Hefte




1925–2002

Osteuropa ist fest in die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts eingewoben. Diese ist untrennbar mit jener Ostmitteleuropas und Osteuropas verbunden. 1913 wurde in Berlin die Deutsche Gesellschaft zum Studium Rußlands gegründet, aus der die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde hervorging. 1925 konnte der Spiritus rector der Gesellschaft, der Osteuropahistoriker und Reichstagsabgeordnete Otto Hoetzsch das erste Heft von Osteuropa vorstellen. Die Gesellschaft und ihre Zeitschrift haben den Ersten Weltkrieg, den Zweiten Weltkrieg und den Kalten Krieg sowie sechs politische Ordnungen in Deutschland erlebt: das Kaiserreich, die Weimarer Republik, das NS-Regime, das geteilte Deutschland und die Berliner Republik. Immer war Osteuropa ein Spiegel der Zeit. In den 1920er Jahren war Berlin das weltweit anerkannte Zentrum der Rußland- und Osteuropastudien. Die Aktualität und Solidität, mit der Osteuropa über die UdSSR und den Osten Europas berichtete, war einzigartig.

Doch das Signum der Zeitschrift seit ihrer Weimarer Zeit, die Verknüpfung von Wissenschaft und Politik, Erkenntnis und Interesse, Aufklärung und Handeln, sollte ab 1933 prekäre Konsequenzen haben. Nach dem Machtantritt der NSDAP galt ihr Chefredakteur Klaus Mehnert als „Salonbolschewist“ und ging ins Exil, Otto Hoetzsch wurde in die innere Emigration getrieben. Der Versuch, die Zeitschrift über Wasser zu halten, hatte einen hohen Preis. Der neue Chefredakteur Werner Markert, der sich in den 1950er Jahren beim Aufbau der Osteuropaforschung unbestreitbare Verdienste erwarb, versuchte es mit Anpassung an die nationalsozialistischen Machthaber. Das konnte nicht ohne Kompromittierung gelingen. Doch die eigentliche Tragödie traf andere. Mehrere Schüler von Otto Hoetzsch, die an Osteuropa mitarbeiteten, fielen dem kriminellen nationalsozialistischen Rassenwahn zum Opfer. Stellvertretend sei an Wolfgang Leppmann erinnert. Er wurde in Auschwitz umgebracht. Auch dies ist ein Teil der Geschichte von Osteuropa. Angehörige seiner Generation bauten nach dem Krieg die Osteuropaforschung wieder auf.

Der Kalte Krieg begünstigte, daß die Verstrickung in den Nationalsozialismus verdrängt werden konnte. Die Entspannungspolitik brachte auch wissenschaftspolitisch und methodisch eine Zäsur. Die jüngste Vergangenheit der Zeitschrift ist mit dem jahrzehntelangen Wirken insbesondere von Horst Günther, Alexander Steininger, Jutta Unser und Karl-Eugen Wädekin verbunden. Seit den 1970er Jahren, insbesondere seit dem Ende des Ost-West-Konflikts haben sich Charakter und Funktion von Osteuropa verändert. Mit dem Jahr 2002 begann für Osteuropa das Internetzeitalter.

Mehr zur Geschichte der Osteuropa lesen Sie in Heft 12/2005