Vormarsch, Verluste, Vernichtung
Nikolay Mitrokhin, 9.4.2024
Russlands Krieg gegen die Ukraine: die 109. und 110. Kriegswoche
Russlands Okkupationstruppen rücken im Osten der Ukraine weiter langsam vor. Sie erleiden dabei jedoch massive Verluste. Die Lage ist heikel für die durch Munitions- und Truppenmangel geschwächte ukrainische Verteidigung. Für einen Durchbruch und anschließenden raumgreifenden Vormarsch fehlt es den Besatzern an Offensivkapazitäten. Stattdessen hat sich Russland auf die Zerstörung ukrainischer Kraftwerke und Umspannwerke mit Raketen sowie einen rücksichtslosen Beschuss der grenznahen Millionenstadt Charkiv verlegt.
Die Lage an der Front
Die Situation an der Front hat sich für die Ukraine in der ersten Aprilwoche verschärft. Die Okkupationstruppen sind an drei Abschnitten im Gebiet Donec’k vorgerückt: bei Časiv Jar, westlich von Avdijivka und bei Novomichajlovka. Die ukrainische Armee führt einen geschickten Abwehrkampf, muss sich aber langsam zurückziehen. Ein großer Durchbruch der Besatzer ist jedoch bislang nicht abzusehen.
Bei Časiv Jar haben russländische Einheiten nach Angaben von Moskauer Militärbloggern, die sich auch auf ukrainische Videos stützen, östlich der Stadt gelegene ukrainische Verteidigungsstellungen durchbrochen und sind nahe an den künstlichen Kanal herangerückt, der seit den 1950er Jahren Wasser vom Siverskyj Donec‘ ins industrielle Zentrum des Donbass führt. Entlang dieses Kanals, der durch Časiv Jar führt, verläuft die Hauptverteidigungslinie der ukrainischen Armee in diesem Frontabschnitt. Die russländischen Truppen kontrollieren damit die große Siedlung Ivanovs’ke, die den Kanal und die Stadt Časiv Jar vor Angriffen aus Richtung Bachmut gedeckt hatte. Die Geländegewinne, die die ukrainische Armee bei ihrer Sommeroffensive in dieser Gegend erzielt hatte, sind damit zunichtegemacht.
Westlich von Avdijivka setzt Russland den Vorstoß aus der vorgelagerten „Tasche“ in drei Richtungen fort: nach Nordwesten, Westen und Südwesten. Hier haben die ukrainischen Truppen in der ersten Woche bereits zwei große Kolonnen mit Panzerfahrzeugen des Gegners zerstört. Verlässliche Informationen über den Frontverlauf gibt es nicht, es scheint, dass die Ukraine ein rasches Vorrücken verhindern kann. Allerdings finden bei den Dörfern Pervomajskoe und Vodjane, die sich an beiden Ufern mehrerer aneinandergereihter Rückhaltebecken befinden, besonders schwere Kämpfe statt. Gelingt es den Besatzungstruppen dort, die andere Seite der künstlichen Seen zu erreichen, bricht die ukrainische Verteidigung im südlichen Bereich dieses Frontabschnitts zusammen. Man muss sich allerdings bewusst machen, dass es weiter um mögliche Geländeverluste von einigen hundert Metern geht. Ein Vorstoß um zwei, drei Kilometer gilt den russländischen Truppen bereits als sehr großer Erfolg.
Im dritten sehr stark umkämpften Frontabschnitt südlich von Marjinka haben die Besatzer Teile der Siedlung Novomichajlovka eingenommen. Ein größerer Durchbruch steht hier jedoch nicht zu erwarten. Der Militärkanal Rybar‘ gibt ungewollt ein vielsagendes Bild der Lage: „Die vorgelagerte Einheit ist bis zu den Kuhställen in der Timirjazev-Straße vorgerückt, dort aber unter Artilleriebeschuss geraten.“
Auch ein Durchbruchsversuch der Moskauer Truppen bei Kreminna und Liman ist gescheitert. Dort hat die Ukraine eine Kolonne von mindestens zwölf gepanzerten Fahrzeugen vollständig zerstört.
Die ukrainische Armee gibt an, die russländische Armee sei nach den schweren Materialverlusten der letzten Wochen auf eine neue Taktik umgeschwenkt. Statt in Kolonnen vorzurücken, würden die Infanteristen der Sturmbrigaden in einen einzigen Panzer oder gepanzertes Fahrzeug gequetscht, das von oben mit Metallplatten und einem Tarnnetz darüber gegen Drohnen geschützt ist. Diese Ölsardinenbüchse fährt in der Regel ungehindert bis zu ihrem Bestimmungspunkt, da die ukrainischen Artilleristen angesichts des Munitionsmangels selten versuchen, ein so schwer zu treffendes Ziel unter Beschuss zu nehmen. Am Einsatzort angekommen kullern – aus Sicht der Drohnenpiloten – zwei Dutzend Soldaten wie Erbsen aus einer Dose. Dies ist der Moment, den die ukrainischen Artilleristen abwarten, um Streumunition gegen die auseinanderlaufenden Männer einzusetzen.
Die Zerstörung ukrainischer Kraftwerke und Umspannwerke
Russland hat in der zweiten Märzhälfte begonnen, systematisch Kraftwerke und Umspannwerke in der Ukraine zu zerstören. Die Folgen der massiven Luftschläge am 22. März in Charkiv und Umland konnten bis heute nicht behoben werden. Zehntausende Menschen haben auch mehr als zwei Wochen nach den Angriffen keinen Strom. Seitdem hat Russland die Attacken gegen die zivile Infrastruktur der Ukraine ausgeweitet. Am 29. März etwa wurden Anlagen in und um Kremenčuk unter Beschuss genommen, am 31. März war Odessa an der Reihe. Setzte Russland bei früheren Angriffen dieser Art ein oder zwei Raketen ein, so sind es nun fünf oder sechs, dazu kommen Drohnen. An den Tagen ohne Raketenangriffe attackierten zwischen acht und 23 Drohnen die Ukraine. Diese fliegen heute ihr Ziel nicht mehr auf direktem Weg an, sondern wechseln während des Flugs mehrfach die Route. Gleichwohl gelingt es der ukrainischen Luftabwehr nach eigenen Angaben, alle Drohnen sowie 70 Prozent der Raketen abzufangen. Die größten Probleme bereiten ihr die ballistischen Flugkörper des Typs Iskander und Kinžal. Insbesondere mit diesen hat Russland massive Schäden verursacht. Anders als in den Jahren 2022 und 2023, als überwiegend Verteilerstationen getroffen wurden, sind nun die Maschinenhallen der Kraftwerke das Ziel. Würden die Turbinen oder Generatoren zerstört, kann es Jahre dauern, bis das Kraftwerk wieder einsatzfähig ist. Diese sind allerdings von dicken Betonwänden gut geschützt. Dies trifft jedoch nicht für Dampf- und Wasserrohre sowie Stromleitungen im Kraftwerksbereich zu. Werden diese getroffen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die sensiblen zentralen Apparaturen durch einen plötzlichen Abfall der Temperatur, des Drucks oder der Drehgeschwindigkeit Schaden nehmen. Dies ist die Ursache, warum ganze Gebiete im Osten und Südosten der Ukraine – aber auch das Gebiet L’viv – nach den Angriffen immer länger ohne Strom bleiben und auch andere, weniger massiv unter Beschuss genommene Gebiete nach einem zur Verhinderung eines Zusammenbruchs des gesamten Verbundnetzes vorgenommenen Lastabwurf mit Stromausfällen konfrontiert sind.
In der ersten Aprilwoche hat die Intensität der russländischen Angriffe auf das Energiesystem nachgelassen, was darauf zurückzuführen ist, dass der zuvor angehäufte Raketenvorrat erschöpft ist. Auch die Abfangquote hat sich erhöht. Charkiv hilft dies jedoch wenig. Die Stadt wird mit ballistischen Iskander- und S-300-Raketen angegriffen, denen sie ohne ein Patriot-Luftabwehrsystem praktisch schutzlos ausgeliefert ist. Offenbar ist auch die sonstige dort stationierte Luftabwehr in erheblichem Maße zerstört oder wegen Munitionsmangels nicht einsatzfähig. Anders ist nicht zu erklären, warum so häufig Drohnen einschlagen, immer wieder Menschen sterben und Aufklärungsdrohnen über der Stadt kreisen. In einem Interview vom 6. April hat der ukrainische Präsident von einer deutlich größeren Anzahl an Luftabwehrsystemen gesprochen, die der Westen der Ukraine liefern müsse, als er es in den Monaten zuvor getan hatte. Das Land benötige 25 Patriot-Systeme mit je 6–8 Startrampen. Zuvor war meist von einem halben Dutzend solcher Anlagen die Rede gewesen. Auch mit den jüngst an die Ukraine übergebenen F-16 seien nur zehn Prozent des Bedarfs an Kampfflugzeugen gedeckt.
Auffällig ist, dass Odessa seit den Angriffen im März keinen weiteren Attacken ausgesetzt ist. Stattdessen rechnet Putin mit Charkiv ab, einer weiteren „russischen“ Stadt, wie er und seine Umgebung die Metropole bezeichnen, in der weiter rund eine Million Menschen leben. Mindestens 300 000 von ihnen haben nach Angaben des Bürgermeisters Ihor‘ Terechov seit mehr als zwei Wochen keinen Strom. Alle Wärmekraftwerke der Stadt sind stark beschädigt, ebenso ein Teil der Fernleitungen. In Charkiv hat Russland im April bereits zwei Mal einen Ort, an dem eine Drohne eingeschlagen war, kurze Zeit später erneut mit einem solchen Flugobjekt angegriffen. Mindestens drei Feuerwehrleute wurden getötet, Sanitäter und Journalisten verletzt. Aus der Umgebung von Charkiv beschießt die ukrainische Armee seit mehr als einem Monat ohne erkennbaren Plan mit Vampyr-Raketen die russländische Stadt Belgorod. Der Militärkanal Rybar' behauptet, Russland habe im Stadtgebiet zwei dieser Raketenwerfer zerstört, das angebliche Beweisfoto zeigt jedoch nur ein zertrümmertes Fahrzeug, bei dem es sich ebenso um ein mobiles Luftabwehrgeschütz handeln könnte.
Die Ukraine setzt ebenfalls weiter Drohnen gegen Ziele tief im Hinterland des Gegners ein. Am 2. April flogen unbemannte Fluggeräte, die eher an Cessna-Kleinflugzeuge erinnerten, ungestört bis nach Tatarstan, wo sie im Osten der Republik in der nördlich von Elabuga gelegenen Sonderwirtschaftszone Alabuga Russlands größte Fabrik zur Montage von Geran‘-2-Angriffsdrohnen (Shahed) ansteuerten. Sie beschädigten allerdings nur ein Wohnheim, in dem Studenten untergekommen waren, die bei dem Betrieb angeheuert hatten. Am 5. April folgte der bislang größte ukrainische Drohnenangriff auf Militärflugplätze in Russland: mit 44 Fluggeräten auf das Gelände bei Morzovsk im Gebiet Rostov und mit zehn Drohnen auf den Flugplatz Ejsk im Gebiet Krasnodar. Eine weitere Drohne hatte den Luftwaffenstützpunkt bei Ėngel’s im Gebiet Saratov im Visier. Moskau gibt an, alle anfliegenden Drohnen abgefangen zu haben, es seien nur Schäden an Verwaltungsgebäuden durch herabstürzende Trümmerteile entstanden. Die ukrainische Militäraufklärung behauptet, mindestens sechs Flugzeuge seien zerstört, weitere sechs beschädigt worden. 20 Soldaten des Gegners seien ums Leben gekommen. Fotobelege gibt es keine.
Die ukrainische Führung behauptet, das Land werde bald über Drohnen mit einer Reichweite von 2000 Kilometern verfügen – bei Elabuga sind es von der Nordostgrenze des Landes 1200 Kilometer, so dass dies durchaus möglich erscheint. Die Frage ist, wie effektiv diese Waffe ist. Bislang können die ukrainischen Drohnen 20 Kilogramm Sprengstoff transportieren. Dies genügt, um Öltanks oder ungeschützte Anlagen der petrochemischen Industrie zu zerstören, ebenso unter freiem Himmel stehende Militärfahrzeuge und -flugzeuge. Mehr ist mit diesen Drohnen bislang nicht zu erreichen.
Mobilmachung in der Ukraine
Nach langen Diskussionen zeichnet sich ab, wie die Ukraine die dringend benötigten neuen Soldaten rekrutieren will. Präsident Zelens’kyj hat das bereits seit langem von der Verchovna Rada verabschiedete Gesetz unterzeichnet, mit dem das Wehralter von 27 auf 25 Jahre gesenkt wird. Weitere Änderungen am Mobilmachungsgesetz will die Rada bis Mitte April verabschieden.
Auf diese Weise hofft das Land, mehrere Zehntausend kampfwillige Soldaten zu gewinnen. Unter denjenigen, die bereits vor der Senkung der Altersschwelle der Einberufung unterlagen, haben sich wahrscheinlich über eine Million Männer dem Wehrdienst entzogen. Zahlen wurden nur für die beiden Regionen Poltava und Černivcy veröffentlicht. Dort sollen es je rund 30 000 sein. Bereits eine einfache Hochrechnung auf die 24 Gebiete der Ukraine ergibt 750 000 Mann, berücksichtigt man, dass die beiden genannten Gebiete zu den bevölkerungsarmen gehören, kommt man auf mindestens eine Million Männer, wenn nicht deutlich mehr. Dies sind mindestens genauso viele, wie die Ukraine Soldaten an der Front hat, vermutlich sogar anderthalb oder gar zwei Mal mehr.
Keine Rede ist mehr von der Forderung des entlassenen Oberkommandierenden Zalužnyj, der von 500 000 einzuziehenden Reservisten gesprochen hatte, um die Reihen der Armee aufzufüllen und jenen die dringend benötigte längere Auszeit zu gönnen, die seit mehr als zwei Jahren ununterbrochen an der Front sind. Es fehlt der Ukraine offenkundig an Geld, um eine solch große Zahl von Männern auszurüsten und zu bezahlen. Es gibt darüber hinaus vereinzelt Nachrichten, dass Reservisten – möglicherweise aus Kontingenten, die Zalužnyj zurückgehalten und über deren Existenz sich sein Nachfolger erst einmal Klarheit hatte verschaffen müssen – nur mit leichten Schusswaffen und Panzerabwehrraketen ausgerüstet an die Front verlegt werden. Hier zeigt sich der eklatante Mangel an gepanzerten Fahrzeugen sowie an Munition, den die Ukraine ausgleichen muss, indem sie Infanteriesoldaten in die Schützengräben an der Front schickt, wo diese – bestenfalls noch mit Drohnen und Granatwerfern ausgerüstet – die Stellungen halten sollen. Daher soll die Mobilmachung konsequent erfolgen, ohne Ausweichmöglichkeit. Den Einberufenen wird versprochen, dass sie sich an eine Stelle wenden können, die besondere Befähigungen berücksichtigt und gegebenenfalls sogar den Wunsch nach Zuordnung zu einer bestimmten Einheit aufgreift.
Begleitet wird die Mobilmachung von Warnungen vor einem erneuten Angriff Russlands von Norden her. Zelens’kyj spricht davon, dass Moskau nach Erkenntnissen der ukrainischen Dienste dafür in Kürze 300 000 Soldaten rekrutieren werde. Vorrangiges Ziel sei es, Charkiv einzunehmen. Sollte dies wirklich geschehen, bräuchte die Ukraine tatsächlich dringend neue Soldaten, die in die vorbereiteten Verteidigungsanlagen im Norden und Nordosten des Landes einrücken. Eine solche Stellung hat Zelens’kyj in der ersten Aprilwoche demonstrativ besucht.
Neue Entlassungen im Umfeld Zelens’kyjs
Für eine Sensation sorgte in den letzten Märztagen die Entlassung mehrerer hochrangiger Politiker im Umfeld Zelens’kyjs. Am 26. März musste der Sekretär des Rats für Nationale Sicherheit Aleksej Danilov seinen Posten aufgeben. Der Sicherheitsrat gibt Einschätzungen zur Sicherheitslage, hat aber etwas unklare Kompetenzen. Anders als der Sicherheitsrat in Russland koordiniert er nicht den Einsatz verschiedener bewaffneter Einheiten. Es handelt sich vielmehr um eine Institution an der Schnittstelle zwischen politischer Führung, militärischer Führung, Wissenschaft und Gesellschaft. Die wichtigste Rolle spielen in ihm die Leiter der verschiedenen Geheimdienste, bei denen es sich in aller Regel um Männer handelt, die dem amtierenden Präsidenten nahestehen. Der entlassene Danilov war dank seines Amts sowie seines Temperaments einer der markantesten ukrainischen Politiker, der fast genauso häufig öffentlich auftrat wie Zelens’kyj und dessen Berater Michail Podoljak.
Zunächst glaubte die ukrainische Öffentlichkeit, Danilov sei wegen einer Beleidigung des chinesischen Sondergesandten in Kiew Li Hui abberufen worden, den er unter Verwendung seines Nachnamens mit dem gängigsten aller ostslawischen Schimpfwörter belegt hatte. Fest steht, dass die Ukraine versucht, Peking vom Kurs der vorgeschützten Neutralität abzubringen, hinter der sich eine tatkräftige Unterstützung Russlands durch die Lieferung von Komponenten für die Rüstungsindustrie verbirgt.
Dann wurde jedoch am 30. März auch Danilovs Stellvertreter Sergej Šefir entlassen, ein alter Mitstreiter des Präsidenten. Noch am selben Tag folgte die Entlassung mehrerer Berater Zelens’kyjs – ihren Posten verloren die Beauftragte für die Rechte der Vaterlandsverteidiger Anna Verbic’ka, die Bevollmächtigte für Fragen des Freiwilligendiensts Natal’ja Puškareva, die stellvertretenden Leiter der Präsidialkanzlei Andrii Smirnov und Оleksij Dniprov sowie drei Berater ohne Portfolio. Bereits in der Woche zuvor waren mehrere Armeesprecher entlassen worden. Einiges spricht dafür, dass die Mobilmachung von neuen Gesichtern von einer neuen medialen Kampagne begleitet werden soll. Danilov war zugleich seit längerem reichlich diskreditiert, was sowohl mit dem recht gut untermauerten Verdacht zusammenhing, dass er in jungen Jahren im kriminellen Milieu zu Geld gekommen ist, als auch damit, dass seine 16-jährige Enkelin bereits 2023 zugegeben hatte, mitten im Krieg ihre Karriere als Popstar mit Geld vom Opa gepushed zu haben, indem sie den Clip zu ihrem neuesten Song an die Fassade eines im Stadtzentrum von Kiew gelegenen Fernsehstudios hatte werfen lassen.
Nachfolger Danilovs im Amt des Sekretärs des Sicherheitsrats ist Aleksandr Litvinenko, ein Kaderoffizier in den Reihen der Geheimdienste, der seine Karriere noch an der Akademie des KGB begonnen hat und in den vergangenen drei Jahren die im Vergleich zu anderen Diensten unauffällige ukrainische Auslandsaufklärung geleitet hat. Er gilt im Gegensatz zu Danilov als „Intellektueller mit Schulterklappen“, als sehr gebildeter Mensch mit großer Erfahrung.
Westliche Soldaten in der Ukraine?
Kiew setzt eine gewisse Hoffnung darauf, dass die Verlegung von Kontingenten einzelner NATO-Staaten, von der der französische Präsident gesprochen hatte, tatsächlich umgesetzt werden könnte. Präsident Zelens’kyj versucht jedoch, keine allzu großen Hoffnungen zu wecken. Wenn er aber davon spricht, dass französische Soldaten die Ausbildung ukrainischer Truppen in der Ukraine vornehmen könnten, statt dass letztere zu diesem Zweck nach Frankreich fahren, dann geht es um etwas anderes als um Manöver. Es ist schwer ersichtlich, warum französische Ausbilder mit Afrika-Erfahrung ukrainische Soldaten besser trainieren können sollten als ihre ukrainischen Kollegen, die über mehr als zwei Jahre Erfahrung am konkreten Kriegsschauplatz haben. Französische Ausbilder könnten jedoch beispielsweise ein Patriot-System mitbringen, mit dem sie nicht nur sich und den Truppenübungsplatz sichern, sondern darüber hinaus auch eine nahegelegene Großstadt wie L’viv oder Chmel’nyc’kyj. Ob aus den Worten Macrons – die nicht nur in den baltischen Staaten, sondern auch in Finnland auf Zustimmung gestoßen sind – Taten werden, steht jedoch in den Sternen.
Aus dem Russischen von Volker Weichsel, Berlin
Dieser Lagebericht stützt sich auf die vergleichende Auswertung Dutzender Quellen zu jedem der dargestellten Ereignisse. Einer der Ausgangspunkte sind die Meldungen der ukrainischen sowie der russländischen Nachrichtenagenturen UNIAN und RIA. Beide aggregieren die offiziellen (Generalstab, Verteidigungsministerium, etc.) und halboffiziellen Meldungen (kämpfende Einheiten beider Seiten, ukrainische Stadtverwaltungen, etc.) der beiden Kriegsparteien. Der Vergleich ergibt sowohl übereinstimmende als auch widersprüchliche Meldungen und Darstellungen.
Zur kontrastierenden Prüfung ukrainischer Meldungen werden auch die wichtigsten russländischen Telegram- und Livejournal-Kanäle herangezogen, in denen die Ereignisse dieses Kriegs dargestellt und kommentiert werden, darunter die des Kriegsberichterstatters der Komsomol’skaja Pravda Aleksandr Koc (https://t.me/sashakots) sowie des Novorossija-Bloggers „Colonel Cassad“ (Boris Rožin, https://colonelcassad.livejournal.com/) sowie des Beobachters Igor’ Girkin Strelkov (https://t.me/strelkovii).
Wichtige Quellen sind auch die Berichte, Reportagen und Analysen von Meduza und Novaja Gazeta Europe. Ebenfalls berücksichtigt werden die täglichen Analysen des Institute for the Study of War (www.understandingwar.org), das auf ähnliche Quellen zurückgreift.
Die Vielzahl der abzugleichenden Quellen wäre ohne Hilfe nicht zu bewältigen. Dem Autor arbeiten drei Beobachter des Kriegsgeschehens zu, die für Beratung in militärtechnischen Fragen, Faktencheck und Sichtung russisch- und ukrainischsprachiger Publikationen aus dem liberalen Spektrum zuständig sind und dem Autor Hinweise auf Primärquellen zusenden.
Die jahrelange wissenschaftliche Arbeit zu den ukrainischen Regionen sowie zahlreiche Reisen in das heutige Kriegsgebiet erlauben dem Autor, auf der Basis von Erfahrungen und Ortskenntnissen den Wahrheitsgehalt und die Relevanz von Meldungen in den sozialen Medien einzuschätzen.