Titelbild Osteuropa 8/2003

Aus Osteuropa 8/2003

Big Brother po-russki
Die Reality-Show Za steklom

Christine Engel

Abstract

Die Ausstrahlung der ersten Staffel von Za steklom bildete in Rußland eine Art Kondensationslinie, die Verwerfungen von alten und neuen Werten und Orientierungsmustern deutlich machte. Die Staffel erzielte eine Breitenwirkung, wie man sie zuletzt zu Zeiten der Perestrojka beobachten konnte, als das ganze Land „brisante“ Neuerscheinungen besprach. Zudem war die Ausstrahlung von heftigen Debatten aller „Kulturträger“ begleitet, die unterschiedlichste Aspekte von Normvorstellungen artikulierten. Das globale Format, das gleichzeitig Spielraum für regionale Adaptionen läßt, zeigte, daß das russische Publikum seine Prioritäten offensichtlich eher nach dem Gesichtspunkt „Wen könnte ich mir als Familienmitglied vorstellen“ setzte als nach Kriterien der Selbstinszenierung oder der Grenzüberschreitung. Kooperation nahm einen höheren Stellenwert ein als Konfrontation, und die Anhänger einer Abkoppelung von Sex und Liebe waren in der Minderzahl. Von vornherein ausgespart blieben allerdings Themen wie Homosexualität oder Drogenkonsum.

(Osteuropa 8/2003, S. 1137–1148)