Zwischen Politisierung und Historisierung
Der Holodomor in der ukrainischen Historiographie
Abstract
Die Hungersnot 1932–1933 stand in den vergangenen zwanzig Jahren im Zentrum der wissenschaftlichen und politischen Debatte. Angestoßen durch eine Untersuchungskommission des amerikanischen Kongresses, trug das Nachdenken über den Holodomor zu einem neuen Selbstverständnis der ukrainischen Gesellschaft bei. Die Forderung nach Auflösung der UdSSR und die Frage nach der neuen Gesellschaftsordnung in der Ukraine standen in einem engen Wechselverhältnis mit der wissenschaftlichen Suche nach dem Ausmaß der Katastrophe, den Ursachen und Motiven. Die ukrainische und internationale Historiographie hat die politischen, ökonomischen und sozialen Aspekte der Massenvernichtung herausgearbeitet und die Frage nach der Schuld, der internationalen Anerkennung des Holodomor als Genozid sowie der Sühne neu gestellt.
(Osteuropa 12/2004, S. 165182)