Titelbild Osteuropa Edition Osteuropa 2/2017

Aus Edition Osteuropa 2

Die Fesseln des Sieges
Russlands Identität aus der Erinnerung an den Krieg

Abstract

Der Sieg im Krieg, dem Großen Vaterländischen Krieg, ist das wichtigste Identifikationssymbol in Russland. Er ist die einzige positive Stütze für das nationale Selbstbewusstsein der Gesellschaft. Der Sieg im Krieg legitimiert im Nachhinein das sowjetische totalitäre Regime. Die Erinnerung an die Stalinschen Repressionen verblasst, vielmehr beurteilt die öffentliche Meinung Stalin zunehmend positiv. Bis heute wirkt das Tabu, die Kehrseiten des Sieges aufzuarbeiten. Dass die Russen in Zeiten des Krieges und des Ausnahmezustands ihren „Nationalcharakter“ offenbaren, ist zur Norm der symbolischen Identität geworden. Die Erinnerung an den Krieg nützt vor allem der Legitimation der zentralisierten und repressiven sozialen Ordnung. Sie ist in die allgemeine posttotalitäre Traditionalisierung von Kultur und Gesellschaft unter Putin eingefügt.

(Edition Osteuropa 2, S. 75–97)