Politische Gefangene in Belarus

In Belarus sind in Zusammenhang mit den Wahlen im August 2020 und Protesten gegen deren Fälschung politisch motivierte Strafverfahren gegen über 900 Personen eröffnet worden (Stand: 26.3.2021). Über 300 sind, teils seit vielen Monaten, in Haft und werden als politische Gefangene anerkannt.

Seit Anfang Dezember 2020 ergehen wöchentlich Urteile in den politisch motivierten und unter rechtswidrigen Bedingungen geführten Prozessen. Freisprüche gibt es nur äußerst selten. Mehrere Dutzend Menschen sind bereits aufgrund friedlicher politischer Tätigkeit oder wegen geringfügiger Vergehen in Zusammenhang mit den Protesten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.

Osteuropa dokumentiert die von der Menschenrechtsorganisation Vjasna zusammengestellten Fälle und ruft gemeinsam mit der DGO und der Evangelischen Kirche in Deutschland in der Aktion 100xSolidarität dazu auf, dem Vergessen mit Briefen an die Gefangenen entgegenzutreten.

Die meisten der Verfahren gegen angehende Kandidaten, Mitarbeiter ihrer Wahlkampfteams und Teilnehmer friedlicher Proteste wurden nach folgenden Paragraphen eröffnet

• § 293 des Strafgesetzbuches der Republik Belarus (Massenunruhen).

• § 342 (Organisation von und Teilnahme an gemeinsam begangenem Landfriedensbruch). Strafverfahren nach diesem Paragraphen wurden vor allem im Mai und Juli 2020 eröffnet („Cichanoŭski-Prozess“, auch „Hrodna-Prozess“ genannt, und „Strafsache 14. Juli“.

• § 363 (Widerstand gegen Mitarbeiter der Organe des Innenministeriums oder eine andere Person, die die öffentliche Ordnung aufrechterhält).

• § 364 (Gewalt oder Androhung von Gewalt gegen Mitarbeiter der Organe des Innenministeriums).

• § 243 (Steuerhinterziehung). Auf Basis dieses Paragraphen wurden Verfahren gegen die Mitglieder des Wahlkampfteams von Viktar Babaryka, die Mitarbeiter der Unternehmen, die Teams der Gegenkandidaten des amtierenden Präsidenten sowie gegen Personen eröffnet, die Menschen unterstützten, die während der Proteste zu Schaden gekommen waren.

Strafverfahren wurden des weiteren nach § 188 (Verleumdung), § 339 (Hooliganismus) und anderen Paragraphen des Strafgesetzbuchs eröffnet.

Die Anerkennung als „Politischer Gefangener“ stützt sich auf einen Leitfaden zur Anwendung dieses Begriffs, den Menschenrechtsgruppen aus Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Litauen, Polen, Russland und der Ukraine auf der Basis der Arbeit des Europarats und der von Amnesty International verwendeten Definition des Begriffs „Politischer Gefangener“ im Jahr 2013 gemeinsam erarbeitet haben.

Eine laufend aktualisierte Liste der politischen Gefangenen mit Informationen zu ihrer Person, den Verfahren und ihrem Aufenthaltsort unter: 100xsolidaritaet.de