständige Bereitstellung von Einheiten Bewegungen und Rekrutierungen erfordert.“
All dies geschieht vor dem Hintergrund einer beispiellosen Welle von Terror- und Gewaltakten gegen Mitarbeiter des Territorialen Zentrums für Rekrutierung und soziale Unterstützung (TCK), die zumindest teilweise von Russlands Sicherheitsdiensten initiiert und finanziert wurde. In der Regel handelt es sich bei den Tätern um genau jene jungen Menschen unter 25 Jahren, die der ukrainische Staat zu rekrutieren versucht.
Am 5. Februar erklärte der Leiter der ukrainischen Nationalpolizei, Ivan Vygovs‘kyj, dass seit Anfang des Jahres neun Terroranschläge in der Nähe oder auf dem Gelände von TCK-Niederlassungen verübt worden seien. Diese ereigneten sich zumeist in den Städten Žytomyr, Rivne und Chmelnyckyj, die traditionell die meisten Arbeitskräfte für Armee und Polizei liefern. Explosionen fanden etwa in Rivne am 1., in Pavlograd in der Region Dnipropetrovs’k am 2. Februar und in Kamjanec-Podils‘kyj am 5. Februar statt. Investigativjournalisten zufolge erfolgt die Rekrutierung von Darstellern für diese und andere Arten von prorussischen Aktionen über ein Netz von Telegram-Kanälen. Hier wird Geld für verschiedene Arten von Aktivitäten angeboten. Mal geht es um ein Graffiti, mal um die Tötung von ukrainischen Soldaten im Hinterland.
Die Investigativrecherchen stellen immer wieder fest, dass die finanziellen Versprechen oft nicht eingehalten werden. Doch das schreckt offenbar kaum ab. Bei den jüngsten Aktionen wurden die Sprengstoffträger aufgefordert, ein Paket in das TCK-Gebäude zu bringen und es dem diensthabenden Beamten zu übergeben. Sobald ein Kurier das Gebäude betrat, wurde der Sprengsatz aus der Ferne gezündet. Infolgedessen wurden zwei oder drei solcher Kuriere getötet. In allen Fällen handelte es sich bei den Tätern um Männer im Alter von 19 bis 24 Jahren. Einige waren zu diesem Zweck aus anderen Regionen angereist.
Aber es gibt auch viele Fälle von nicht aus Russland organisierter Gewalt gegenüber TCK-Beamten. Am 13. Januar schlug etwa ein Unbekannter in L‘viv mit einer Pistole die Fenster eines TCK-Busses ein und verhalf zwei Häftlingen zur Flucht. Am 1. Februar erschoss ein Mann in der Region Poltava mit einer Schrotflinte einen TCK-Mitarbeiter in der Nähe eines Busses für den Transport von Mobilisierten, der auf dem Weg zum Ausbildungszentrum an einer Tankstelle angehalten hatte. Er befreite einen der Festgenommenen, nahm die Waffe des Toten an sich und floh. Am 11. Februar wurden in Rivne bei einer Dokumenten-Kontrolle TCK-Mitarbeiter von möglichen Zwangsmobilisierten in spe geschlagen, auch ihre Dienstfahrzeuge wurden beschädigt. Die Probleme scheinen Wirkung zu zeigen: So wird beispielsweise aus Kiew berichtet, dass dort bereits seit mehreren Monaten keine TCK-Mitarbeiter mehr im Stadtzentrum anzutreffen sind.
Generell kann man davon ausgehen, dass die neue Mobilisierungsphase die Kampffähigkeit der ukrainischen Armee nicht auf ein Niveau bringen wird, das es ihr erlaubt, die Verteidigung auf Dauer zu halten, geschweige denn den Krieg zu gewinnen. Der Grund dafür ist, dass die politische Klasse das Kämpfen einer relativ kleinen Gruppe überlassen hat. sie verlies sich auf die relativ wenigen Patrioten, die wirklich bereit waren, bis zum Ende zu kämpfen, und auf jene Männer im wehrpflichtigen Alter, die mit dem nicht unbeträchtlichen Sold zufrieden waren oder gehorsam und loyal gegenüber dem Staat waren, um an die Front zu gehen. Solche Menschen gibt es in der Ukraine immer weniger.
Solange die ukrainische Bevölkerung nicht sieht, dass auch die Vertreter der zentralen und lokalen politischen Elite in den Schützengräben stehen und solange ihre eigenen erwachsenen Söhne, Ehemänner, Brüder ständig an der Front kämpfen und sterben, ist Massenmobilisierung derjenigen schwierig, die sich auf jede nur erdenkliche Weise versuchen dieser Pflicht zu entziehen.
Subversive Aktivitäten der Ukraine
Es besteht kein Zweifel daran, dass die Angriffswelle auf das Territoriale Zentrum für Rekrutierung und soziale Unterstützung eine Reaktion auf die Aktivitäten der ukrainischen Geheimdienste war, die mittels Telefonbetrug russländische Bürger rekrutieren, um Brandanschläge auf militärische Rekrutierungszentren, Banken, Verwaltungsgebäude, Cafés und Restaurants zu verüben. Sie sollen dabei ihre Opfer auf verschiedene Weise manipulieren und unter Druck setzen, um sie zu illegalen Handlungen zu zwingen. Allein zwischen dem 18. und 24. Dezember kam es zu 55 solcher Brandanschläge. Nach den am 24. Januar veröffentlichten Daten des Innenministeriums wurden im vergangenen Jahr in Russland 1191 Terroranschläge registriert – dreimal mehr als im Jahr 2023 und mithin ein Rekord. Die Brandanschläge in Russland, die von Telefonbetrug ausgelöst wurden, hielten den ganzen Januar über an. Es kam sogar zu Serientaten – in Krasnodar waren drei Restaurants betroffen (25. Januar), in Voronež zwei Cafés (29. Januar).
Das „Markenzeichen“ der ukrainischen Sicherheitsdienste sind jedoch nach wie vor Einzelmorde, bei denen Menschen, die als Feinde der Ukraine gelten, auf russländischem Staatsgebiet sterben. Am 3. Februar wurde Armen Sargsyan, der Gründer des überwiegend aus Armeniern bestehenden Freiwilligenbataillons Arbat (Teil der bekannten Pjatnaška-Brigade) und krimineller Unternehmer aus Gorlovka, am Eingang des Aufzugs im Moskauer Wohnkomplex „Alye Parusa“ in die Luft gesprengt. Der Attentäter, wohl ein ehemaliger armenischer Offizier, zündete eine Panzerabwehrmine und tötete Sargsyan. Vier Menschen sollen zudem bei der Explosion verletzt worden sein. Einen Tag nach der Explosion bestätigte Zelens’kyj, dass ukrainische Sicherheitsdienste hinter der Aktion stecken.
Am 8. Februar meldete die ukrainische Militärnachrichtendienst einen weiteren erfolgreichen Terroranschlag auf ein feindliches Individuum. In der Stadt Šuja in der Region Iwanovo wurde der 30-jährige Konstantin Nagajko, Kommandeur der Batterie der 112. Raketenbrigade der 1. Panzerarmee des westlichen Militärbezirks, beim Öffnen eines Pakets in die Luft gesprengt. Er erlag später im Krankenhaus seinen Verletzungen. Ukrainischen Quellen zufolge war er am 3. Januar am Abschuss einer Iskander-Rakete auf ein Café im Dorf Hroza im Gebiet Charkiv beteiligt gewesen, in dem eine Totenwache stattfand. 59 Zivilisten wurden dabei getötet.
Die meisten derartigen Operationen bleiben ungestraft. Am 12. Februar begann allerdings die Verhandlung des Terroranschlags auf die Krim-Brücke vom 8. Oktober 2022. Auf der Anklagebank sitzen acht Bürger aus der Ukraine, Armenien und Russland. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie verbotene Fracht transportiert haben. Am selben Tag wurden in St. Petersburg ukrainische Saboteure verurteilt, die beschuldigt wurden, einen Sabotageakt gegen das Leningrader Kernkraftwerk vorbereitet zu haben. Die beiden Angeklagten wurden zu je 23 Jahren Strafkolonie verurteilt, wobei die ersten fünf Jahre im Gefängnis verbüßt werden müssen.
Aus dem Russischen von Felix Eick, Berlin
Hinweis zu den Quellen: Die Berichte stützen sich auf die Auswertung Dutzender Quellen zu den dargestellten Ereignissen. Einer der Ausgangspunkte sind die Meldungen der ukrainischen sowie der russländischen Nachrichtenagenturen UNIAN und RIA. Beide aggregieren die offiziellen (Generalstab, Verteidigungsministerium, etc.) und halboffiziellen Meldungen (kämpfende Einheiten beider Seiten, ukrainische Stadtverwaltungen, etc.) der beiden Kriegsparteien. Der Vergleich ergibt sowohl übereinstimmende als auch widersprüchliche Meldungen und Darstellungen.
Zur kontrastierenden Prüfung ukrainischer Meldungen wie jene von Deep State (https://t.me/DeepStateUA/19452) – werden auch die wichtigsten russländischen Telegram- und Livejournal-Kanäle herangezogen, in denen die Ereignisse dieses Kriegs dargestellt und kommentiert werden, darunter „Rybar’“ (https://t.me/rybar), Dva Majora (https://t.me/dva_majors), und „Colonel Cassad“ (Boris Rožin, https://colonel cassad. livejournal.com/). Wichtige Quellen sind auch die Berichte, Reportagen und Analysen von Meduza und Novaja Gazeta Europe. Ebenfalls berücksichtigt werden die täglichen Analysen des Institute for the Study of War (www.understandingwar.org), das auf ähnliche Quellen zurückgreift