Titelbild Osteuropa 10/2009

Aus Osteuropa 10/2009

„Das Lied vom Anderswerden“
Lysenko und die politische Semantik der Vererbung

Igor J. Polianski


Abstract in English

Abstract

Der Kalte Krieg machte vor der Biologie nicht halt. Die Sowjetunion behauptete, die westliche Genetik sei eine Fortsetzung der nationalsozialistischen Eugenik. Dem Westen galt die als Lysenkoismus bekannt gewordene Lehre von der Vererbbarkeit erworbener Eigenschaften mit ihrer Vision des Neuen Menschen als ebenso totalitäres kommunistisches Pendant zur nationalsozialistischen Rassenselektion. Dies verstellte den Blick für die Ursachen der Übernahme des Lysenkoismus in der DDR. Er muss in Zusammenhang mit der historischen Antithese von emanzipatorisch-linkem und konservativ-völkischem Biologismus gestellt werden. Die Entdeckung der DNA entzog beiden Biologismen den Boden. In der DDR verlor die Genetik jedoch ihren Mehrwert als weltanschauliches Faszinosum erst in den 1970er Jahren.

(Osteuropa 10/2009, S. 69–88)