Titelbild Osteuropa 10-12/2018

Aus Osteuropa 10-12/2018

Kemalismus und Bolschewismus
Ungleiche Brüder und ihr historisches Erbe

Stefan Plaggenborg

Volltext als Datei (PDF, 2 MB)


Abstract in English

Abstract

Nach dem Ersten Weltkrieg lagen das Russische und das Osmanische Reich in Trümmern. Der Bolschewismus und der Kemalismus waren Entwürfe für eine radikal andere Zukunft. Die Ideen unterschieden sich jedoch erheblich. Der Kemalismus orientierte sich zumindest im Programm am bürgerlichen Europa, die Bolʼševiki wollten dieses mit Sozialismus und Rätedemokratie überwinden – und errichteten einen Terrorstaat. Das sowjetische Modell kollabierte nach 70 Jahren, der Kemalismus schuf die Grundlagen für Demokratie, Entfaltung der Gesellschaft und kulturellen Aufschwung in der Türkei. Seit der politischen und kulturellen Konterrevolution in der Türkei ähneln sich allerdings die Regime in Moskau und Ankara. Beide versuchen, Herrschaft durch Anlehnung an die vergangene Größe des Imperiums zu legitimieren. Auch die Machttechniken gleichen sich.

(Osteuropa 10-12/2018, S. 51–80)

Volltext

Nach dem Ersten Weltkrieg lagen das Russische und das Osmanische Reich in Trümmern. Der Bolschewismus und der Kemalismus waren Entwürfe für eine radikal andere Zukunft. Die Ideen unterschieden sich jedoch erheblich. Der Kemalismus orientierte sich zumindest im Programm am bürgerlichen Europa, die Bolʼševiki wollten dieses mit Sozialismus und Rätedemokratie überwinden – und errichteten einen Terrorstaat. Das sowjetische Modell kollabierte nach 70 Jahren, der Kemalismus schuf die Grundlagen für Demokratie, Entfaltung der Gesellschaft und kulturellen Aufschwung in der Türkei. Seit der politischen und kulturellen Konterrevolution in der Türkei ähneln sich allerdings die Regime in Moskau und Ankara. Beide versuchen, Herrschaft durch Anlehnung an die vergangene Größe des Imperiums zu legitimieren. Auch die Machttechniken gleichen sich.

Die kemalistische Türkei und das bolschewistische Russland sind im Verlauf des 20. Jahrhunderts mehrfach miteinander in Beziehung gesetzt worden. Heute geschieht dies besonders deswegen, weil beide Länder autoritäre politische Systeme ausgeformt haben, deren Elemente zum Vergleich einladen. Vorschnelle Urteile sollte man jedoch meiden. Politische Diktatur und kultureller Autoritarismus sind keine spezifisch russischen oder türkischen Angelegenheiten. Daher ist Augenmaß gefordert. In der Geschichte des Vergleichens gibt es zahlreiche erhellende Ansätze, aber mindestens ebenso vieler Irrtümer.

Schon die älteren Vergleiche hielten den methodischen Herausforderungen komparativen historischen Arbeitens nicht stand, einige bemühten sich von vornherein nicht darum. Vergleichend analysierende Untersuchungen gibt es kaum.[1] Die Unsicherheit, phänomenologische, funktionale und kausale Zusammenhänge in den jeweiligen Entwicklungen und dazu noch vergleichend zu bestimmen, gilt nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch und besonders für die Frage nach dem historischen Erbe, welches Bolschewismus und Kemalismus hinterlassen haben. Das „System“ Putin[2] und „Erdoğanistan“[3] sind weder bruchlose Fortsetzungen früherer autoritärer Entwicklungen noch losgelöst von jeglicher Verbindung zur Geschichte.

Wer Kemalismus und Bolschewismus in Beziehung zueinander setzt, sollte die behauptete enge Verwandtschaft des Kemalismus mit dem italienischen Faschismus nicht aus dem Blick verlieren. Diese Beziehungen sind deutlich stärker als zum Bolschewismus, zumal in der Türkei Anfang der 1930er Jahre eine intensive Debatte über diese Verwandtschaft geführt wurde. Ohne auf dieses Problem hier eingehen zu wollen,[4] ist es wichtig daran zu erinnern, weil insbesondere seit den späten 1960er Jahren Stimmen aus dem linken politischen Lager den Kemalismus als Faschismus attackierten.[5] Dass es sich dabei um einen gänzlich unhistorischen, ebenso analysefreien wie polemischen Faschismusbegriff handelt, zeigt die Tatsache, dass der Faschismusvorwurf ohne weiteres vom Kemalismus auf den „Erdoğanismus“ übertragen werden konnte,[6] obwohl letzterer den Kemalismus historisch zu überwinden trachtet.

Aufbrüche ins 20. Jahrhundert

Der Kemalismus steht in seiner Bedeutung dem Sowjetsozialismus kaum nach, er ist der gern vergessene Verwandte der europäischen Entwicklungen im 20. Jahrhundert. Er gerät nur deswegen aus dem Blick, weil Europa in diesem Fall in Anatolien lag, ein scheinbarer Widerspruch, den der Türkei-Reisende und Philosoph John Dewey 1924 auf die Formel brachte: „Es ist paradox, dass es für eine Nation nötig sein sollte, näher an Asien heranzurücken, um sicherzustellen, dass sie europäisiert wird.“[7] Der Kemalismus strahlte in viele außereuropäische Länder aus, die in ihm ein Modell erkannten, das eigene Land unter den Vorzeichen eines nichtsozialistischen Anti-Imperialismus, des Zurückdrängens des übermächtigen Islams und unter Beibehaltung bestehender nichtsozialistischer Wirtschaftsformen zu entwickeln.[8] Die Kemalisten riefen einen Widerspruch hervor, der sich nicht in gängige Konzepte fügen will: Sie hielten es für möglich, Staat und Gesellschaft europäisch zu modernisieren und gleichzeitig den Anti-Imperialismus gegen eben jene Mächte ins Feld zu führen, die ihnen als Vorbild dienten. Kapitalismus ohne Imperialismus, so lässt sich die kemalistische Devise zusammenfassen. Lenin hätte das nicht verstanden.

Die historische Erfahrung hatte die Kemalisten diesen Weg einschlagen lassen. Das Osmanenreich war wirtschaftlich abhängig von den europäischen Mächten. Sie hatten die Schuldenverwaltung übernommen und damit die Hohe Pforte der finanziellen und politischen Unabhängigkeit beraubt. Ausländische Unternehmen konnten dank rechtlicher Privilegien nach Belieben wirtschaften, ganze Wirtschaftszweige lagen in ihren Händen. Das Reich des Sultans war vor dem Ersten Weltkrieg eine Halbkolonie. Aus diesen Gründen gehörte der Anti-Imperialismus zum ideologischen Besteck der Kemalisten. Obwohl er einen prominenten Platz in ihrem Denken einnahm, wurde er nie zu einem expliziten Programmpunkt. Eine Brücke zu den Bolʼševiki ließ sich damit aber bauen.

Kemalismus und Bolschewismus entstanden als Folge des Ersten Weltkriegs und des Zusammenbruchs des Osmanischen Reichs und des Zarenreiches. Sie versuchten Antworten auf tiefgreifende Krisen ihrer Staaten und Gesellschaften zu geben und reagierten auf den Kollaps der alten Ordnungen. Dadurch forcierten sie die Spaltung in der Gesellschaft. Die Folge waren äußerst blutige Bürgerkriege. In der Türkei wird der Bürgerkrieg als „Unabhängigkeitskrieg“ bezeichnet. Die Terminologie steht im Zusammenhang mit dem kemalistischen Geschichtsnarrativ der siegreichen kemalistischen Revolution gegen äußere und innere Feinde der türkischen Nation.[9] Auch in der Sowjetunion gehörten die Heroisierung und Glorifizierung dieser Jahre zum Repertoire legitimatorischen Schriftguts. Beide Regime waren Ergebnisse einer extrem gewalttätigen Periode der europäischen und kleinasiatischen „Nachkriegsgeschichte“, die diesen Namen nicht verdient. Unter diesen Umständen durfte man kaum vermuten, hier werde Politik zukünftig mit Samthandschuhen betrieben. Beide entwickelten sich zu Diktaturen, wenngleich von höchst unterschiedlicher Intensität, unterschiedlichem Charakter und mit ebenso unterschiedlichen Repressionsmechanismen.

Beide Regime behaupteten, neue Zivilisationen zu gründen. Sie gingen dabei gänzlich unterschiedliche Wege und verfolgten unterschiedliche Ziele. Während die Bolʼševiki bei ihren revolutionären Veränderungen kaum auf historische Vorbilder zurückgreifen konnten, fanden die Kemalisten in der europäischen Moderne, in den Errungenschaften der Französischen Revolution und der „bürgerlichen“ Wissenschaften – besonders des Positivismus und der französischen Soziologie – die Vorbilder und Vordenker ihres Tuns.[10] Die Kemalisten waren nachholende Revolutionäre im Vergleich zu den Bolʼševiki: Wenn man bedenkt, dass der historische Ausgangspunkt für beide Regime ziemlich nah beieinanderlag, 1905 und 1908, dann stellt sich der Weg der Kemalisten als eine Radikalisierung des jungtürkischen Modernisierungs- und Europäisierungsweges dar, während die Bolʼševiki die „bürgerliche“ Phase gar nicht schnell genug hinter sich lassen konnten. 1905 sah sich der Zar gezwungen, im „Oktobermanifest“ Parlament und Grundrechte zuzugestehen, wenngleich von einer Verfassungsordnung nicht gesprochen werden kann. 1908 versuchte die „jungtürkische Revolution“, die vom Sultan 1876 nach wenigen Wochen ausgesetzte Verfassung wieder in Kraft zu setzen. Den Weg des Konstitutionalismus verließen die Bolʼševiki spätestens mit der Auflösung der Konstituante im Januar 1918, die Kemalisten aber setzten ihn fort.

Die kemalistische Türkei wurde nach dem Ersten Weltkrieg wie viele andere Staaten nach anfänglichen demokratischen Versuchen rasch zu einem autoritären Regime. Aber trotz allem ist die Türkei nicht den Weg in die totalitäre Diktatur in Form kommunistischer oder faschistischer Herrschaft gegangen, sondern blieb mit allen offenkundigen Abstrichen doch auf dem Weg der Republik und der – wenngleich lange Zeit verschatteten – Grundlagen eines demokratischen Systems. Die Türkei versuchte auf eine nach dem Ersten Weltkrieg geradezu altmodische Art europäisch zu sein, auf eine Weise, die in Lissabon, Madrid, Rom, Belgrad, Athen, Sofia, Bukarest, Warschau, Riga, Tallinn und Berlin – in Moskau sowieso – nicht mehr für zeitgemäß gehalten wurde. Die Orientierung an Europa nach 1918 bot allerlei Varianten: die Demokratie Englands, den Nationalstaat französischer Prägung, das basisdemokratisch-kantonale Schweizer Modell, die politische Organisation unterschiedlicher (Haupt)Ethnien in der konstitutionellen Monarchie des „dreinamigen“ Jugoslawien sowie Faschismus und Kommunismus. Die Kemalisten suchten explizit einen „türkischen“ Weg und reflektierten ihn.

So gesehen befanden sich Bolschewismus und Kemalismus in der Selbstwahrnehmung und im Rückblick auf ihre Zukunftsentwürfe historisch an unterschiedlichen Orten auf der Zeitachse des 20. Jahrhunderts. Daraus ergab sich historisch eine paradoxe Situation: Obwohl die nur in diesem Sinne konservativen Kemalisten nachzuholen trachteten, was die Bolʼševiki zur gleichen Zeit radikal abwarfen, überlebte der Kemalismus den Bolschewismus.

Diese Unterschiede in der Gemeinsamkeit der Entstehungsbedingungen legen schon nahe, wie sehr sich beide Regime als Instrumente von Fortschritt, Modernität und Zukunftsoptimismus verstanden. Mit ihrem Auftauchen ging ein neues Zeitverständnis einher.[11] Sie schüttelten nicht nur das Alte und Überkommene ab und kappten die Bezüge zur unmittelbaren Vergangenheit, sie gaben außerdem vor, die Geschichte vorgezeichnet zu haben, ja sie zu beherrschen und zu kontrollieren. „Tarihe emretmek“ (der Geschichte befehlen)[12] ist eine Formulierung, die zum Fortschrittsdenken und Zukunftsoptimismus beider Regime passt. Zu diesem Denken gehört der Versuch, die Menschen umzuformen, was beide Regime auf ihre jeweilige Weise zu realisieren hofften. Die Kemalisten wollten nationalistische, laizistische, gebildete, europäisch orientierte moderne citoyens, Bürgerinnen und Bürger, die in Häusern im Bauhausstil leben, europäische Hüte statt des Fes tragen, in lateinischer Schrift statt Arabisch, der Sprache des Korans, lesen und schreiben, ins Theater oder den Klub statt in die Moschee gehen sollten. Und die bis dahin fast durchgehend analphabetischen Frauen sollten wenn schon nicht Pilotinnen, so doch mindestens Lehrerinnen werden.[13] Die Bolʼševiki wollten klassenbewusste, gebildete, sozialistisch orientierte moderne Arbeiterinnen und Arbeiter, die in Gemeinschaftswohnungen, den sogenannten Kommunalki, wohnten, das kyrillische Alphabet erlernten, der Religion abschworen und ihre Freizeit mit politischer Arbeit verbrachten. Eugenische oder bioutopische Überlegungen zur Überwindung des Todes sind aus der Türkei nicht überliefert.[14] So unterschiedlich mancher Weg und manche Anstrengung, so gehören sie doch in die fortschritts-, zukunfts- und geschichtsoptimistische Überwindung der Vergangenheit. Dass die Zukunftsgewandtheit hochgradig personalisiert wurde, fügt sich in die Krisen- und Aufbruchsmomente dieser Ära. Die Personenkulte um Lenin, mehr noch Stalin sowie Atatürk waren in der empirischen Ausformung höchst unterschiedlich. Atatürk hatte mit den Sowjetführern nichts gemeinsam außer der Generationszugehörigkeit. Aber der Kult lässt sich als ein Strukturelement der neuen Gesellschaften unter einem „Führer“ (voždʼ, ulu önder) verstehen.[15]

Sollte sich bisher der Eindruck eingestellt haben, die Kemalisten seien die weniger radikalen Neuerer gewesen, so täuscht er. Die Abschaffung des Sultanats, des Kalifats und die Schriftreform griffen tief in das Leben der Bevölkerung ein. Der Laizismus verabschiedete die bisherige religiöse Ordnung. Er war kein Willkürakt europäisierter Intellektueller in der Regierung, sondern der Einsicht geschuldet, dass der Islam im Osmanenreich eine entwicklungshemmende Wirkung hatte. Ihn zurückzudrängen, nicht aber ihn zu zerschlagen, galt als Voraussetzung für eine gedeihliche politische, wirtschaftliche und zivilisatorische Entwicklung. Dazu gehörte der Aufbau eines säkularen Schulwesens. Den Laizismus muss man als Schlussfolgerung aus den Krisen und der fehlenden Konkurrenzfähigkeit des Osmanenreiches auf allen Gebieten verstehen. Die Kleiderreform brachte den Frauen die Freiheit vom Schleier, die viele Bürgerinnen dankbar annahmen. Sie erhielten zuerst das aktive, dann auch das passive Wahlrecht zu einer Zeit, als in einigen europäischen Staaten weder das eine noch das andere am Horizont auftauchte. Sie konnten die Dörfer und die tradierten Verhältnisse verlassen und in den Städten ein neues Leben anfangen.[16] Nicht umsonst wurde Atatürk besonders von Frauen verehrt. Sie wussten, wem sie den Ausweg aus ihrer Unmündigkeit verdankten. Gerade die in den 1920er Jahren begonnenen, sich über Jahrzehnte hinziehenden Emanzipationsmöglichkeiten der Frauen stellen einen der fundamentalsten gesellschaftlichen Wandlungsprozesse dar, den die Türkei im 20. Jahrhundert durchlaufen hat. All das zeigt: Die Umgestaltung der Türkei durch die Kemalisten war eine Revolution „von oben“, welche das Land von Grund auf umkrempelte.

Gravierende systematische Unterschiede

Kemalismus und Bolschewismus entwickelten sich auf zentralen Gebieten höchst unterschiedlich. Entstehung, soziale Zusammensetzung, Größe und Programm der kemalistischen Cumhuriyet Halk Partisi (CHP) und der Kommunistischen Partei in der Sowjetunion weisen keine Gemeinsamkeiten auf. Die CHP hatte ihre organisatorischen Wurzeln in lokalen und regionalen nationalrevolutionären Zirkeln und Verteidigungsgruppen, die sich vorwiegend gegen die griechischen Truppen aufstellten, nachdem diese im Mai 1919 begonnen hatten, Athens Traum von „Großgriechenland“ (Megali Idea) in Anatolien zu verfolgen. Die Elitenkontinuität, die vom Osmanenreich bis in die Republik Türkei reichte, ist auch bei der CHP zu beobachten. Die CHP bestand vorwiegend aus Beamten, Offizieren und Intellektuellen, war also keineswegs repräsentativ für die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung. Man führe sich nur vor Augen, dass Mustafa Kemal (seit 1934 Atatürk) General der osmanischen Armee gewesen war, bevor er den Eid auf den Sultan brach und die nationalistische Bewegung anführte. Die CHP war urban, intellektuell und dezidiert europäisch und blieb dies lange Zeit. Auch quantitativ unterschieden sich die Kemalisten von den Kommunisten in Sowjetrussland erheblich: Zählte die Partei der Bolʼševiki 1921 585 000 Mitglieder, so wussten die Kemalisten weder in diesem noch in den folgenden Jahren, wie viele Mitglieder die CHP hatte. Nach der gründlichsten Untersuchung der Anfangsjahre der Republik hatte die CHP „so gut wie keine Mitglieder“.[17] Die kommunistischen Gegner der Kemalisten bezifferten die Mitglieder im Jahr 1926 auf zwei- bis dreitausend.[18] Mit anderen Worten: Die CHP war ein Parlamentsklub, dessen Mitglieder schon in der osmanischen Zeit in Amt und Würden gewesen waren und nun behaupteten, die Nation zu vertreten. Die Kemalisten beabsichtigten nicht einmal, eine Massenbasis für ihre Partei zu schaffen, weil besonders Mustafa Kemal der Meinung war, eine Ausweitung der Parteimitgliedschaft werde zwangsläufig oppositionelle konservative Kräfte gegen die fundamentalen europäisierenden und modernisierenden Reformen in die Partei spülen. Das Volk zu sich „heraufzuholen“, wie er es einmal ausgedrückt hatte,[19] musste nicht bedeuten, es in die Partei hineinzulassen. Für das Jahr 1938 gilt eine fünfstellige Mitgliederzahl als wahrscheinlich;[20] die Gesamtbevölkerung der Türkei betrug zu diesem Zeitpunkt ca. 15 Millionen. Wenn Nationalismus bedeutete, die Massen in die Geschichte einzuladen, so bildete die kemalistische Türkei eine Ausnahme von dieser Regel.

Ideologisch lagen Welten zwischen Kemalisten und Bolʼševiki. Die Kemalisten nahmen sich erst Anfang der 1930er Jahre Zeit, eine Ideologie auszuarbeiten, der man eine gewisse Kohärenz unterstellen darf. Nicht zufällig sprach Mustafa Kemals enger Weggefährte Şevket Süreyya (Aydemir) acht Jahre nach Gründung der Republik in seinem viel beachteten Vortrag „Die Ideologie der Revolution“ davon, dass der Zeitpunkt zur Bestimmung der revolutionären Prinzipien nun gekommen sei.[21] Das bedeutet nicht, dass es zuvor keine Programmatik der kemalistischen Politik gegeben hatte. Unter den Oberbegriffen türkischer Nationalismus und Europäisierung lassen sich ethnische Homogenisierung, Laizismus, Ausgrenzung von Minderheiten, kulturelle Verwestlichung, Alphabetisierung mit lateinischen Buchstaben und andere Bestandteile des Kemalismus subsummieren. Es fehlte an einem geschlossenen, theoretisch reflektierten Programm. Stattdessen kam das kemalistische Denken in der politischen Praxis zum Ausdruck. Nur der Panturkismus war in den Anfangsjahren der modernen Türkei zu einer Ideologie gereift, aber er blieb eine politische Randerscheinung und wurde von den Kemalisten wegen der impliziten revisionistischen Optionen abgelehnt.[22] Er hätte wegen der turksprachigen Völker in der UdSSR erhebliche Konflikte mit Moskau heraufbeschworen. Das Schicksal des im Ersten Weltkrieg führenden Jungtürken Enver Pascha zeugte davon. Er wurde auf seiner panturkistischen Mission 1922 in der Gegend von Buchara von einer bolschewistischen Kugel niedergestreckt.

Das ideologische Konzept der 1930er Jahre brachten die Kemalisten auf die Formel von den „Sechs Pfeilen“, die fortan als ideologische Grundprinzipien galten und bis heute Parteisymbol sind. 1931 wurden sie ins Parteiprogramm der CHP aufgenommen, 1937 in die Verfassung: Cumhuriyetçilik (Republikanismus), devletçilik (Etatismus) und inkılapçılık (Reformismus) bezogen sich auf die staatliche Ordnung, laiklik (Laizismus) auf die gesellschaftliche, milliyetçilik (Nationalismus) und halkçılık (Volkstum) auf die politische Ideologie. Jede kemalistische Darstellung von Staat und Gesellschaft hebt diese Prinzipien hervor.[23]

Die ideologische Entfernung zum Bolschewismus zeigt sich am besten, wenn man die Bolʼševiki selbst zu Wort kommen lässt. Sie sahen keine Gemeinsamkeiten zwischen dem Sowjetstaat und der „nationalbürgerlichen“ Republik Türkei: Diese befinde sich im Stadium der bürokratischen und halbbürgerlichen Revolution oder gar im Übergang „vom monarchischen Satrapismus zur bürgerlichen Demokratie im Osten“.[24] So schematisch manche Würdigung ausfiel, korrekt war die Einschätzung, die Kemalisten könnten an der „demokratischen Befreiung der Volksmassen“ kein Interesse haben, wohl aber an einer kapitalistischen Entwicklung, die sie und den Staat zu Unternehmern machte. Je länger die Sowjetunion existierte, desto mehr drifteten in den Augen der Bolʼševiki beide Regime auseinander. Ungeachtet einer soliden Türkeiforschung in Russland und der frühen Sowjetunion[25] legte Stalin schließlich die Linie fest, wie die Türkei einzuschätzen sei. Der Nationalitätenfachmann der Bolʼševiki verteufelte die „Kemalistenregierung“ und sah sie mit den Trotzkisten und Sinowjewisten im Bunde „gegen Arbeiter und Bauern“ kämpfen.[26]

Welche Arbeiter? Da es kaum Industrie in der Türkei gab, war die Zahl der Industrie-arbeiter verschwindend gering. Das Land hatte keine Industrialisierung wie das Zarenreich durchlaufen. Die Türkei nach dem Ersten Weltkrieg war selbst im Verhältnis zu Russland nach dem Bürgerkrieg ein rückständiges Land. Nur ein Beispiel: Das erste Stahlwerk der Türkei wurde mit sowjetischer Unterstützung 1937 in Karabük (zentralanatolische Schwarzmeerregion) errichtet. Es handelte sich um eine wirtschaftlich wenig sinnvolle politische Standortentscheidung. Die Verantwortlichen wollten bewusst mit dem traditionellen Bild der Türkei brechen, indem sie es in der Gegend des Städtchens Safranbolu erbauen ließen. Heute ist das osmanische Kleinod UNESCO-Weltkulturerbe, das Stahlwerk nicht. Die Maßnahme entsprach dem von Ernest Gellner auf den Punkt gebrachten Widerspruch von Nationalisten in der ganzen Welt, die von den grünen Wiesen der Heimat faseln und ein Stahlwerk darauf bauen.[27] Eine im Vergleich zur stalinistischen schwache Industrialisierung setzte in der Türkei erst in den 1930er Jahren ein. Man muss sich die Türkei nach zehn Jahren Krieg (Balkankriege, Erster Weltkrieg, Bürgerkrieg) als wirtschaftlich niedergeworfen vorstellen. Die geringe wirtschaftliche Erholung wurde durch die Weltwirtschaftskrise weitgehend zunichte gemacht. Währungskrise, Staatsverschuldung, geringe Produktivität der dominierenden Landwirtschaft, geringe Technisierung, Preisverfall, Devisenmangel, unausgeglichene Handelsbilanz – das waren einige der wirtschaftlichen Probleme der Türkei rund zehn Jahre nach der kemalistischen Revolution.[28] Kurz: Eine Schwerindustrie existierte bis zum Zweiten Weltkrieg nur in „zarten“ Anfängen, das Land war wirtschaftlich nicht in der Lage, sich in einem Krieg gegen industrialisierte Mächte zu verteidigen, von einer modernen Industriegesellschaft war die Türkei auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch meilenweit entfernt.

Das Gesellschaftsmodell des Bolschewismus war grundverschieden von dem des Kemalismus. Das Ziel der klassenlosen Gesellschaft zu erreichen, stellte sich zwar selbst für die sowjetischen Gesellschaftstechnokraten als unmöglich heraus. Aber als Stalin 1936 den Sozialismus proklamierte und die nach 1918 und 1924 dritte Verfassung den rechtlichen Rahmen dafür beschrieb, dem die Wirklichkeit jedoch nicht zu folgen vermochte, existierten zwar noch Klassen, aber sie standen nach Auslegung der Zeitgenossen nicht länger antagonistisch zueinander. Der Kemalismus hingegen argumentierte nicht sozialistisch, sondern nationalistisch. Er akzeptierte Klassen. Um Klassenkonflikte zu bändigen, entwickelte er die Idee des devletçilik (Etatismus), nach der der Staat, die Wirtschaft und die Gesellschaft so organisiert wurden, dass Elemente von Liberalismus, Kapitalismus und Sozialismus nebeneinander existierten. Ziel war es, soziale Konflikte in nationale Harmonie zu transzendieren. 1923 beschrieb Mustafa Kemal seine Vorstellung von Gesellschaft:

"Unser Volk besteht nicht aus Klassen, deren materielle Interessen einander gegenüberstehen. Im Gegenteil, es besteht aus Klassen, die sich füreinander interessieren und zusammenarbeiten wollen."[29]

Auf die Idee, den kemalistischen Etatismus für eine Form des Sozialismus zu halten, kamen nur ein paar westliche Kommentatoren. Die gründlichste Untersuchung dazu aus der Feder des sowjetischen Ökonomen Nikolaj G. Kireev spricht dem Etatismus jegliche Nähe zum Sozialismus ab und erläutert ihn als eine in der linken Theorie nicht vorgesehene Form des Staatskapitalismus.[30] Vor diesem Hintergrund lässt sich devletçilik definieren als eine auf dem Kapitalismus beruhende wirtschaftliche Entwicklungsstrategie für das agrarische und von Kriegen geschundene Land, mit deren Hilfe die zwangsläufigen Modernisierungsfolgen wie große soziale Differenzierung, Verteilungskämpfe und Interessenkonflikte zugunsten einer einheitlichen nationalen Gesellschaft vermieden werden sollten, um die Macht der kemalistischen Elite nicht zu gefährden. Während des Zweiten Weltkriegs verstärkte sich die Tendenz zum Etatismus, da die Türkei ungeachtet dessen, dass sie ihre prekäre Neutralität bewahren konnte, schwere kriegsbedingte wirtschaftliche Probleme zu bewältigen hatte. Aus diesem Grunde sprach 1948 ein türkischer Ökonom davon, der Staat sei zum dominanten und allmächtigen Unternehmer geworden.[31]

Was das türkische Modell der wirtschaftlichen Entwicklung anbelangt, so hat es große Gemeinsamkeiten mit den modernisierungstheoretischen Überlegungen des emigrierten russischen Ökonomen Alexander Gerschenkron. In seiner Substitutionstheorie kompensiert der Staat die Schwächen der Kapitalakkumulation, Infrastruktur, Rohstoff­erschließung und des Marktes.[32] Die Dominanz des interventionistischen Staates bestätigt Kireevs Urteil, dieser Etatismus müsse notwendig autoritär sein.[33] Eine Landreform gehörte übrigens nicht zum Programm der Wirtschaftsentwicklung. Es gab in der Türkei weder eine bäuerliche Revolution noch eine Umwandlung der Landwirtschaft in kollektive Wirtschaftsformen. Die türkische Gesellschaft war von sozialistischer Gleichheitsideologie weit entfernt. Der begüterte Bauer, der als „Kulak“ zu einem der elementaren Feindbilder der sowjetischen Propaganda und Opfer der Kollektivierung der Landwirtschaft wurde, war in der Türkei händeringend gesucht, noch mehr der Unternehmer. In diesem Sinne sind Mustafa Kemals Worte auf dem ersten Wirtschaftskongress der neuen Türkei 1923 in Izmir zu verstehen: „Wie viele Millionäre haben wir? Nicht einen“, und er schloss daraus: „Wir werden dafür sorgen, dass viele Millionäre, sogar Milliardäre, in unserem Lande heranwachsen.“[34] Für einen solchen Satz wäre er in der Sowjetunion erschossen worden.[35]

À propos erschießen. Es gab keine Tscheka[36] und keinen Gulag in der Türkei. Es wäre ein gravierendes Missverständnis, würde man die Millionen Opfer der bolschewistischen Verfolgungen zwischen 1917 und 1953, die über Jahrzehnte fortgesetzte Barbarei des Bolschewismus in irgendein Verhältnis zu den Vorgängen in der Republik Türkei setzen. Massenverhaftungen, Massenmorde, Erschießungs- und Verhaftungsquoten wie 1937, völliges Ausgeliefertsein von Angeklagten an die Strafverfolgungsorgane, Folter und Denunziationen en masse, völlige Rechtlosigkeit der Terroropfer, die Schutzlosigkeit des Individuums gegenüber Willkürentscheidungen der Führungsclique um Stalin und Potentaten aus Partei, Staatsanwaltschaft und Geheimdienst existierten in der Türkei nicht. Bei Atatürks Tod saßen nicht wie bei Stalins Tod 2,5 Millionen Bürger in den Lagern. Der „Vater der Türken“ unterschrieb auch keine Todeslisten. Auch in dieser Hinsicht unterscheiden sich die beiden Regime grundlegend.

Diese Feststellung gilt auch, obwohl die türkische Republik während ihrer Entstehung und nach ihrer offiziellen Gründung 1923 politische Gegner verfolgte und verhaftete. Einige kamen auch zu Tode, darunter im Januar 1921 die 16 Personen umfassende Führungsgruppe türkischer Kommunisten, die im Schwarzen Meer ertränkt wurde.[37] Während des sogenannten „Unabhängigkeitskrieges“ (kurtuluş savaşı) von 1920 bis 1922 existierten vierzehn „Unabhängigkeitsgerichte“ (istiklâl mahkemeleri); zwischen 1925 und 1929 wurden diese außerordentlichen Organe erneut eingerichtet.[38] Die Sondergerichte kannten weder Staats- noch Rechtsanwalt, die Richter waren Abgeordnete des türkischen Parlaments. Ihre Hauptaufgabe bestand in der Bekämpfung der uferlosen Desertion. Insgesamt 240 politische „Straftäter“ wurden zum Tode verurteilt.[39] Diese Gerichte mit den Revolutionstribunalen oder der Geheimpolizei der Bolʼševiki gleichzusetzen, verbietet sich nicht nur wegen der Zahl der Todesurteile. Auch hatten die „roten Gerichte“ und „Organe“ angesichts der systematischen Zerschlagung der Justiz und des Rechts weitaus größere Kompetenzen zur Verfolgung und Repression oppositioneller oder missliebiger Menschen.

Gewalt- und repressionsfrei war die Türkei keineswegs. Die Verbindung von Nationalismus und Gewalt existiert bis heute. Sie ist älter als die Republik Türkei. Zu einem makabren Höhepunkt kam es im Ersten Weltkrieg 1915, als Armenier und syrische Christen im Osmanenreich Opfer der Gewalt wurden. Ethnische Säuberung gehört zur Geschichte des türkischen Bürgerkrieges. Nach heutigem Wissen lässt sich nur sagen, dass allein die Juden sich nicht an dem äußerst grausamen Gemetzel beteiligten. Bezeichnend sind die Beobachtungen von Michail Frunze, der während des türkischen Bürgerkrieges durch Anatolien reiste. Der sowjetische General, selbst einer der wichtigsten Verantwortlichen im extrem blutigen Bürgerkrieg, in dem „Russland in Blut gewaschen“ wurde,[40] der genug erlebt hatte, um zu wissen, was Brutalität war, notierte in seinen Aufzeichnungen, in Anatolien seien die Umstände eines „viehischen nationalen Kampfes“ zu beobachten, bei dem „ein Volk vollständig über das andere herfällt und weder Geschlecht noch Alter schont und weder Mitgefühl noch Barmherzigkeit kennt“. Allgegenwärtig seien „Tod, Zerfall und ununterbrochenes wildes Entsetzen“.[41]

Dass in Bezug auf das Gewalthandeln der Herrschaft zwischen Bolschewismus und Kemalismus eine Kluft besteht, gilt trotz der brutalen Niederschlagung des kurdischen Aufstands 1925.[42] Die Verhaftungs- und Mordaktionen in der stalinistischen Sowjetunion 1937/1938 auf der Grundlage des Geheimbefehls Nr. 00447 sowie gegen Koreaner und Polen in der Sowjetunion einerseits und die blutige Niederschlagung des Aufstands alevitischer und den Minderheitsdialekt Zaza sprechender Kurden im Gebiet Dersim andererseits fanden zufällig zur gleichen Zeit statt, stehen aber in keinerlei Beziehung.[43]

Das Problem der Gewalt stellt sich anders: Bürgerkrieg, ethnische Gewalt und Säuberungen, flächendeckende bewaffnete Konflikte, paramilitärische Einheiten, Veteranen und Deserteure mit Waffen, Gewalterfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg und dem Bürgerkrieg, der Kollaps der alten Ordnung, das (Noch)Nichtfunktionieren des neuen Staates mit zahlreichen dezentralen Gewaltinstitutionen, Sondergerichte mit Todesurteilkompetenz jenseits jeder rechtsstaatlichen Ordnung, vom Krieg verheerte Städte und Landstriche, wirtschaftlicher Zusammenbruch, Vertreibungen und Massenmord sowie Täter, die nie belangt wurden – all das gehört zur Gründungsgeschichte der Türkei und Sowjetrusslands. Der kemalistische Staat hat dieses Erbe jedoch weitaus besser bewältigt als die Sowjetunion.[44] Nicht, dass er friedlich und repressionsfrei gewesen wäre, eine solche Vorstellung ginge weit an der Realität vorbei, aber einen Terrorstaat wie in der Sowjetunion haben die Kemalisten nicht geschaffen.

Dafür gibt es mehrere Gründe, unter denen die Achtung von Recht und Gesetz nicht der geringste ist. Während die Bolʼševiki das bürgerliche Recht und die bestehende Justiz verachteten und sie in den ersten Tagen nach der Revolution systematisch zerstörten, übernahmen die Kemalisten Recht aus Europa. 1926 führte die Regierung das Zivilgesetzbuch und die Zivilprozessordnung aus der Schweiz ein. Das liberale italienische Strafrecht, der Codice Zanardelli von 1889, ersetzte die letzten Reste der Scharia, die bereits in osmanischer Zeit bis auf das Familienrecht verschwunden war. Die türkische Bearbeitung des Codice tilgte übrigens die Strafen für Homosexualität und Prostitution, die in der Türkei straffrei blieben. Die Strafprozessordnung übernahmen die Kemalisten aus Deutschland.[45] Allerdings übernahm das türkische Parlament auch die von den Faschisten seit 1930 eingeführten Novellen im italienischen Strafrecht (Codice Rocco).[46] 1936 änderte es 146 Artikel des Strafgesetzbuches und erweiterte die Verhängung der Todesstrafe im Bereich des Staatsschutzes.[47] Die „staatsschützende“ Justiz blieb seitdem ohne Unterschied der Regierungen ein Bestandteil des türkischen Staates.

Unabhängig von der strafrechtlichen Bewehrung des Staates hat der vor den Nazis in die Türkei emigrierte Rechtswissenschaftler Ernst Hirsch über die respektable Juristenausbildung und die rechtsstaatliche Kodifizierungsarbeit in der kemalistischen Türkei berichtet. Hirsch prägte das Rechtssystem der Türkei entscheidend mit und wurde Anfang der 1950er Jahre als juristischer Entwicklungshelfer an die Freie Universität Berlin geholt.[48] Es ist weder überliefert, dass die Sowjetunion auf die Kenntnisse „bürgerlicher“ Rechtswissenschaftler zurückgegriffen hätte, um die Herrschaft des Rechts zu festigen, noch dass dem Rechtstheoretiker und Stalins Generalstaatsanwalt Andrej Vyšinskij eine ähnliche Ehre wie Ernst Hirsch zuteil geworden wäre.

Die Sowjetunion trat in die imperialen Fußstapfen des Zarenreiches. Aus welchen Gründen und mit welchen Unterschieden muss an dieser Stelle nicht dargelegt werden, aber ein Blick auf die Landkarte in den zeitlichen Abständen 1918, 1924, 1940 und 1945 reicht aus, um das „Sowjetimperium“, wie es nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinen „drei Ringen“[49] der territorialen Expansion bestand, unzweifelhaft zu erkennen. Die kemalistische Türkei hingegen verabschiedete sich von jeder expansionistischen Politik oder einem Revisionismus. Die panturkistischen Bestrebungen wurden zu keiner Zeit Grundlage der türkischen Außenpolitik. Der bis 1974 einzige territoriale Zugewinn war der Sandschak Alexandrette um die Stadt Antakya/Antiochien, der 1938 – zuvor französisches Mandatsgebiet – durch Volksabstimmung auf friedliche Weise der Republik Türkei angegliedert wurde und den bis heute gültigen Namen Vilayet (Bezirk) Hatay erhielt.[50]

Ein kurzer Blick auf die Nachkriegszeit schließlich hebt einen nicht zu unterschätzenden Unterschied hervor. Die kemalistische CHP trat 1950 friedlich und durch demokratische Wahl als dominante politische Kraft von der historischen Bühne ab. Ein solches Szenario ist für diese Zeit für den Bolschewismus und die Kommunistische Partei der Sowjetunion schlicht undenkbar. Erklären lässt sich dieser Unterschied mit der politischen Haltung der Kemalisten, dem mittlerweile etablierten politischen System, dem Mehrparteiensystem, ja der Existenz einer sich politisch äußernden und organisierenden Gesellschaft überhaupt. Für den demokratischen Wandel waren die inneren Faktoren bedeutender als der Druck der Amerikaner und der in Aussicht gestellte, 1952 vollzogene NATO-Beitritt.[51] Um den Unterschied zwischen der Sowjetunion und der Türkei auf dem Gebiet der Demokratie zu markieren, muss man sich nur verdeutlichen, dass das neue türkische Wahlrecht von 1946 den Wahlberechtigten, Männern und Frauen, erlaubte, direkt und frei zwischen 24 unterschiedlichen Parteien zu wählen.[52] Wenn bei der Wahl zur Nationalversammlung 1950 88 Prozent der Wahlberechtigten abstimmten und die Kemalisten 39,9 Prozent der Stimmen für sich verbuchen konnten, während die oppositionelle Demokrat Partisi (Demokratische Partei, DP) 53,6 Prozent gewann, dann ist das Urteil des Orientalisten Bernard Lewis berechtigt, es habe sich bei diesem Wahlergebnis um ein Plebiszit gegen die Kemalisten gehandelt.[53] Die Bürger der Türkei konnten über politische Alternativen abstimmen und die seit 1923 regierende CHP abwählen. Die Kemalisten hatten zwar die überlebenswichtige Neutralität der Türkei im Zweiten Weltkrieg gesichert, den Frieden aber verloren sie.

Zäsur, Neubeginn und Kontinuitäten in Russland nach 1991

Das historische Schicksal des Kommunismus hat der Kemalismus nicht erlitten. Er blieb bis in die jüngste Vergangenheit die leitende politische Idee in der Türkei. Der grundsätzliche Unterschied zu Russland tritt dadurch zu Tage. Der Zusammenbruch des politischen und wirtschaftlichen Modells Sowjetunion darf als vollständig angesehen werden. Optimisten jedoch meinen, Oktoberrevolution und Sowjetsozialismus hätten in „Drittweltländern“ noch „eine lange Geschichte vor sich“.[54] Mit guten Gründen lässt sich hingegen behaupten, dass mit der Sowjetunion ein alternativer Modernepfad kollabiert ist.[55] Es ist bezeichnend, dass der Sowjetsozialismus 1989/91 wegen einer schwerwiegenden Krisenkumulation vollständig zusammenbrach, während in unserer Gegenwart der Kemalismus unter den Bedingungen des politischen Pluralismus von innen zerstört und ein restauratives Kulturregime errichtet wird.

Zunächst ist ein schlichtes chronologisches Faktum festzuhalten: Das postsowjetische Russland befindet sich seit 1991 in einem Prozess der Neuformierung, den man mit aller gebotenen Vorsicht als vorläufig abgeschlossen betrachten darf, während die Türkei zur Zeit einen Prozess durchläuft, an dessen Ende der Kemalismus zerstört sein könnte. Das heutige autoritäre politische System in Russland als Verlängerung der Sowjetunion zu sehen, wäre eine groteske Verzerrung der Geschichte. Die Schwierigkeit beim Blick auf Russland besteht darin, die Aspekte zu identifizieren, die als Erbe der Sowjetunion gelten können. Autoritäre Regime gleichen sich in der politisch abhängigen Justiz, Gleichschaltung der Medien, Propaganda von offiziellen „Wahrheiten“, Repression Andersdenkender, Verfolgung und Ausschaltung gesellschaftlicher Selbstorganisation oder Personalisierung von Herrschaft. Was davon spezifisches Erbe ist, lässt sich schwer bestimmen.[56]

Wiederbelebt wurde die Tradition des autoritären, illiberalen und antiwestlichen Staates, der sich institutionell auf eine Machtsäule der verblichenen Sowjetunion stützt – den Geheimdienst. Als Tscheka 1918 gegründet,[57] ist sie die einzige zu Sowjetzeiten eingerichtete wichtige Institution, die den Kollaps von 1991 ohne Bedeutungsverlust überstand. Auch in Diktaturen ist es ungewöhnlich, dass Geheimdienstchefs in das politisch wichtigste Amt gelangen, in der Sowjetunion aber wurde Jurij Andropov 1982 vom KGB-Chef zum Generalsekretär der KPdSU befördert. Mit Putin kam erneut ein Geheimdienstler an die Macht. Nicht die Personalie ist entscheidend, sondern der Aspekt der Macht des Apparats während der Neuformierung des Staates.

Gleichzeitig ist in Erinnerung zu rufen, dass der Kollaps der Sowjetunion im Dezember 1991, im Grunde schon der Putsch konservativer und imperialer Kräfte im August 1991, ein „Alles ist möglich“[58] bedeutete. Der Weg in den autoritären Staat verlief nicht schnurstracks von der Sowjetunion in das „Putin-System“, sondern nahm den Umweg über einen in Russland um 1905 aufgelebten, dann untergegangenen, nach 1991 aber chaotischen politischen Liberalismus und einen katastrophal sich auswirkenden Kapitalismus, ohne den das heutige Regime nicht zu verstehen ist.[59]

Dass der autoritäre Staat Oppositionelle verfolgt und dabei Verfahren anwendet, die aus Sowjetzeiten bekannt sind, bedeutet nicht, dass Repressions- und Strafpraktiken spezifisch sowjetisch sind. Verhaftungen aufgrund vordergründiger Anklagen, ausgedehnte Untersuchungshaft oder menschenverachtende Gefängnisregime finden auch woanders Anwendung. Das heutige Russland ist von den stalinistischen Praktiken weit entfernt, der Repressionscharakter des Regimes aber besteht fort. Allerdings stellt sich diese Unterscheidung aus der Sicht der Betroffenen als ziemlich akademisch dar. Für sie ist die Kontinuität der Repression und des gewaltförmigen Staates entscheidend, insbesondere dann, wenn sie die Sowjetunion als Repressionsstaat selbst erlebt haben. Nicht die Machtpraktiken sind spezifisches Erbe der Sowjetunion, sondern das, was die Zeitgenossen, Opfer des Regimes, Machtakteure und der Typus des homo sovieticus[60] als Kontinuität konstituieren. Das erweist sich als heterogen. Die Erfahrung von Unterdrückung und Gewalt gehört dazu,[61] aber auch die Sehnsucht einiger – immer älter werdender – Bevölkerungskreise nach der vergleichsweise wohlhabenden sozialistischen Gesellschaft der ersten Brežnev-Jahre, abzulesen an Meinungsumfragen und zahlreichen Petitionen,[62] ebenso die Selbststilisierung der personalisierten Macht als einer gerechten Herrschaft.[63]

Zu den Kontinuitäten gehören drei weitere Aspekte: erstens die Schwäche der Zivilgesellschaft, die kaum Möglichkeiten hatte, sich kräftig zu entwickeln, andererseits aber eine Wirkung entfaltet, die sich umgekehrt proportional zu ihrer Quantität verhält, besonders dank der sozialen Medien und westlicher Resonanzverstärker; zweitens die imperiale Dimension der neuen russischen Politik; drittens die Instrumentalisierung der Geschichte zu Legitimationszwecken. Hier jedoch bieten sich Anknüpfungspunkte mit „Erdoğanistan“.

Die Konterrevolution des Erdoğan-Regimes

Der Kemalismus blieb bis in die jüngste Vergangenheit die leitende politische Idee in der Türkei. Er hat als Entwicklungsmodell keinen Schiffbruch erlitten und gravierende Entwicklungsblockaden verursacht wie sein ungleicher bolschewistischer, genauer stalinistischer Bruder. Der Kemalismus war die Voraussetzung für eine insgesamt atemberaubende Entwicklung der Türkei seit dem Niedergang des Osmanenreiches, die gleichwohl nicht alle Gebiete der Türkei und alle Bevölkerungsteile einbezog. Wenn man die sehr rückständige Agrargesellschaft von 1918 mit dem heutigen Zustand der Türkei vergleicht, dann wird das enorme Ausmaß der Entwicklungspotentiale dieser Gesellschaft und dieses Landes deutlich. Es gibt keinen Grund, die dunklen Seiten dieser Entwicklung zu beschönigen und die Erfolge im Duktus des Triumphes zu betrachten. Mit vergleichendem Blick auf die Sowjetunion mit ihren fruchtbaren Böden und ihren immensen Bodenschätzen muss man jedoch die weitaus schlechteren Entwicklungsvoraussetzungen der Türkei berücksichtigen und vor diesem Hintergrund die historische Bedeutung des Kemalismus würdigen.

Wenn der Kemalismus in erster Linie eine Kulturrevolution darstellte und keine sozioökonomische, dann liegt der Schluss nahe, dass seine historische Leistung auch in diesem Bereich gesehen werden muss. Das Erdoğan-Regime treibt hingegen eine Konterrevolution als Kultur-re-volutio im ursprünglichen Sinn des Zurückwendens voran, welche die zentralen Bausteine des Kemalismus attackiert und damit das gesamte bisherige Entwicklungsmodell bedroht.

Was vom Kemalismus übrig bleibt, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf zweierlei Weise beschreiben: zum einen mit Hilfe der Worte und Taten des Erdoğan-Regimes; zum anderen in Langzeitentwicklungen, die nicht von der kurzfristigen Politik eines Regimes abhängig sind.

In der Türkei zeigt sich ein scheinbares Paradox. Recep Tayyip Erdoğan, von März 2003 bis August 2014 Ministerpräsident, seitdem Präsident der Republik Türkei, tritt vor Atatürk-Porträts auf und dokumentiert bis heute symbolisch seine Verbindung zu dieser herausragenden Gestalt der türkischen Geschichte. Was auf den ersten Blick nach Kontinuität aussieht, ist eine Täuschung. Denn spätestens nach dem Gegenputsch der Regierung gegen den dilettantischen Staatsstreich einiger Armeeoffiziere am 15./16. Juli 2016 und nach der Etablierung der „Präsidenten-Demokratie“ am 24. Juni 2017 verfolgt Erdoğan mit der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (Adalet ve Kalkınma Partisi, AKP) eine Politik, die eine offene Konterrevolution gegen den Kemalismus darstellt und vorgibt, demokratisch legitimiert zu sein.

Die demokratischen Grundlagen der Republik Türkei haben die Kemalisten in der Einpartei-Periode von 1923–1946 häufig genug mit Füßen getreten. Diese Grundlagen gehörten aber zum Arsenal des politischen Verhaltens der Kemalisten. Ihre Abwahl 1950 beweist es. Ob die Türkei seit diesem Jahr eine Demokratie war, ist diskutabel. Vor allem linke türkische Kreise stellten diese Bezeichnung nachdrücklich in Abrede, die Rechten hingegen, etwa die „Grauen Wölfe“, hatten nie Geschmack an Demokratie und Pluralismus gefunden. Die Militärputsche 1960, 1971, 1980 und die „Militärintervention“ 1997 – vom Putschversuch 2016 abgesehen – zeugen ebenfalls von einem zweifelhaften Demokratieverständnis, da die Generäle Regierungen verjagten, die vom Volk gewählt worden waren.

Aber nicht alle Putschisten wollten die Diktatur. So war die Verfassung des Militärs von 1961 auf einem vergleichbaren Niveau mit denen der westeuropäischen Staaten. Fast alle für einen Rechtsstaat erforderlichen Prozeduren und Institutionen waren verfassungsrechtlich verankert. Eine unabhängige Gerichtsbarkeit wurde geschaffen, welche die Geltung des Rechtsstaats in einem Maße garantieren sollte, dass der Rechtswissenschaftler Hirsch in seinem Kommentar zur Verfassung von 1961 die Türkei als „Richterstaat“ charakterisierte.[64] Darüber hinaus erstickte die von den Putschisten „verbesserte“ Demokratie keineswegs den gesellschaftlichen Aufbruch. Im Gegenteil: Er kam erst seit dieser Zeit in Gang und legte von der liberalen Stimmung jener Jahre Zeugnis ab.[65] Gleichzeitig vollzog sich in der türkischen Gesellschaft ein fundamentaler Wandel, der durch Bevölkerungswachstum, Bildungsaufschwung, Urbanisierung und Wirtschaftsentwicklung hervorgerufen wurde. Dadurch entstand aber auch eine politische Radikalisierung im rechten und im linken Lager, die autoritären Tendenzen starken Vorschub leistete.[66] Das gewalttätige, in der zweiten Hälfte bürgerkriegsähnliche Dezennium 1970–1981 beweist, dass der europäisierende Kemalismus sein Ziel einer harmonischen Gesellschaft weit verfehlt hatte. Zugleich fügte sich die Türkei in das Terror- und Gewaltjahrzehnt in Italien, Deutschland, Nordirland, Korsika sowie im Baskenland ein. In dem Moment, als die türkische Gesellschaft sich sozial und politisch differenzierte, brach die kemalistische Vorstellung einer etatistisch konfliktgebändigten Gesellschaft in sich zusammen. Diese Vorstellung erwies sich als Illusion, welche die von den Kemalisten verursachten Modernisierungsfolgen nicht zu kontrollieren vermochte.

Die 1970er Jahre bewiesen auch, dass die Demokratie in der Türkei weder institutionell noch gesellschaftlich in einer Weise gefestigt war, dass antidemokratische Kräfte chancenlos geblieben wären. Radikale politische Kräfte von links und rechts, die vor Terror und massiver Gewaltanwendung nicht zurückschreckten, trugen dazu bei, dass der Kampf des Staates gegen seine Gegner alles andere als demokratisch ablief. Quantitativ sind die schätzungsweise sechstausend Toten im Bürgerkrieg der 1970er Jahre deutlich höher als in anderen terroristischen Konflikten.[67] Welcher Staat und welche Gesellschaft wären unbeschädigt aus einer solch massiven militanten politischen Krise hervorgegangen? In der Türkei wurde dieser Bürgerkrieg zwischen rechts, links und dem Staat noch überlagert vom Krieg des türkisch-nationalistischen Staates gegen die Kurden und die nicht zufällig im Gewaltjahrzehnt gegründete „Arbeiterpartei Kurdistans“ PKK. Zu diesem Bild gehört aber auch, dass wichtige demokratische Institutionen wie das Parlament, regionale und lokale Wahlen, daraus hervorgehende Ämter sowie eine eher weniger als mehr ausgeprägte Gewaltenteilung das demokratische Fundament bildeten, das weder durch Militärputsche noch durch das Dezennium der Gewalt untergraben wurde. Die putschenden Militärs hatten die Überwindung der Demokratie auch gar nicht beabsichtigt, weil das Offizierskorps sich als Sachverwalter des Kemalismus verstand und seine Aufgabe in der Wiederherstellung der vermeintlich bedrohten laizistischen Republik sah.[68] Das Erdoğan-Regime hat mit den im Sommer 2016 einsetzenden Repressionen also keine wehrhafte und gefestigte Demokratie angegriffen, sondern eine traditionell labile Demokratie in eine antidemokratische Richtung gelenkt.

Nun ist das Verhältnis der AKP zur Demokratie widersprüchlich. Als nationalistische und religiös-islamische Partei war sie darauf angewiesen, große Bevölkerungsteile für ihre Ziele zu mobilisieren. Das hatten die Kemalisten versäumt, als sie ihr elitäres europäisches Modernisierungsprogramm als Revolution „von oben“ durchführten. Seit 1950 aber spielt die Bevölkerung mit ihrem Stimmverhalten bei Wahlen eine entscheidende Rolle. Es war nur eine Frage der Zeit, bis eine Partei beginnen würde, sich nicht nur programmatisch als Volkspartei zu deklarieren, sondern es organisatorisch auch zu sein.

Es wundert daher nicht, dass die AKP in den ersten Jahren nach ihrer Gründung 2001 als demokratische Partei nicht nur wahrgenommen wurde, sondern es auch sein musste. Von Erdoğan ist das Wort überliefert, Demokratie sei lediglich ein Zug, den man besteige, um zum Ziel zu kommen.[69] Das Malmot markiert die Wende von der sozial und organisatorisch bedingten Volkspartei zur autoritären Führerpartei, die ungeachtet oder wegen dieses Wandels mehr als die Hälfte der Wahlbevölkerung hinter sich weiß. Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich am Beispiel der Türkei studieren, wie eine labile und wehrlose Demokratie unter Berufung auf den Volkswillen in eine Diktatur abgleitet. Ohne die Unterstützung und Zustimmung der Massen wäre dies nicht möglich gewesen. An der kemalistisch geprägten Türkei zeigt sich daher ein allgemeines demokratietheoretisches Problem: Die Demokratie hat kaum Möglichkeiten, ihrer auf demokratischem Wege legitimierten Abschaffung entgegenzuwirken. Tut sie es, setzt sie sich dem Verdacht aus, nicht demokratisch legitimiert zu handeln. Beschließt die Regierungspartei mit der Wählermehrheit im Rücken, die Demokratie zu eliminieren, ist es um letztere geschehen, nicht aber um die Regierung und Partei. An die Stelle der Demokratie tritt in der Regel der starke Staat, wie es auch das Beispiel Türkei zeigt.

Autoritär waren auch die Kemalisten. Im Ausnahmezustand 1925 bis 1929 hatten sie wichtige Reformgesetze erlassen, die der modernen Türkei ihr Gesicht gaben. Den Widerstand opponierender politischer Kreise und von Teilen der Bevölkerung schlugen sie nieder. Das Erdoğan-Regime kopiert dieses Verfahren beim heutigen Versuch, die türkische Republik nach den Vorstellungen der AKP umzubauen. Es vollführte die Konterrevolution unter den Bedingungen des Ausnahmezustands, der nach dem Gegenputsch der Regierung gegen den Staatsstreich vom 15./16. Juli 2016 in Kraft trat und nach der Präsidentschafts- und Parlamentswahl am 18. Juli 2018 durch Nichtverlängerung auslief. Vom Procedere her handelt es sich um die Machttechnik des Kemalismus ohne die Inhalte des Kemalismus.

Es wäre wirklichkeitsfremd, die Konterrevolution unter Verweis auf den Ausgang des Verfassungsreferendums vom 16. April 2017 sowie die Präsidenten- und Parlamentswahl 2018 als von den Stimmzetteln legitimiert zu betrachten. Jeder derartige Gedanke verkennt, dass die neue Ordnung unter den Bedingungen des Ausnahmezustands, politischer und kultureller Repressionen, Säuberungen, Massenverhaftungen, Denunziationen, Gesinnungsschnüffelei, Regierungspropaganda und Ungleichheit des politischen Wettbewerbs zustande kam. Man vergesse nicht, dass das Erdoğan-Regime während des Gegenputsches im Herbst 2016 gewählte Abgeordnete der Oppositionspartei Demokratische Partei der Völker (Halkların Demokrat Partisi, HDP) verhaften ließ, darunter den Vorsitzenden Selahattin Demirtaş. Während dieser Text abgeschlossen wurde (Stand: 15.11.2018), saß er noch immer ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis.

Würde die AKP im Falle eines Wahlsieges der Opposition die Macht friedlich abgeben, wie es 1950 die kemalistische CHP tat? Diese Frage ist obsolet, weil die politische Macht unterdessen beim Präsidenten liegt. Deswegen bedarf es ja auch nicht mehr des Ausnahmezustands. Die Frage muss seit dem 24. Juni 2018 also lauten: Würde Erdoğan wie die Kemalisten die Macht friedlich abgeben? Die Antwort muss nicht in Spekulation enden. Es reicht, ein wenig zurückzublicken. Als die AKP bei der Parlamentswahl am 7. Juni 2015 die absolute Mehrheit verlor, brach Präsident Erdoğan sofort die Friedensgespräche mit der PKK ab (u.a., da sein Kalkül, die Stimmen der Kurden zu erhalten, nicht aufgegangen war), überzog das Land mit einem nationalistisch aufgeheizten Krieg gegen die Kurden und ließ nach nicht einmal fünf Monaten erneut wählen. Diesmal „stimmte“ das Ergebnis. Kurz: Staatsterror, Gewalt und Krieg erzeugten die Unsicherheit in der Wahlbevölkerung, die sich zugunsten der AKP und der Illusion vom starken Mann als Ordnungsstifter auswirkte. Die beiden Wahlen 2015 zeigten: Sicherheit, Wohlstand, Frieden sind der ärgste Feind der AKP und des Erdoğan-Regimes.

Dass die Konterrevolution gegen die demokratischen Grundlagen der Türkei vorerst erfolgreich war, lag auch an der Ausschaltung des Militärs als politischer Faktor. Für die Volkspartei AKP war es notwendig, die politische Bedeutung der Obristen zu beenden. Im Ergenekon-Prozess in den Jahren 2007–2013, in dem die Mitglieder einer angeblichen Verschwörung gegen den Staat vor Gericht kamen, gelang es mit Hilfe der Justiz, zahlreiche Offiziere bis hin zum ehemaligen Generalstabschef der Verschwörung gegen den Staat anzuklagen und sie damit politisch aus dem Verkehr zu ziehen.[70] Damit war die Armee, die erstaunlich wehrlos blieb, politisch entmachtet. Der demokratische Staat triumphierte aber nur scheinbar. Dass der Präsident dieselben Offiziere nach der „missglückten“ Wahl im Juni 2015 aus dem Gefängnis entließ, weil die Armee ohne innere Zerrissenheit für den Krieg gegen die Kurden gebraucht wurde, den sie seit Jahrzehnten führte (übrigens ebenso lang ohne Sieg, was darauf schließen lässt, dass sie den Krieg zu ihrer Daseinsberechtigung benötigte), entlarvt das Vorgehen gegen die Armee als politische Inszenierung. Mit der politischen Entmachtung der Armee, der Entlassung kemalistischer Offiziere und der Indienststellung der Streitkräfte zu Regimezwecken war die Bahn frei für die Attacke auf das Erbe des Kemalismus.

Nun war der Ergenekon-Prozess keineswegs auf Offiziere beschränkt. Journalisten, Richter, Staatsbeamte waren die Opfer einer Kampagne des damaligen Ministerpräsidenten Erdoğan – Präsident war sein Parteigenosse Abdullah Gül –, die jedem rechtsstaatlichen Verfahren Hohn sprach, und zwar so sehr, dass das Oberste Gericht die Urteile kassierte und die Verhafteten auf freien Fuß setzte.[71] Darüber hinaus verfolgte das Regime auch Journalisten, die über den Prozess berichteten, ja sogar den Journalisten Ahmet Altan, der in der Zeitung Taraf angebliche Putschpläne veröffentlicht hatte.[72] Es handelte sich um den ersten antilaizistischen Coup d’état der AKP, weil allein Laizisten in die Mangel des Regimes gerieten. Die Propaganda der Partei verkaufte die politische Ausschaltung der Armee als Sieg der Demokratie und beschwieg die antilaizistische Stoßrichtung der Verhaftungen im Zusammenhang mit der angeblichen Verschwörung des „tiefen Staats“. Die offenkundige Verschwörung der islamischen AKP – ob im Verein mit der Gülen-Bewegung ist quellenmäßig nicht eindeutig belegbar – gegen den Verfassungsstaat drang daher weniger ins Bewusstsein sowohl der türkischen Öffentlichkeit, deren liberaler Teil die Entmachtung der Offiziere begrüßte, als auch der ausländischen Beobachter.

Die antilaizistische Konterrevolution der AKP zur Tilgung des kemalistischen Erbes begann also nicht erst mit dem Gegenputsch 2016. Dabei ging es wohlgemerkt nicht darum, den Islam wieder ausüben zu dürfen, er war ja nie – anders als Religion in der Sowjetunion – verboten und unterdrückt gewesen. Zunächst bezog sich der Antilaizismus auf Symbole, über die sich viele aufregten, die aber nur Indizien für die große Attacke bildeten. Zum Beispiel durften Frauen nun mit Kopftuch die Hörsäle der Universitäten betreten. Der laizistische Staat hatte derlei Symbole in öffentlichen Einrichtungen untersagt. Wichtiger aber war die öffentliche Unterstützung von häufig ostentativ großdimensionierten Moscheebauten, der Ausbau und die gegenüber staatlichen Schulen bildungspolitische Bevorzugung der Imam-Hatib-Schulen, die dem Koranunterricht Vorrang vor anderen Fächern einräumten, das verstärkte und staatlich gewollte Einrücken der islamischen Würdenträger in das Alltagsleben der Bevölkerung und der rites de passage (Beschneidung, Hochzeit, Geburt, Begräbnis) sowie die damit einhergehende Restaurierung bereits abgeschaffter Autoritätshierarchien im Alltag, die Verfolgung islamkritischer Äußerungen in der (Netz-)Öffentlichkeit, der Vorwurf anti-islamischer Propaganda oder Tätigkeit und seine strafrechtliche Verfolgung. Den Laizisten fiel auf, dass seit einigen Jahren viele Minarette mit weit leuchtenden grünen (der Farbe des Islams) Lichterketten optisch die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und akustisch der Gebetsruf aus den Lautsprechern jeden polternden Güterzug wie Bachgeplätscher erscheinen lässt. Seit dem Putschversuch 2016 werden politische Predigten aus den Moscheen mit Hilfe der Lautsprecher an den Minaretten über die Dächer der Städte und Stadtteile hinweg übertragen. Das ist nur ein hörbares Beispiel dafür, dass der Islam in einem Maße in die Öffentlichkeit zurückdrängt, das seit Jahrzehnten nicht mehr zu beobachten war. Seine Würdenträger tun das im engen Schulterschluss mit dem Erdoğan-Regime, das sie beim Putsch des Militärs 2016 durch Aufrufe an die Bevölkerung über die Gebetsruf-Lautsprecher unterstützten.

Politischer und religiöser Antilaizismus und die politische Aufwertung des sunnitisch-orthodoxen Islams führen nicht nur zu Ausgrenzungen und Fremdenfeindlichkeit, sie stellen für den Islam selbst ein großes Problem dar. Würdenträger machen sich zu Komplizen der Diktatur. Die Geschichte der Republik Türkei beweist ja gerade, dass alle Warnungen, laizistische Politik würde das Ende der Religion bedeuten, aus der Luft gegriffen waren. Der Islam war in der laizistischen Periode gelebte Religion. Gläubige kamen erst dann dem Staat ins Gehege, wenn sie gegen das Prinzip des Laizismus verstießen. Dass der Islam in jüngster Zeit wieder politisch wurde, dass islamische Würdenträger mit der AKP Staat und Gesellschaft zu dominieren beginnen und nicht-islamische Konfessionen und Aleviten mit Hilfe des religiösen Staates ausgrenzen und teilweise verfolgen, erlegt dem Islam historisch eine schwere Bürde auf. Denn seine Würdenträger in der Türkei agieren als Gesellen der Diktatur. Irgendwann werden sie sich dafür rechtfertigen müssen.

Der Antilaizismus war und ist zugleich anti-intellektualistisch und zudem gegen die Gleichberechtigung der Frauen gerichtet. Auch darin ist er konterrevolutionär, weil die Kemalisten sich auf die Grundlagen der europäischen Aufklärung, Wissenschaft und Vernunft stützten.[73] Die schon erwähnte Übernahme europäischen Rechts steht in diesem Zusammenhang ebenso wie der Ausbau türkischer Universitäten mit großer Unterstützung von Wissenschaftlern, die während des Nationalsozialismus aus Deutschland emigrierten.[74] Der Bildungsbereich feminisierte sich im Laufe der Zeit.[75] Das ist ein Hinweis auf die veränderten Bildungskarrieren von Frauen in der Republik Türkei, was man angesichts des fast vollständigen Analphabetismus der Frauen nach dem Ersten Weltkrieg gar nicht hoch genug einschätzen kann. Das gilt auch für die Hochschulen. Heute emigrieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Türkei oder sie werden hinausgeworfen und üben ihre Wissenschaft u.a. in Deutschland aus.[76] Der Druck auf die Universitäten, konkret auf Rektoren und Dekane – viele von ihnen wurden im Zuge der Säuberungen ausgetauscht –, führte zu Entlassungen von Universitätsangehörigen, selbst wenn der Staat nicht direkt eingriff.

Die Verfolgungen trafen die gebildeten Schichten. Auf den Säuberungslisten unliebsamer Personen standen vor allem Journalisten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Lehrerinnen und Lehrer, Richter und Staatsbeamte. Auch die als Fetöcü (nach Fethullah Gülen) bezeichneten Anhänger der Gülen-Bewegung, denen das Erdoğan-Regime pauschal vorwirft, Terroristen zu sein, waren bildungsorientiert und nicht zufällig auf wichtigen Posten in der Justiz und im Bildungsbereich. Was den Hochschulbereich angeht, so ist es eine vom Regime in die Welt gesetzte Legende, dass nur Fetöcü entlassen worden seien; es traf westlich orientierte laizistische Personen ebenso, die deswegen aber keine Kemalisten sein mussten. Wenn das Regime nach den Säuberungen 2016–2018 weit über hunderttausend Stellen neu besetzen muss, so rücken zwar nicht nur Unqualifizierte ein, aber ein Bildungsniedergang an Schulen, Hochschulen und Behörden ist unvermeidlich. Die jüngst veröffentlichten Zahlen der zentralen Hochschulzugangsprüfungen zeigen erste Auswirkungen: Es kommt zu einem Einbruch der Studentenzahlen; an staatlichen Universitäten sinkt die Zahl der Neuzugänge um sage und schreibe 87 Prozent (teilweise bedingt durch ein neuartiges Verteilungssystem); die aus finanziellen Gründen auf Vollauslastung angewiesenen privaten Hochschulen müssen 98 Prozent ihrer Plätze vakant lassen; übereinstimmend ist davon die Rede, dass insbesondere Abgänger der vom Staat favorisierten religiösen Imam Hatib-Schulen scheiterten.[77] Offenkundig besteht ein Zusammenhang zwischen Maskulinisierung und Islamisierung der Bildungsberufe und dem Bildungsniedergang.

In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die Islamisierung des Rechts zunächst im Bereich des Familien- und Sexualrechts vor sich gehen wird. Ein erster Schritt war 2017 die Zulassung der sogenannten Mufti-Ehe, d.h. der Anerkennung von nur religiös geschlossenen Ehen durch den Staat.[78] Es braucht nicht viel Phantasie, um zu bemerken, dass der Islam als eine „Rechtsreligion“ als erstes die Gleichberechtigung der Frauen tilgt und ihnen eine traditionelle Rolle als Ehefrau und Mutter einschließlich der vom Präsidenten persönlich empfohlenen Kinderzahl zuschreibt. Damit wird eine der wichtigsten Errungenschaften des Kemalismus rückgängig gemacht.

Insgesamt desäkularisierte das Erdoğan-Regime Institutionen, Öffentlichkeit und Politik und inkorporierte bis dahin verpönte und verbotene religiöse Riten und Symbole in die Inhalte und die Darstellung des Politischen und des öffentlichen Lebens. Mit all diesen Maßnahmen schuf es Grundlagen für den antikemalistischen religiös normativen und verhaltenssteuernden Staat. Die Anverwandlung an das religiöse Regime erfolgte aber keineswegs nur durch Zwang und Propaganda „von oben“, sondern vor allem durch die Sozialdisziplinierung auf lokaler Ebene, wo Imame, Vorbeter, Koranschulen oder religiöse Nachbarn „islamisches“ Verhalten erwarten.[79] An dieser Stelle kommt auch die regionale und lokale Verwurzelung der AKP zum Tragen, deren Ortsverbände direkten Kontakt mit der Bevölkerung pflegen.[80]

Doch es gibt auch politische Kontinuitäten. Die wirkmächtigste ist der türkische Nationalismus, der weder ein Spezifikum der AKP noch der Gegenwart ist. Der Kemalismus hatte ihn aus der Jungtürken-Periode übernommen und zugleich die bis heute unüberwindbare Verbindung mit Gewalt perpetuiert. Die nationalistisch (und laizistisch) begründete Niederschlagungen der Kurdenrebellionen 1925 und 1937, die seit der Republikgründung andauernde Diskriminierung der Kurden, die immer wieder in einen veritablen Krieg in den südöstlichen Gebieten umschlug, der Pogrom gegen die Juden in Thrakien 1934[81] und die Griechen in Istanbul 1955,[82] die Ermordung von Aleviten 1978 in Maraş, der Krieg gegen die Kurden im eigenen Land seit Herbst 2015 und – bedingt durch den Bürgerkrieg und die ausländische Intervention in Syrien – nun auch gegen die Kurden jenseits der Grenze sowie das Beschweigen des Völkermords an den syrischen Christen und Armeniern 1915 und die fortdauernde Diskriminierung der Armenier in der Türkei, all das steht in kemalistischer Tradition. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die islamisch-türkisch-nationalistische AKP weder von der laizistisch-nationalistischen CHP noch von der noch nationalistischeren MHP (Milliyetçi Hareket Partisi, Partei der nationalistischen Bewegung, mit der die AKP 2018 ein Wahlbündnis bildete) oder der unlängst von der MHP abgespaltenen İyi Parti (Die gute Partei).

Geblieben sind auch die Wirtschaftsordnung und die Bürokratie. Größere ordnungspolitische Einschnitte hat das Erdoğan-Regime bisher nicht vorgenommen. Da zur Ordnungspolitik in der Türkei traditionell auch die Korruption gehört, hat auch auf diesem Felde keine Konterrevolution stattgefunden. Im Gegenteil, die AKP und Erdoğans Familie, namentlich sein Sohn Bilal, gerieten in den Strudel von Korruptionsermittlungen der Staatsanwaltschaft, die durch konsequentes politisches Eingreifen unterbunden wurden.[83] Dass die Affäre in der Türkei niedergeschlagen werden konnte – nicht aber in den USA, wo die vermutliche Schlüsselfigur in Untersuchungshaft sitzt[84] –, lag daran, dass die AKP den Kampf mit der Gülen-Bewegung aufnahm, die mit ihren Kräften in der Justiz hinter den Ermittlungen steckte. Es gelang der Regierung jedoch, ein Gesetz zu erlassen, das nun die Konfiskation von Unternehmen und Vermögen der „Parallelgesellschaft“ der Gülen-Bewegung erlaubte.[85] Wohin die konfiszierten Vermögen geflossen sind, entzieht sich der Kenntnis der Beobachter.

Die seit 2002 regierende AKP hat am Zustand der Bürokratie nichts ändern können. Wer jemals eine türkische Behörde betreten hat, dürfte zwei Geräusche bemerkt haben: das Wiehern des Amtsschimmels in den Büros und die Flüche der Bürger auf den Korridoren. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Fassen wir zusammen: Diese Konterrevolution ist antidemokratisch, antilaizistisch, antiintellektualistisch und richtet sich gegen die Emanzipation von Frauen. Das Erdoğan-Regime griff die Kernelemente und Errungenschaften des Kemalismus an: mit den demokratischen Grundlagen zugleich die Zivilgesellschaft, mit dem Laizismus die urbane westlich orientierte Gesellschaft und Kultur, mit der Stellung des Militärs die bewaffnete Macht des Kemalismus. Nach der Erfahrung, dass das Militär mehrmals putschte, um die „reine“ kemalistische Ordnung wiederherzustellen, war es aus Sicht der Gegner des Kemalismus folgerichtig, zuerst das Militär als politischen Faktor auszuschalten. Das Erdoğan-Regime entmachtete es mit dem Argument der Demokratisierung, demokratisierte und pazifizierte aber weder die Politik noch die Gesellschaft, sondern verstärkte Autoritarismus und Verfassungsbruch. Nach dem Putschversuch vom Sommer 2016 setzten massenweise Verfolgungen, Repressionen, Zwang und Säuberungen ein. Sie haben ein Ausmaß erreicht, das nicht einmal nach dem als besonders repressiv geltenden Militärputsch von 1980 zu beobachten war.[86] Den als westlich-elitär eingestuften Laizismus hat es mit dem vermeintlich demokratischen Argument de facto außer Kraft gesetzt, dass er dem religiös geprägten Volke nicht entspreche. Diese Tendenz verschärfte sich seit dem Gegenputsch der AKP-Regierung vom Sommer 2016. Nun ging es der Demokratie mit Hilfe des Verfassungsreferendums an den Kragen – wieder mit dem Argument der Demokratie.

Geschichtskomödien und Imperialtragödien

Im Begriff Neo-Osmanismus, einer Fremdzuschreibung, scheinen die Elemente der Konterrevolution des Erdoğan-Regimes zu amalgamieren.[87] Aber er ist eine irreführende Bezeichnung für die Vorgänge in Politik und Kultur, die mit dem historischen Vorgänger, auf den er verweist, nichts zu tun haben. Der Begriff Osmanismus bezeichnet den Reichspatriotismus im Osmanenreich, das seinen Bürgern konstitutionell verankerte Gleichheit zu einer Zeit einräumte, als es durch die nationalen (vorwiegend christlichen) Minderheiten und ihre separatistischen Bestrebungen bedroht war. Wenn von Neo-Osmanismus die Rede ist, der sich auf die heutige Ausrichtung der türkischen Führung auf die arabische Welt bezieht, dann entspricht das, was Neo-Osmanismus meinen soll, historisch dem Islamismus des 19. Jahrhunderts, der einsetzte, nachdem der Osmanismus gescheitert war. Um ein mögliches Missverständnis auszuschließen: Dieser Islamismus hatte nichts mit dem heutigen Begriff zu tun; er bezeichnete den Versuch, die Reichsterritorien mit Hilfe der Religion zusammenzuhalten. Darüber hinaus hatte das Osmanenreich bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Europäisierung und Modernisierung des Reiches eingeleitet (tanzimat). Das Osmanenreich vor den großen Reformen lässt sich noch viel weniger mit der heutigen Türkei verknüpfen. Neo-Osmanismus geht also völlig fehl. Der Rest ist eine geschichtsleere und verkitschte Floskel.

Das Erdoğan-Regime orientiert sich historisch am Glanz des Osmanenreiches. Eine angeschwollene Public History-Industrie bedient die Medien, besonders das staatliche Fernsehen, mit Serien und Filmen über die angeblich glorreiche Vergangenheit. Erdoğan hält sich in seinem Palast eine historisierende Phantasie-Garde, die zu beschreiben die Feder sich sträubt.[88] Die islamische Gesinnungspolizei und gelegentlich auch Erdoğan selbst wissen die Serien zu kontrollieren, wenn Haremsdamen etwas zu leicht bekleidet auftreten oder ein lebenslustiger Sultan zum Raki greift.[89] Der Bevölkerung werden Klischees, Geschichtsklitterung und Kitsch vermittelt, welche das Türkentum idealisieren und den vermeintlichen historischen Vorläufer der AKP-Türkei als islamischen und militärisch mächtigen Staat präsentiert.

Komisch wird die Situation dadurch, dass in Putins Russland die politische Geschichtskultur auf die gleichen Epochen zurückgreift, wenn auch in der Geschichte Russlands. Während Sultanshof, Islam und militärische Expansion des Osmanenreiches im türkischen Fernsehen Augen und Hirne der TV-Gemeinde bannen, sind im russischen Wohnzimmer die Zeiten Konstantinopels, Ivans IV. „des Schrecklichen“, die Idee von Moskau, dem dritten Rom, Zentralisierung, territoriale Expansion, Zarenmacht und orthodoxe Religion präsent. Wenn ein kruder Neobyzantismus unter den Moskauer Ideologieproduzenten grassiert,[90] dann zeigt die Parallelität der Geschichtsorientierung geradezu komödiantische Züge insofern, als die Osmanen bekanntlich 1453 Byzanz einnahmen. Für russische Quellen jener Zeit war das die gerechte Strafe Gottes für eine moralisch und politisch verrottete und sündige Stadt.[91] Heute aber ist Byzanz eine Chiffre für die religiöse und sittliche Erneuerung der Russen. Die Ironie ist nicht beabsichtigt.

Jeder schaut auf seinen vermeintlichen historischen Nabel. Beide Regime marschieren im Gleichschritt zurück ins 16. Jahrhundert und scheinen nicht zu bemerken, dass sie mit dieser geschichtskulturellen Orientierung aufeinander zumarschieren. Von außen betrachtet ist der historische Mummenschanz lustig. Man sollte ihm jedoch nicht zu viel Gewicht beimessen. Die bildhaft ins Kraut schießende Osmanophilie in „Erdoğanistan“ und der „Neo-Byzantismus“ sowie „Neo-Moskovismus“ des Putin-Regimes – allein seit 2005 sind in Russland über 25 Monographien über Ivan IV. „den Schrecklichen“ erschienen – sind Blendwerk in Systemen, deren politische, ökonomische und bewaffnete Macht die historisierenden Verkleidungen zur Herrschaftslegitimation einsetzen. Die Geschichts- und Ideologieproduzenten, auf russischer Seite der „Beichtvater“ Putins, Tichon, oder der sogenannte Philosoph Aleksandr Dugin, sind lediglich ideologische Hofnarren des Kreml, die medialen Weihrauch für das Volk und für ahnungslose Rezipienten im Ausland verbreiten dürfen. Das Regime wiederum lässt sie aus Mangel an eigener Spiritualität gern gewähren, solange sie nützlich sind.

Wie in der Türkei mit ihren TV-Osmanenserien bietet diese Geschichtskultur Orientierung an Perioden einer heroischen Geschichte; sie soll die Herausbildung eines antiwestlichen patriotischen Selbstbewusstseins und nationaler Zugehörigkeit fördern.

Wichtiger als die Geschichtsmaskeraden ist die Einigkeit beider Regime in der Ablehnung von Staats- und Gesellschaftsmodellen des Westens, nicht aber seiner Technik und raffinierten Konsumgüter, in der Entmündigung der Gesellschaft sowie der Betonung des Nationalismus und der engen Verbindung von Staat und Religion. Über diese offenkundigen Sachverhalte sind keine weiteren Worte zu verlieren. Allein der Hinweis sollte nicht fehlen, dass in der Türkei eine Zivilgesellschaft mit großem Aufwand zerschlagen wird, während in Russland wegen der Schwäche ebendieser Gesellschaft weitaus weniger Anstrengung notwendig war. In der Türkei mussten Institutionen von weit über Hunderttausend vermeintlicher Terroristen gesäubert werden, in Russland genügten weitaus geringere Anstrengungen, etwa das Gesetz, das NGOs zu „Agenten“ erklärt, um die Zivilgesellschaft zu erschüttern.[92] Auch darin zeigt sich ein Erbe des Kemalismus, das mit dem Bolschewismus nichts gemein hat.

Ein anderer Aspekt von großer Tragweite springt jedoch noch stärker ins Auge: die Tragödien des revitalisierten Imperiums. Die Türkei hat sich über Jahrzehnte an die Regel einer nichtrevisionistischen Außenpolitik gehalten und ist damit auf diplomatischer Bühne gut gefahren. 1974 okkupierte sie den Nordteil Zyperns und muss sich seitdem diesen Bruch des Völkerrechts vorhalten lassen.[93] Es war übrigens eine CHP-Regierung, welche diesen Schritt unternahm. Die Begründung, es gelte die türkische Bevölkerung vor den Anfeindungen und blutigen Angriffen nationalistisch erhitzter Griechen zu schützen, trifft zwar in der Sache zu, rechtfertigte aber nicht die Militär­intervention. Nie aber hat eine türkische Regierung seit 1923 fremdes Territorium ohne türkische Besiedlung erobert. Diese Tradition scheint vom Erdoğan-Regime beendet worden zu sein. Es ließ die türkische Armee völkerrechtswidrig in Syrien einmarschieren, um das von Kurden besiedelte Gebiet um Afrin zu besetzen.[94] In der Ägäis blieb es bisher bei Rhetorik. Der türkische Präsident strapazierte bei einem Staatsbesuch in Griechenland die Höflichkeit seiner Gastgeber dadurch, dass er Anspruch auf Inseln erhob, von denen ihm weder die historisch korrekte Zuordnung an Griechenland noch die richtige Bezeichnung geläufig war.[95] Wer dachte, Revisionismus benötige eine gewisse Bildung, sah sich eines Schlechteren belehrt. Das ist aber nicht der entscheidende Punkt, sondern die schleichende Abkehr von der bisherigen außenpolitischen Ausrichtung der Türkei.

Es scheint, als hätte die Türkei etwas von Russland gelernt, nämlich das Prinzip der Destabilisierung und Erweiterung des Machteinflusses jenseits der Grenzen. Zur Beobachtung heutiger Gemeinsamkeiten zwischen Russland und der Türkei gehört, dass beide infolge der Instabilität in Nachbarländern, die Bestandteile der schon längst historisch gewordenen Reiche waren, durch Ethnisierung von Politik und darauf bauender militärischer Okkupation von Teilgebieten zur weiteren Destabilisierung insofern beitragen, als sie ein ständiger ungebetener Gast am Kabinettstisch dieser Staaten sind. Russland hat auf der Krim sowie in Südossetien, Abchasien, Transnistrien und der Ostukraine vorgemacht, was die Türkei im Gebiet Afrin in Syrien bisher mit Erfolg kopiert.

Es wäre zu einfach, wollte man das Vorgehen Russlands und der Türkei als Einzelfälle bezeichnen. Vielmehr ist es systematisch zu verstehen. Das heutige Regime in der Türkei wirft allem Anschein nach die territoriale Selbstbeschränkung über Bord. Für Russland ist der imperiale Traum spätestens mit dem zynischen Putin-Wort lebendig geworden, wonach der Untergang der Sowjetunion die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts gewesen sei. An dieser Stelle wandeln sich die Geschichtskomödien in Imperialtragödien, denn es sterben Menschen auf allen Seiten in einem politischen Spiel, das wie ein Überbleibsel des 19. Jahrhunderts anmutet.

Woher – wohin?

Der Kemalismus hat länger überlebt als der Bolschewismus. Selbst im Jahr 2018 ist er nicht völlig eliminiert. Der Etatismus in der Wirtschaft wurde als erstes zurückgenommen und der Privatsektor gestärkt. Keine der Parteien, die seit 1950 in der Türkei die Regierung stellten, hat an den übrigen fünf „Pfeilen“ gerüttelt, auch nicht islamisch religiöse wie die Anavatan-Partisi (Vaterlandspartei, wörtlich: Mutterlandspartei[96]), die von 1983 bis 1989 den Ministerpräsidenten stellte.

Der Modernisierungsweg des Kemalismus war, ohne dessen Ambivalenzen zu übersehen, im Vergleich zum bolschewistischen Experiment der historisch nachhaltigere. Während für die Sowjetunion der Bruch 1991 unübersehbar ist, entwickelte sich die Türkei auf den Grundlagen des Kemalismus zwar langsam sowie sektoral und regional höchst unterschiedlich, aber sie entwickelte sich. Der wirtschaftliche Aufschwung, der erst in den 1980er Jahren Tempo aufnahm, basierte auf der politischen Ordnung des Kemalismus, der Reformismus (inkılapçılık) als ein Prinzip postuliert hatte. Während Wirtschaft, Staat und Institutionen des Sozialismus zusammenbrachen, führte die Entwicklung der Türkei nicht in eine historische Sackgasse. Als Überwinder des in jeder Hinsicht überholten Osmanischen Reiches hat der Kemalismus die Grundlagen für eine Entwicklung gelegt, die von nachfolgenden Regierungen aller politischen Schattierungen nicht unterminiert wurden.

Die Bevölkerung Russlands hat nach den Erfahrungen mit dem Raubtierkapitalismus in den 1990er Jahren, der die kommunistische Propaganda als milde Untertreibung erscheinen ließ, nach dem sozialen und wirtschaftlichen Absturz ganzer sozialer Gruppen und bis dahin ungekannter sozialer Differenzierung den autoritären Staat gewählt. Das weise Diktum, wenn der Sozialismus in eine Krise gerate, dann scheitere der ganze Sozialismus, wenn der Kapitalismus in eine Krise gerate, dann scheitere die Demokratie (Eric Hobsbawm), trifft diesen Vorgang ziemlich genau. Die Erfahrung von Staatsverlust, Wirtschaftszusammenbruch, wirtschaftspolitisch verursachter Vermögensenteignung, Verarmung, Oligarchenbildung und überschießender Kriminalität hat die Bevölkerung der Türkei trotz der ernsten Wirtschaftskrise 2001 bisher nicht machen müssen. Dass rund die Hälfte der Bevölkerung ohne vergleichbare Not und Kümmernis wie in Russland die Grundlagen ihres bisherigen Fortkommens über Bord wirft, ist ein Vorgang von historischer Blindheit.

Die Kemalisten und die Bolʼševiki richteten den Blick nach vorne. Das Erdoğan- und das Putin-Regime erschöpfen sich nicht in Geschichtspolitik und entwickeln nicht nur Strategien der Massenmanipulation. Dennoch sind sie restaurativ und zukunftsblind, wenngleich in unterschiedlichem Maße, in Russland mehr als in der Türkei. Hier figuriert die Idee der autoritär homogenisierten türkisch-islamischen Gesellschaft in einem nach innen starken, nach außen noch zaghaft imperialen Staat als Leitbild. Es ist nötig, den zitierten sowjetischen Gesandtschaftsbericht aus dem Jahre 1920 in umgekehrter Reihenfolge zu lesen: Die Türkei geht von der bürgerlichen Demokratie zum monarchischen Satrapismus. Zu dieser Entwicklung konnte es in Russland nicht einmal kommen. Jenseits des eigenen Machthorizonts zeigt der Kompass beider Regime ins Nirgendwo.

 

 


[1]   Im Folgenden greife ich zurück auf mein Buch „Ordnung und Gewalt: Kemalismus, Faschismus, Sozialismus“. München 2012. Zum Vergleich ebd., S. 21–34, zu zeitgenössischen Perspektiven auf die Türkei und Sowjetrussland S. 34–67. Das zarische Russland und das Osmanenreich werden selten verglichen. Adrian Brisku: Political Reform in the Ottoman and Russian Empires. A Comparative Approach. London u.a. 2017. – Stefan Plaggenborg (Hg.): Gerechtigkeit und gerechte Herrschaft in vergleichender Perspektive (15.–17. Jahrhundert). München u.a. 2019 [in Vorbereitung].

[2]   Margareta Mommsen: Das System Putin. Gelenkte Demokratie und politische Justiz in Russland. München 2007.

[3]   Hasan Cobanlı: Erdoğanistan: Der Absturz der Türkei und die Folgen für Deutschland. München 2017.

[4]   Diesen Vergleich habe ich ausführlich analysiert und die behaupteten Gemeinsamkeiten zurückgewiesen. Plaggenborg, Ordnung [Fn. 1], S. 60–67.

[5]   Sevan Nişanyan, Yanlış Cumhuriyet: Atatürk ve Kemalizm hakkında 51 soru. Istanbul 2008. – İlker Aytürk: Post-post-Kemalizm: Yeni Bir Paradigmayı Beklerken, in: Birikim, 319/2015, S. 34–48.

[6]   Selbst der Schatten ist bedenklich. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4.7.2018, S. 13.

[7]   Ernest Wolf-Gazo: John Dewey in Turkey: An Educational Mission, in: Journal of American Studies of Turkey, 3/1996, S. 15–42.

[8]   Kurt Steinhaus: Soziologie der türkischen Revolution. Zum Problem der Entfaltung der bürgerlichen Gesellschaft in sozioökonomisch schwach entwickelten Ländern. Frankfurt/Main 1969. – Toni Alaranta: Contemporary Kemalism: From Universal Secular-Humanism to Extreme Turkish Nationalism. New York 2014.

[9]   Stefan Plaggenborg: Viel Krieg, keine Nation: Die Entstehung der modernen Türkei, in: Ewald Frie, Ute Planert (Hg.): Revolution, Krieg und die Geburt von Staat und Nation. Staatsbildung in Europa und den Amerikas 1770–1930. Tübingen 2016, S. 149–168, hier S. 150–153.

[10] Die türkische Bildungsschicht war vornehmlich auf Frankreich ausgerichtet und rezipierte die dortigen wissenschaftlichen Entwicklungen; Émile Durkheim war einer der wichtigsten Theoretiker für die Kemalisten. Zu Wissenschaft und Moderne in der Sowjetunion: Stefan Plaggenborg: Experiment Moderne. Der sowjetische Weg. Frankfurt/Main, New York 2006, S. 47–80.

[11] Plaggenborg, Experiment Moderne [Fn. 10], S. 81–120.

[12] Diesen Titel „Tarihe emretmek. Kemalist Türkiye – Faşist İtalya – Sosyalist Rusya. Istanbul 2014, die türkische Ausgabe von Plaggenborg, Ordnung [Fn. 1], hat der türkische Verleger Tanıl Bora gefunden.

[13] Sibel Bozdoğan: Modernism and Nation-Building. Turkish Architectural Culture in the Early Republic. Washington 2001.

[14] Boris Groys, Michael Hagemeister (Hg.): Die neue Menschheit. Biopolitische Utopien in Russland zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Frankfurt/Main 2005.

[15] Vergleichend Plaggenborg, Ordnung [Fn. 1], S. 167–218 (einschließlich Mussolini).

[16] Şirin Tekeli (Hg.): Women in Turkish Society. A reader. London 1995. – Nermin Abadan Unat (Hg.): Women in Turkish Society. Leiden 1981.

[17] Mete Tunçay: Türkye Cumhuriyetinʼde tek-parti yönetimiʼnin kurulması (1923–1931). Istanbul ³1992, S. 91.

[18] Steinhaus, Soziologie [Fn. 8], S. 108.

[19] Klaus Kreiser: Atatürk. Eine Biografie. München 2008, S. 125.

[20] Steinhaus, Soziologie [Fn. 8], S. 108f.

[21] Şevket Süreyya Aydemir: İnkılâp ve Kadro. Ankara ²1968, S. 13f. – Fikret Adanir: Zur „Etatismus“-Diskussion in der Türkei in der Weltwirtschaftskrise. Die Zeitschrift Kadro 1932–1934, in: Linda Schatkowski Silcher, Klaus Scharf (Hg.): Der Nahe Osten in der Zwischenkriegszeit 1919–1939. Die Interdependenz von Politik, Wirtschaft und Ideologie. Stuttgart 1989, S. 355–373, hier S. 366f.

[22] Berna Pekesen: Panturkismus, in: Europäische Geschichte Online, <www.ieg-ego.eu/pekesenb-2014-de>.

[23] Suna Kili: The Atatürk-Revolution. A Paradigm of Modernization. Istanbul 42008, S. 201–251.

[24] So ein Gesandtschaftsbericht von 1920. N.B. Šuvalova (Hg.): Turcija: Roždenie nacional’nogo gosudarstva 1918–1923 (po dokumentam RGASPI). Moskva 2007, S. 93.

[25] Plaggenborg, Ordnung [Fn. 1], S. 46–56.

[26] J.W. Stalin: Die Revolution in China und die Aufgaben der Komintern. Rede in der Sitzung des VIII. Plenums des EKKI, 24. Mai 1927, in: Werke, Bd. 9. Berlin (DDR) 1953, S. 256.

[27] Ernest Gellner: Nationalismus und Moderne. Hamburg 1995, S. 94f.

[28] Yahya Sezai Tezel: Cumhuriyet döneminin iktisadi tarihi (1923–1950). Ankara ²1986. – Ju. N. Rozaliev: Osobennosti razvitija kapitalizma v Turcii (1923–1960). Moskva 1962. – Ders.: Ėkonomičeskaja istorija Tureckoj Respubliki. Moskva 1980. – Friedrich Karl Kienitz: Türkei. Anschluss an die moderne Wirtschaft unter Kemal Atatürk. Hamburg 1959. – Nikolaj G. Kireev: Istorija ėtatizma v Turcii. Moskva 1991.

[29] Atatürk’ün Söylev ve Demeçleri (1906–1938), Bd. 2. Ankara 1981, S. 112.

[30] Kireev, Istorija [Fn. 28].

[31] Ömer Celâl Sarc: Economic Policy of the New Turkey, in: Middle East Journal, 2/1948, S. 430–446, hier S. 442.

[32] Alexander Gerschenkron: Economic Backwardness in Historical Perspective. A Book of Essays. Cambridge, Mass. 1962.

[33] Kireev, Istorija [Fn. 28], S. 98–103.

[34] Atatürk’ün Söylev ve Demeçleri [Fn. 29], S. 97f.

[35] Wenngleich wohl nicht 1923 zu Beginn der Neuen Ökonomischen Politik, sondern später.

[36] Die aus jungtürkischer Zeit stammende Geheimpolizei teşkilat-ı mahsusa wurde anlässlich des Waffenstillstands 1918 formal aufgelöst. Personelle und organisatorische Kontinuitäten zu den Kemalisten existierten jedoch.

[37] Rasih Nuri İleri: Atatürk ve komünizm. Istanbul 41995, S. 200–219.

[38] Plaggenborg, Ordnung [Fn. 1], S. 219–239. De facto war der „Unabhängigkeitskrieg“ ein mehrfach ineinander verschachtelter Bürgerkrieg.

[39] In den meisten Fällen aber „zur Bewährung“. Erst bei der nächsten Desertion erfolgte die Hinrichtung. Ergün Aybars: İstiklâl mahkemeleri. Istanbul 1975; zur Zahl der Todesurteile S. 211, zur Periode 1925–1929: Ders.: İstiklâl mahkemeleri (1923–1927). Ankara 1982, S. 399.

[40] Artem Veselyj (Nikolaj Kočkurov): Rossija, krovju umytaja. Moskva 1924.

[41] M.V. Frunze: Poezdka v Angory, in: Ders.: Sobranie sočinenij, Bd. 1. Moskva, Leningrad 1929, S. 302, 344f.

[42] Robert Olson: The Emergence of Kurdish Nationalism and the Sheikh Said Rebellion. Austin, Texas 1989.

[43] Martin van Bruinessen: Genocide in Kurdistan? The Suppression of the Dersim Rebellion in Turkey (1937–1938) and the Chemical War against the Iraqi Kurds (1988), in: George J. Andreopoulos (Hg.): Genocide. Conceptual and Historical Dimensions. Philadelphia 1994, S. 141–170. Die offizielle Zahl der kurdischen Opfer betrug 13 806, die Bevölkerungszahl in der betroffenen Region betrug 65–70 000 Personen; Plaggenborg, Ordnung [Fn. 1], S. 256, Anm. 162.

[44] Plaggenborg, Ordnung [Fn. 1], S. 219–284.

[45] Erich Pritsch: Das Schweizerische Zivilgesetzbuch in der Türkei. Seine Rezeption und die Frage seiner Bewährung, in: Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft, 59/1957, S. 123–180. – Mehmet Emin Artuk: 1926 tarihli Türk ceza kanununun değiştirilmesi yönündeki çalışmalar hakkında düşünceler, in: Istanbul Barosu Dergisi. Aralık 1998, S. 832–835. – Christian Rumpf: Einführung in das türkische Recht. München 2004, S. 391. – Duygun Yarsuvat: Türk ceza kanununda cinsel özgürlüğe karşı suçlar, in: Değişen toplum ve ceza hukuku karşısında TCK’nın 50 yılı ve geleceği. Istanbul 1977, S. 648–663.

[46] Die Änderungen betrafen die Wiedereinführung der Todesstrafe (1926) und die Ausweitung des politischen Strafrechts. Mario Sbriccoli: Storia del diritto penale e della giustizia, Bd. 2: Scritti editi e inediti (1972–2007). Milano 2009, S. 993–1034. – Loredana Garlati (Hg.): L’inconscio inquisitorio. L’eredità del Codice Rocco nella cultura processualpenalistica italiana. Milano 2010.

[47] Silvia Tellenbach (Hg.): Das türkische Strafgesetzbuch/Türk Ceza Kanunu vom 1. März 1926 nach dem Stand vom 31. Januar 2001. Freiburg 2001, S. 1f. (ohne Hinweis auf den faschistischen Hintergrund).

[48] Ernst E. Hirsch: Als Rechtsgelehrter im Lande Atatürks. Berlin 2008.

[49] Hannes Adomeit: Imperial Overstretch: Germany in Soviet policy from Stalin to Gorbachev. An analysis based on new archival evidence, memoirs, and interviews. Baden-Baden 1998.

[50] Hamit Pehlivanlı, Yusuf Sarınay, Hüsamettin Yıldırım: Türk Dış Politikasında Hatay, 1918–1939. Ankara 2001. – Stéphane Yerasimos: Le Sanjak d’Alexandrette: Formation et Intégration d’un Territoire, in: Revue du Monde Musulman et de la Méditerranée, 48–49/1988, S. 198–212. – Michel Gilquin: D’Antioche au Hatay. L’histoire oubliée du Sanjak d’Alexandrette. Nationalism Turc contre nationalisme Arabe. La France, arbitre. Paris 2000.

[51] John VanderLippe: The Politics of Turkish Democracy. Ismet Inönü and the Foundation of the Multi-Party System, 1938–1950. Albany 2005, S. 137–189.

[52] Die Auszählung der Stimmen verlief manipulativ zugunsten der CHP.

[53] Bernard Lewis: The Emergence of Modern Turkey. London u.a. 1961, S. 315; zu den Parteien: Tarık Z. Tunaya: Türkiye’de siyasî partiler 1859–1952. Istanbul 1952, S. 638–648, S. 693–737.

[54] Entretien avec Marc Ferro, in: Catherine Gousseff, Stefan Plaggenborg, Alessandro Stanziani (Hg.): 1917. Historiographie, dynamiques révolutionnaires et mémoires contestées. Cahiers du Monde Russe, 1–2/2017, S. 15–32, hier S. 21.

[55] Plaggenborg, Experiment Moderne [Fn. 10]. – Interview with Manfred Hildermeier, in: Cahiers du Monde Russe, 1–2/2017, S. 33–41, hier S. 35f.

[56] Revolution retour: 1917–2017: Vorwärts, und stets vergessen. Berlin 2017 [= Osteuropa, 6–8/2017]. – Stefan Plaggenborg: Das Erbe. Von der Sowjetunion zum neuen Russland, in: Heiko Pleines, Hans-Henning Schröder (Hg.): Länderbericht Russland. Bonn 2010, S. 29–52.

[57]  George Leggett: The Cheka: Leninʼs Political Police. Oxford 1981.

[58] So lautete die Formulierung unzähliger Gesprächspartner des Autors in dieser Zeit in Moskau. An die darin enthaltene Option, dass sich ein neues Unterdrückungsregime etablieren könnte, dachte damals niemand.

[59] Margareta Mommsen: Das politische System unter Jelzin – ein Mix aus Demokratie, Oligarchie, Autokratie und Anarchie, in: Pleines, Länderbericht Russland [Fn. 56], S. 55–70. – Petra Stykow: Die autoritäre Konsolidierung des politischen Systems in der Ära Putin, in: ebd., S. 95–112. – Pekka Sutela: Die russische Wirtschaft von 1992 bis 2008 – Entwicklungen und Herausforderungen, in: ebd., S. 289–314. – Auf die Tradition des Liberalismus in der späten Zarenzeit verweist Hildermeier [Fn. 55], S. 36f. Es ist nur eine Anekdote, aber doch interessant, dass ein russischer Turkologe im Kemalismus und in Atatürk ein Vorbild für Russland erkannte. Ju.N. Rozaliev: Mustafa Kemal Atatjurk. Očerk žizni i dejatel’nosti. Moskva 1995.

[60] Lev Gudkov: Der Sowjetmensch. Genese und Reproduktion eines anthropologischen Typus, in: Osteuropa, 6–8/2017, S. 91–112.

[61] Jan C. Behrends: Erbschaften kommunistischer Herrschaft. Ein Versuch zum 100. Jahrestag der Revolution, in: Osteuropa, 6–8/2017, S. 113–132.

[62] Galina Ivanova, Stefan Plaggenborg: Entstalinisierung als Wohlfahrt. Sozialpolitik in der Sowjetunion 1953–1970. Frankfurt/Main, New York 2015, S. 20–25.

[63] Corinna Kuhr-Korolev: Gerechtigkeit und Herrschaft – von der Sowjetunion zum Neuen Russland. Paderborn 2015.

[64] Ernst Hirsch: Die Verfassung der Türkischen Republik. Frankfurt/Main, Berlin 1996, S. 52.

[65] Ersin Kalaycıoğlu: Turkish Dynamics: Bridge Across Troubled Lands. New York 2005, S. 9. – Walter F. Weiker: The Turkish Revolution 1960–1961. Washington D.C. 1963. – Zur Verfassung von 1961: Christian Rumpf: Einführung in das türkische Recht. München 2004.

[66] „Turkey in the 1960s: Social Change and Political Radicalization“, 26.–28.6.2014, Tagung am Türkei-Europa-Zentrum der Universität Hamburg. Ich danke Berna Pekesen für den Einblick in ihr Manuskript über den Zusammenhang von sozialem Wandel und politischer Radikalisierung.

[67] Hamit Bozarslan: Le phénomène milicien: Une compostante de la violence politique en Turquie des années 1970, in: Turcica, 31/1999, S. 185–244, hier 192. Zum Vergleich: Nach Angaben der spanischen Regierung haben die Anschläge der baskischen Eta in den 43 Jahren ihres Wirkens über 850 Todesopfer gefordert.

[68] William Hale: Turkish Politics and the Military. London 2006. – Ümit Cizre Sakallıoğlu: Politics and Military in Turkey into the 21st Century. Badia Fiesolana, San Domenico (FI) 2000. – Gareth Jenkins: Context and Circumstance: The Turkish Military and Politics. London 2011.

[69] „Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen.“ Ein Zitat Erdoğans von 1998 ist heute aktueller denn je. Focus, 19.7.2016.

[70] Can Dündar: Ergenekon. Ankara 2017.

[71] Yargıtay, Ergenekon davasında kararı bozdu. BBC, 21.4.2016,  <www.bbc.com/turkce/haberler/2016/04/160421_yargitay_ergenekon>.

[72] Ergenekon davası sürecinde gazetecilere 3 bin dava açıldı. t24, 26.12.2009, <http://t24.com.tr/haber/ergenekon-davasi-surecinde-gazetecilere-3-bin-dava-acildi,65191>. Altan wurde nach dem Putschversuch am 15./16. Juli 2016 verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, vom Putschversuch gewusst zu haben.

[73] Kili, Atatürk-Revolution [Fn. 23]. – Alaranta, Contemporary Kemalism [Fn. 45]. Das hinderte die Kemalisten jedoch nicht, abstruse Theorien wie die Sonnentheorie der Sprache zu entwickeln oder Ursprungstheorien für das Türkentum.

[74] Horst Widmann: Exil und Bildungshilfe. Die deutschsprachige akademische Emigration in die Tuerkei nach 1933. Frankfurt/Main 1973. – Christopher Kubaseck, Günter Seufert: Deutsche Wissenschaftler im türkischen Exil: die Wissenschaftsmigration in die Türkei, 1933–1945. Würzburg 2008.

[75] Meltem I. Yenilmez: Women in Academia in Turkey: Challenges and Opportunities, in: Yönetim Bilimleri Dergisi, 28/2016, S. 289–311, hier S. 294.

[76] Förderung von Forschern im Exil: Neue Akademie sichert wissenschaftliches Potenzial. Volkswagenstiftung, 3.11.2017, <www.volkswagenstiftung.de/aktuelles-presse/aktuelles/ förderung-von-forschern-im-exil-neue-akademie-sichert-wissenschaftliches-potenzial>. – Die Philipp Schwartz-Initiative der Alexander von Humboldt-Stiftung mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes. Alexander von Humboldt-Stiftung, <www.humboldt-foundation.de/ web/philipp-schwartz-initiative.html>.

[77]  ʼYKSʼde hata varʼ iddiası: 128 bin kontenjan boş kaldı, 31.8.2018, <www.cumhuriyet.com.tr/ haber/egitim/1069917_YKS_de_hata_var__iddiasi__128_bin_kontenjan_bos_kaldi.html>. –  Uzmanlar YKSʼyi BirGünʼe değerlendirdi: Üniversiteler boş kaldı, 2.9.2018, <www.birgun.net/ haber-detay/uzmanlar-yks-yi-birgun-e-degerlendirdi-universiteler-bos-kaldi-228907.html>.

[78] Yürürlükte: „Müftülere nikah yetkisi“ Resmi Gazete’de yayınlandı. Diken, 2.12.2017, <www.diken.com.tr/yururlukte-muftulere-nikah-yetkisi-resmi-gazetede-yayinlandi/>.

[79] Der Soziologe Şerif Mardin sprach von Sozialkontrolle und Religionszucht im Stadtteil (mahalle baskısı). Şerif Mardin: Mahalle Baskısı, Ne Demek İstedim? rusencakir.com, 29.5.2013, <www.rusencakir.com/Prof-Serif-Mardin-Mahalle-Baskisi-Ne-Demek-Istedim/2028>.

[80] Jenny B. White: Islamist Mobilization in Turkey. A Study in Vernacular Politics. Washington D.C. 2002.

[81] Berna Pekesen: Nationalismus, Türkisierung und das Ende der jüdischen Gemeinden in Thrakien: 1918–1942. München 2012.

[82] Dilek Güven: Nationalismus und Minderheiten. Die Ausschreitungen gegen die Christen und Juden der Türkei vom September 1955. München 2012.

[83] 10 soruda: 17-25 Aralık operasyonları. BBC, 16.12.2014, <www.bbc.com/turkce/haberler/ 2014/12/141212_17_25_aralik_operasyonu_neler_oldu_10_soruda>.

[84] New York Times: Zarrab davasının Erdoğan için siyasi sonuçları olabilir. BBC, 27.11.2017, <www.bbc.com/turkce/haberler-dunya-42132987>. – Mehmet Hakan Atilla ve Reza Zarrab davası: 32 ay hapis cezası verildi. BBC, 17.5.2018, <www.bbc.com/turkce/haberler-turkiye-42096305>.

[85]  „Parallelgesellschaft“ ist der Sprachgebrauch der Regierung. Mal varlığına el koyma nasıl uygulanıyor? t24, 15.8.2016, <http://t24.com.tr/haber/mal-varligina-el-koyma-nasil-uygulaniyor,355039>.

[86] The July 15 Coup Attempt and State of Emergency Practices. Report, <http://ufilter.blogspot.com/2016/09/the-report-july-15-coup-attempt-and.html>. – 1 yıllık OHAL 12 Eylül’ü geçti. Cumhuriyet, 13.9.2017, <www.cumhuriyet.com.tr/haber/turkiye/822498/1_yillik_OHAL_12_Eylul_u_gecti.html>.

[87] Birgül Demirtas-Coskun: Kurswechsel mit Tücken. Mit der Annäherung an die Hamas verspielt die Türkei ihren Neutralitätsbonus, in: Internationale Politik, 4/2009, S. 62–68. – Gero Erdmann, Olga Herzog: Die Türkei in Afrika: Im Schatten des Neo-Osmanismus? GIGA-Focus, 1/2012, S. 1–7. – Neo-Osmanismus. Türken und Araber werden eins. FAZ, 16.9.2011.

[88] Berna Pekesen: Vergangenheit als Populärkultur. Das Osmanenreich im türkischen Fernsehen der Gegenwart, in: Zeithistorische Forschungen, 12/2015, S. 140–151. – Erdoğan und sein osmanischer Zirkus. SZ, 13.1.2015.

[89] Pekesen, Vergangenheit als Populärkultur [Fn. 88].

[90] Michael Hagemeister: „Bereit für die Endzeit“. „Neobyzantismus“ im postsowjetischen Russland, in: Osteuropa, 11–12/2016, S. 15–43.

[91] Povest᾽ o vzjatii Car’grada Turkami, in: Michail O. Skripil’ (Hg.): Russkie povesti XV–XVI vekov. Moskva, Leningrad 1958, S. 55–78.

[92] Grigorij Ochotin: Agentenjagd. Die Kampagne gegen NGOs in Russland, in: Osteuropa, 1–2/2015, S. 83–94.

[93] Christoph Ramm: Turkish Cypriots, Turkish „Settlers“ and (Trans)National Identities between Turkish Nationalism, Cypriotism and Europe. Bochum 2009.

[94] „Türkiyeʼnin Afrinʼden sonra hedef aldığı Menbic'e girmek neyi değiştirir?“ t24, 24.3.2018, <http://t24.com.tr/haber/turkiyenin-afrinden-sonra-hedef-aldigi-menbice-girmek-neyi-degistirir,589168>.

[95] Adalar, Lozan Antlaşması’ndan 10 yıl önce kaybedildi. Sözcü, 3.10.2016, <www.sozcu.com.tr/ 2016/gundem/adalar-lozan-antlasmasindan-10-yil-once-kaybedildi-1424721/>. – Ege Adalarını geri almak mümkün mü? Evrensel, 17.2.2018, <www.evrensel.net/haber/345747/ege-adalarini-geri-almak-mumkun-mu>.

[96] Für „Vaterland“ reicht im Türkischen der Begriff „vatan“. Im Zusammenhang mit der „Zypernkrise“ und der Besetzung Nordzyperns durch türkische Truppen 1974 entstanden „Mutterland“ (anavatan) als Bezeichnung für die Türkei und „Kind-Vatan“ (yavru vatan) für Nordzypern.

Volltext als Datei (PDF, 2 MB)