Titelbild Osteuropa 9-11/2019

Aus Osteuropa 9-11/2019

Familiengeschichten als Gegengeschichten
Jüdische Identität in zeitgenössischer russischer Literatur

Anja Tippner


Abstract in English

Abstract

In Russland erlebt der Familienroman ein Comeback. In diesem Genre werden auch Fragen jüdischer Identität verhandelt. Prägnante Beispiele sind Ljudmila Ulickajas Jakobsleiter, Marija Stepanovas Nach dem Gedächtnis und Elena Čižovas Eine Stadt, geschrieben nach der Erinnerung. Die Autorinnen wenden sich dem Verhältnis zwischen Familienerinnerung und offizieller Erinnerungskultur zu und zeigen, wie sich in Russland heute jüdisches Selbstverständnis im Spannungsfeld von familiärer Herkunft, Antisemitismus und Erinnerungskultur entfaltet. Gerade in den Ambivalenzen, Brüchen und Leerstellen ihrer autofiktionalen Texte liegt auch ein realistischer Kern. Sie verweisen auf irreparable Verletzungen aus der Vergangenheit und das Verblassen der jüdischen Kultur in der Gegenwart.

(Osteuropa 9-11/2019, S. 203–222)