Klima, Wirtschaft, Gesundheit

Klima, Wirtschaft, Gesundheit: Warum Russland eine CO2-Steuer einführen sollte

Wirtschaftswachstum, saubere Luft, höhere Lebenserwartung: Ökonomen zeigen bei einem deutsch-russischen Workshop, wie die Treibhausgasemissionen in Russland gesenkt werden können.

Russland wird profitieren, wenn es sich aktiv am globalen Kampf gegen den Klimawandel beteiligt. Die Wirtschaft wird eine beschleunigte Diversifizierung und Modernisierung erfahren, die Menschen im Land werden dankbar für den Rückgang der Luftverschmutzung sein, die bislang für viele frühe Tode verantwortlich ist.

Der wirksamste Mechanismus zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen ist die Einführung einer CO2-Steuer. Werden für CO2-Emissionen Abgaben erhoben, erhält die Energiewende in Russland einen starken Anschub: Der Ausstieg aus der Kohle wird ebenso beschleunigt, wie der Umstieg auf erneuerbare Energien. Diese können nicht zuletzt für die Produktion von grünem Wasserstoff als neuem Exportgut genutzt werden.

Vier Workshops, sieben Berichte
Dies sind die Kernaussagen einer Studie über die Modernisierungseffekte einer CO2-Abgabe in Russland. Sie wurden am 3. Februar bei einem Online-Workshop diskutiert, den die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO) im Rahmen des Projekts "Nachhaltiges Russland – Wege zu einer diversifizierten und klimaorientierten Wirtschaft" organisiert hat. Aus vier Online-Workshops zwischen Oktober 2021 und Februar 2022, an denen Experten aus Deutschland, Russland und anderen europäischen Ländern teilnahmen, sind sieben Studien überwiegend aus Russland stammender Autoren zu verschiedenen Aspekten einer grünen Modernisierung Russlands hervorgegangen.

Sie werden im Mai von der Zeitschrift „Osteuropa“ veröffentlicht. Wenn die Pandemielage es zulässt, sollen sie noch im selben Monat bei einer öffentlichen Veranstaltung in Moskau mit Vertretern staatlicher Behörden, der Wirtschaft und interessiertem Publikum präsentiert werden.

Förderung durch das Auswärtige Amt

Finanziell unterstützt wurde das deutsch-russische Forschungsprojekt vom Berliner Außenministerium. Ziel war es zum einen, der Fachdiskussion in Russland Impulse zu geben. In Deutschland ist man sich im Klaren, dass Klimaschutz eine globale Aufgabe ist, die ohne das der Fläche nach größte Land der Welt nicht gelöst werden kann.

Zum anderen erlangen Experten sowie das interessierte Publikum in Deutschland und der Europäischen Union wissenschaftliche Expertise zu der Frage, wie Russland, das das Pariser Abkommen unterzeichnet und seine Absicht bekundet hat, sich in Richtung Klimaneutralität zu bewegen, seinen Energiesektor und seine Wirtschaft auf umweltfreundliche Weise modernisieren würde und könnte. Dies wird es erlauben, mögliche Felder der internationalen Zusammenarbeit mit Russland genauer zu definieren.

Alexander Golub, Professor an der American University in Washington, D.C. und Vorsitzender des in Virginia ansässigen Climate Equity Research Center, betonte in seinem Vortrag während des Workshops: "Das Problem des Managements von Treibhausgasemissionen sollte im Rahmen des Gesamtkonzepts der Entwicklung Russlands für die nächsten 30 Jahre betrachtet werden".

Die Diversifizierung der Volkswirtschaft ist unumgänglich

Golub und sein Kollege Vladimir Potaschnikow, leitender Wissenschaftler an der unter der Schirmherrschaft des Staatspräsidenten stehenden Russländischen Akademie für Volkswirtschaft und öffentliche Verwaltung (RANEPA), sind überzeugt: Russland wird zwangsläufig den Weg einer Diversifizierung der Volkswirtschaft gehen und die Abhängigkeit vom Export fossiler Brennstoffe verringern. Dies werde selbst ohne eine aktive Beteiligung Russlands an der globalen Klimapolitik geschehen.

In den nächsten drei Jahrzehnten werde Russland unweigerlich Märkte für den Absatz von Erdöl, Erdgas und Kohle verlieren, da nicht nur die wichtigsten Volkswirtschaften der Welt – die USA, die EU und China -, sondern auch viele andere Länder den Weg der Dekarbonisierung eingeschlagen haben. Bereits in den vergangenen zehn Jahren, so Golub und Potaschnikow, habe Russland sich „in einer Wachstumsfalle befunden“. Das Land benötige nun einen Durchbruch, und diesen könnten neben der Entwicklung des Humankapitals nur neue Technologien bringen.

Diese Technologien, davon sind beide Wissenschaftler überzeugt, werden zwangsläufig "grün" sein. Damit sie sich rasch verbreiten können, müsse die Regierung den Einsatz fossiler Brennstoffe, die für erhebliche Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, unrentabel machen, allen voran den von Kohle. Dies könne auf zwei Arten geschehen: durch die Einführung von Quoten für CO2-Emissionen (diesen Weg geht die EU) oder durch eine Steuer auf CO2.

Weniger fossile Brennstoffe, sauberere Luft.

Die beiden Autoren stützen sich auf ökonomische Theorien, die etwa empfehlen, Steuern auf Tätigkeiten zu erheben, die dem Gemeinwohl schaden, sowie auf eigene mathematische Modelle. Dies führt sie zu dem Schluss, dass im Falle Russlands eine CO2-Steuer das geeignete Instrument wäre: „Eine Kohlenstoffsteuer kann Katalysator für eine radikale Diversifizierung der russischen Volkswirtschaft werden", betonte Alexander Golub.

Gleichzeitig werde der beschleunigte Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe zu einer deutlichen Verbesserung der Luftqualität in vielen russischen Städten führen. Ganz besonders gilt dies für die Kohleregionen. Die Studie prognostiziert, dass die Einführung einer Kohlenstoffsteuer bereits innerhalb eines Jahrzehnts zu einer deutlichen Erhöhung der Lebenserwartung beitragen wird.

Die Wissenschaftler verschweigen nicht, dass die Steuer zu einem Anstieg der Stromkosten führen wird. Dies würde aber einen Anreiz zum Energiesparen sowie zur Erhöhung der Energieeffizienz geben. Zugleich schlagen Golub und Potaschnikow vor, die Einnahmen aus der CO2-Steuer für Kompensationszahlungen an besonders bedürftige Verbraucher zu verwenden. Dies führe nicht dazu, dass diese ihr Verhalten nicht änderten, der Anreiz zum Energiesparen bliebe erhalten.

Russlands Hoher Norden: Wind und Wasser für Grünen Wasserstoff

Besonderes Augenmerk legten die Autoren der Studie auf Wasserstoff, genauer: grünen Wasserstoff, der mit Strom aus erneuerbaren Energien produziert wird. Sie sind überzeugt, dass „Russland eine wichtige Rolle auf dem sich wandelnden Markt für Energieträger spielen kann, indem es den Export von Öl und Gas durch den Export von Wasserstoff ersetzt, der vor allem mit Wind- und Solarenergie hergestellt wird". In dem Bericht heißt es, die Windenergie habe in Russland ein "unbegrenztes Potenzial“.

Während des Workshops erläuterte Alexander Golub, dass die riesigen Gebiete im Hohen Norden Russlands über viel Wind und gleichzeitig viel Wasser für die Herstellung von Wasserstoff mittels Elektrolyse verfügten. Dies sei ein erheblicher Wettbewerbsvorteil. Wissenschaftler der Weltbank sowie einer Reihe von Think Tanks hätten in den vergangenen Jahren vor allem die Aussichten für die Produktion von Grünem Wasserstoff mit Hilfe von Solarenergie in einigen afrikanischen Staaten untersucht. Dort mangele es jedoch am benötigten Wasser.

Vladimir Potashnikov betonte, dass viele Unternehmen in Russland das Thema Wasserstoff auf der Agenda hätten. Das Wort Wasserstoff löse keine Aversionen aus.