Imaginierte Ukraine
Zur kulturellen Topographie in der polnischen und russischen Literatur
Magdalena Marszałek, Matthias Schwartz
Abstract
Seit einem Jahrzehnt revitalisiert die polnische und russische Literatur die ukrainische Thematik. Die Ukraine ist wieder zu einem Ort geworden, der als Projektionsfläche für kulturelle Selbstdefinitionen dient. Dabei knüpft man an kulturelle Topographien aus der Romantik an, welche die Ukraine als umkämpftes und gefährliches Grenzland am Rande des eigenen Imperiums imaginierten. Dieses heute jenseits der eigenen Staatsgrenzen liegende hochpoetisierte Gebiet bietet sich ideal für eine postmoderne Diversifizierung und spielerische Regionalisierung an. So erscheint die Westukraine in der polnischen Literatur häufig im intertextuellen Rekurs auf den multikulturellen Galizienmythos und die wiedergekehrte Mitteleuropa-Idee. In der russischen Literatur werden die orientalisierte Krim als neues „Welt- Kultur-Übungsgelände“ und die dörfliche Ukraine als mystischer Ort grotesker und übersinnlicher Erfahrungen ästhetisiert.
(Osteuropa 11/2004, S. 7586)