Titelbild Osteuropa 4/2007

Aus Osteuropa 4/2007
Teil des Lesepaket Geschichtswissenschaft

Das Rußländische Imperium im Windschatten
Geographie, Geschichte und globale Entwicklungsdynamik

Carsten Goehrke


Abstract in English

Abstract

Warum weist die Weltmacht Rußland mit ihrem gewaltigen Rohstoff­reichtum, mit ihrem respektablen Bildungsniveau und ihrer partiellen Spitzentechnologie immer noch das durchschnittliche Einkommensniveau eines mittelmäßig entwickelten Industriestaates auf? Ursachen sind zunächst die geographischen und geopolitischen Entwicklungsbedingungen. Im globalen Wettkampf der Imperien um Überseekolonien war die Ausgangslage des kontinentalen Rußland schlecht. Zudem zwang die Expansion in die dünn besiedelten Räume Nordasiens nicht zur Intensivierung der Wirtschaft. Wichtiger sind die kulturellen Prägungen, insbesondere das Staats- und Gesellschaftsverständnis im orthodoxen Europa. Im Moskauer Reich verschob sich das Machtgleichgewicht zwischen Fürst, Adel, Kirche und Städten einseitig zur Autokratie nach byzantinischem Vorbild. Im Wettlauf mit den westlichen Industriemächten erwiesen sich Autokratie und „staatsfixierte Gesellschaft“ als immobil. Die globale Entwicklungsdynamik wanderte so im Laufe der Neuzeit vom islamischen Orient und von China in den nordatlantischen Raum ab, wo die staatliche, ethnische und religiöse Vielgestaltigkeit half, die rechte Balance zwischen zu viel und zu wenig Staat zu finden.

(Osteuropa 4/2007, S. 3–32)