Titelbild Osteuropa 10-11/2020

Aus Osteuropa 10-11/2020

„Diktatur ist unser Markenzeichen“
Belarus: Machtvertikale vs. horizontale Gesellschaft

Maryia Rohava, Fabian Burkhardt

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Abstract in English

Abstract

Belarus galt lange als Muster eines stabilen autoritären Regimes. Seit 26 Jahren herrscht dort Aljaksandr Lukašenka. Das zentrale Organisationsprinzip der Elite ist ein pyramidales Netzwerk mit ihm an der Spitze. Von dort konnte Lukašenka verhindern, dass rivalisierende Fraktionen an Machtressourcen gelangen. Noch kontrolliert er die Sicherheitsorgane, aber die Krise wird zum Dauerzustand. Obwohl die Behörden die Institutionalisierung der Opposition verhindern können, setzt sich die horizontal vernetzte Mobilisierung der Gesellschaft fort. Für das Lukašenka-Regime gibt es kein Zurück, denn die Legitimität, die sich aus staatlicher Leistungsfähigkeit und Wahlen ergibt, ist dahin. Seine Popularität und die internationale Anerkennung sind verloren. Damit sind die wichtigsten Pfeiler des belarusischen Autoritarismus ins Wanken geraten.

(Osteuropa 10-11/2020, S. 127–146)

Volltext

Belarus galt lange als Musterbeispiel für ein stabiles autoritäres Regime. Aljaksandr Lukašenka überstand fünf Wahlzyklen und ist 2020 seit 26 Jahren Präsident des Landes. Damit amtiert er im postsowjetischen Raum unter den aktuell faktisch herrschenden Staatsoberhäuptern mit Ausnahme von Emomali Rahmon in Tadschikistan am längsten. Im internationalen Vergleich hat das Regime in Belarus andere autoritäre Regime bereits um sieben bis 23 Jahre überdauert, je nachdem, welche Typologie man für den Vergleich heranzieht.[1] Obwohl es auch nach den Präsidentschaftswahlen in den Jahren 2006 und 2010 zu Protesten gekommen war, unterscheiden sich die Ereignisse im Jahr 2020 von diesen deutlich: Zum einen durch das schiere Ausmaß der Massenmobilisierung vor der Wahl und durch die eklatante Wahlfälschung, zum anderen durch den Umfang der Proteste nach den Wahlen, die Repressionen, die Arbeiterausstände und die Tatsache, dass sich einzelne Angehörige der Elite dem Regime den Rücken gekehrt haben.

Bereits in der ersten Protestwoche wurden mehr als 6700 Personen verhaftet und etliche im Gefängnis verprügelt und gefoltert.[2] Ungeachtet dieser Massenrepressionen gingen bei der ersten sonntäglichen Massendemonstration, dem „Marsch der Freiheit“ am 16. August, mehr als 200 000 Menschen in Minsk und Zehntausende im ganzen Land auf die Straße. Das autoritäre Regime schien kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen. Wendet man die 3,5-Prozent-Regel von Erica Chenoweth an, die sich auf den Anteil der Bevölkerung bezieht, der sich an einer gewaltlosen Massenbewegung beteiligen muss, damit ein repressives Regime kollabiert, so war dieser Zusammenbruch statistisch gesehen nicht unwahrscheinlich.[3] Obwohl die Protestbewegung ihren Schwung über Monate aufrechterhalten konnte, hat sich der Langzeitherrscher wortwörtlich mit einem Sturmgewehr verbarrikadiert. Anfang November 2020 sieht es nach einer Pattsituation aus, die allerdings nicht in eine Doppelherrschaft mündete. Svjatlana Cichanoŭskaja und der oppositionelle Koordinationsrat konnten den gezielten staatlichen Repressionen nicht standhalten. Mitglieder der Wahlkampfteams und des Präsidiums sowie der Kerngruppe des Oppositionsrats wurden entweder verhaftet oder ins Exil getrieben.[4] Gegen den Koordinationsrat wurde ein Strafverfahren wegen „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ eröffnet. Eine weitere Repressionswelle richtete sich gegen Aktivisten aus der Zivilgesellschaft, politische Parteien und Meinungsführer der Graswurzelbewegungen. Und dennoch: Obwohl die staatlichen Behörden die Bildung von institutionalisierten Oppositionsstrukturen etwa als Schattenregierung oder Partei verhindern können, setzt sich die horizontal vernetzte Mobilisierung der Gesellschaft mit immer neuen Initiativen in Städten, Bezirken und Hinterhöfen im ganzen Land fort. Der gegenwärtige Zustand bleibt höchst volatil. Auch wenn Lukašenka die Kontrolle über die Sicherheitsorgane behält und weiter Unterstützung aus Russland genießt, wird die Krise zum Dauerzustand. Für Lukašenka und seinen Staatsapparat gibt es kein Zurück, denn die Legitimität, die sich aus staatlicher Leistungsfähigkeit und Wahlen ergibt, ist ebenso wie seine Popularität im Volk und die internationale Anerkennung dauerhaft beschädigt. Damit sind die traditionell wichtigsten Pfeiler des Autoritarismus in Belarus heftig ins Wanken geraten.

Das autoritäre Regime in Belarus

Das autoritäre Regime in Belarus lässt sich als elektoral, personalistisch und hegemonial klassifizieren. Wahlen werden regelmäßig abgehalten, sie sind aber weder frei noch fair. Daher ist kein sinnvoller Wahlwettbewerb möglich. Das Regime ist personalistisch. Es ist weder eine Monarchie noch eine Militärdiktatur, aber Dreh- und Angelpunkt ist Lukašenka als Präsident mit nahezu unbeschränkten Kompetenzen. In den frühen 2000er Jahren vollzog sich der Übergang von einem hybriden, kompetitiven zu einem hegemonialen Regime.[5]. In solchen Regimen nehmen der Siegerkandidat oder die Siegerpartei bei Wahlen mehr als 70 Prozent der Stimmen für sich in Anspruch. Dies gelang Lukašenka seit dem Jahr 2001 regelmäßig.

Obwohl Lukašenka ein ziviler Staatsführer ist, hat das Regime schon vor der Wahl 2020 eine Militarisierung durchlaufen, die sich seither beschleunigte.[6] Immer mehr siloviki bekleiden Führungspositionen, so leitet der ehemalige erste stellvertretende Vorsitzende des KGB Ihar Sergeenka seit dem 5. Dezember 2019 die Präsidialverwaltung. Raman Haloučenka, der viele Jahre im Sicherheitsrat und in dem für Rüstungsindustrie verantwortlichen Staatskomitee tätig war, wurde im Juni 2020 als Premierminister eingesetzt.[7] Und der langjährige KGB-Vorsitzende Valeryj Vakultčyk stand vom 3. September bis 29. Oktober 2020 an der Spitze des Sicherheitsrats. Zusammen mit dem ehemaligen Innenminister Juryj Karaeŭ und dem stellvertretenden Innenminister Aljaksandr Barsukoŭ wurde Vakultčyk am 29. Oktober zum Präsidentenberater ernannt. Um die Machtvertikale zu stärken, wurden die drei siloviki in der Präsidialverwaltung mit der eigentlich zivilen Rolle des Inspektors für die Protesthochburgen Minsk, Brest und Hrodna betraut. Im Gegensatz zu anderen Weltregionen, jedoch typisch für den postsowjetischen Raum, dringt vor allem der Inlandsgeheimdienst KGB in den zivilen Bereich vor und nicht die Armee.

Insbesondere drei Aspekte sind für die personalistische Facette des autoritären Regimes charakteristisch: erstens Lukašenkas charismatischer Führungsstil und sein Verhältnis zur Bevölkerung. Lukašenka hatte für den Großteil seiner Herrschaft durchaus eine enge Bindung zum Volk, weswegen das Regime auch als „demagogisch“[8] oder „populistisch“[9] bezeichnet wurde. Lukašenka appellierte direkt an das Volk. Sein Führungsstil war antielitär. Das Kaderkarussell drehte sich beständig. Die Nomenklatura wurde regelmäßig gesäubert, was ein gebräuchliches Mittel ist, um einen Putsch aus den eigenen Reihen zu verhindern. Gleichzeitig ist der Stil antiinstitutionell, da Lukašenka sich nie von Parlament, Justiz oder politischen Parteien einhegen ließ. Als Außenseiterkandidat bei den Wahlen im Jahr 1994 nahm Lukašenka diese antielitäre, populistische Haltung mit ins Präsidentenamt. Er griff deswegen 1995, 1996 und 2004 auch auf das plebiszitäre Element des Referendums zurück.[10] Je länger er im Amt war, desto ähnlicher wurde er anderen Präsidenten im postsowjetischen Raum, deren „primärer Antrieb autoritär, patrimonial und somit antipopulistisch“[11] ist.

Zweitens sind dieser patronalen Herrschaft Züge eigen, die einige Autoren als „sultanistisch“[12] bezeichnen. Demnach besitzt der machtvolle Präsident zwar das Monopol in der Politik, gleichzeitig ist in Wirtschaft und Gesellschaft ein beschränkter Pluralismus möglich; auf Ideologie und Massenmobilisierung wie in totalitären Regimen wird verzichtet. Diese Beschreibung mag zwar für die frühen Jahre der Lukašenka-Herrschaft zutreffen. Für die längste Zeit seiner Herrschaft gilt jedoch, dass das System einer Pyramide mit dem Präsidenten an der Spitze gleicht,[13] in dem keine anderen, vom Präsidenten unabhängigen Elitenetzwerke existieren, da sie keinen Zugang zu Macht und Geldströmen bekommen.

Ein drittes Charakteristikum des Personalismus ist die politische Fähigkeit Lukašenkas, seine Macht zu konsolidieren und die Kontrolle zu behalten.[14] Zum Beispiel ersetzte Lukašenka das stabile sowjetische System der Nomenklatura durch ein hochpersonalisiertes und willkürliches Kadermanagement. Eine weitere Fähigkeit, die ihm zugeschrieben wurde, ist das „Vermögen, mögliche Gefahren zu erahnen und rechtzeitig zu eliminieren, bevor diese seine Macht untergraben könnten“.[15] Das impliziert die Lernfähigkeit anzuerkennen, dass Stabilität immer auch bedeutet, sich Veränderungen anzupassen, ohne dass sich die Machtverhältnisse grundlegend ändern.[16] Lukašenka weigerte sich von Beginn an, Demokratie überhaupt vorzugaukeln, eine Strategie, die auch als „präventiver Autoritarismus“ bezeichnet wurde.

Formale Institutionen und das politische System

Artikel 35 der Verfassung der Republik Belarus garantiert Versammlungsfreiheit. Dieses Freiheitsrecht wird allerdings ständig missachtet, weshalb die Schlussfolgerung nahe liegt, dass die Verfassung, oder formale Institutionen insgesamt, bedeutungslos seien. Diese Ansicht ist in Bezug auf autoritäre Regime häufig anzutreffen, erscheint aber besonders plausibel für personalistische autoritäre Regime, weil in diesen der Herrscher Regeln willkürlich brechen kann. Dennoch ist die Realität eine andere. Denn es gibt bedeutende Unterschiede hinsichtlich dessen, wie aufrichtig die wahren politischen Ansichten und Absichten in der Verfassung verankert werden.[17] Oft verspricht der Verfassungstext viel, wird in der Realität allerdings wenig beachtet. In Ausnahmefällen halten sich autoritäre Regime genau an das, was die Verfassung sagt. Das gilt in Belarus etwa für das Festhalten an der Todesstrafe. Komplizierter wird es, wenn man sich politische Freiheiten und Bürgerrechte näher anschaut, die fairen und freien Wettbewerb bei Wahlen ermöglichen sollen. Trotz der in der Verfassung garantierten Versammlungsfreiheit hat die Regierung eine Reihe von Verordnungen erlassen, die Organisatoren von Protesten verpflichten, die Behörden nicht nur zu informieren, sondern eine Genehmigung bei der Kommunalverwaltung einzuholen, die dem Präsidenten hörig ist. Zusätzlich müssen die Veranstalter Kosten für Reinigung und Sicherheitsmaßnahmen durch den Staat tragen.[18] Allgemein gilt, dass Bestimmungen über die Staatsorganisation in autoritären Regimen aufrichtiger sind als jene in Bezug auf Freiheits- und Bürgerrechte. Dieser Logik folgend kann Lukašenkas Sicht auf formale politische Institutionen als aufrichtig bezeichnet werden. „Diktatur – das ist unser Markenzeichen“, formulierte Lukašenkas Pressesprecherin Natalja Ėjsmont einmal.[19].Lukašenka hat seit Beginn seiner Herrschaft 1994 keinen Hehl daraus gemacht, dass er sich als autoritärer Herrscher versteht. Dies kam nicht nur in seiner politischen Rhetorik, sondern auch in der Bildung formaler Institutionen zum Ausdruck. So war die Geschwindigkeit bemerkenswert, mit der er zwischen 1994 und 1996 einen „schleichenden Staatsstreich“ vollzog.[20] Die Totalrevision der Verfassung 1996 ist am besten als „Verfassungscoup“ zu beschreiben, der zu einem Konflikt zwischen Lukašenka, dem Obersten Sowjet, dem Verfassungsgericht und der Zentralen Wahlkommission führte. Das Verfassungsreferendum von 1996 wurde per Präsidialdekret durchgeboxt.[21] Die vielfachen Gesetzesbrüche führten zu einer Verfassungskrise, in der Russland vermittelte. Das Referendum wurde wegen der Regelverstöße weder von den USA, der EU noch dem Europarat oder der OSZE anerkannt.[22] In einem weitsichtigen Gutachten beschrieb die Venedig-Kommission des Europarates die Verfassungsänderung als „nicht demokratischen Standards entsprechend“, die zu „einer autoritären Entwicklung des belarussischen Verfassungssystems“[23] führen werde. Die präsidiale Übermacht ist schon im Verfassungstext festgehalten: Der Präsident schwebt über den Gewalten und ist nicht eingehegt. Viele Kompetenzen wurden einfach vom Obersten Sowjet auf den Präsidenten übertragen. Die symbolische Funktion des Präsidenten als „Garant der Verfassung“, der die „Einheit der Nation personifiziert“ spiegelte Lukašenkas antiinstitutionelle Haltung wider. Im Zuge der Verfassungskrise wurde 1996 das Parlament (der Oberste Sowjet) aufgelöst. Für das neue Parlament durften sich nur von Lukašenka handverlesene Kandidaten aufstellen lassen.[24] Obwohl Belarus ein unitärer Staat blieb, wurde ein Parlament mit zwei Häusern geschaffen. Ins Unterhaus – das Haus der Repräsentanten – werden 110 Abgeordnete per Direktwahl gewählt, im Oberhaus, – dem Rat der Republik – tagen 64 Senatoren. Der Präsident ernennt acht Senatoren, die restlichen 56 werden von den lokalen Räten (Sowjets) gewählt, ein Prozess, der eng von der Präsidialverwaltung kontrolliert wird. Der Gesetzesinitiative des Parlaments sind enge Grenzen gesetzt. Haushaltsentwürfe müssen vom Ministerrat (dem Kabinett) und dem Präsidenten abgesegnet werden, bevor sie in das Parlament eingebracht werden. Seit 1997 ist ein Nationales Zentrum für Gesetzgebung (Nacyjanal’ny cėntr zakonapraektnaj dzejnasci pry Prėzidėnce Rėspubliki Belarus’, ab 2007 Nacyjanal’ny cėntr zakanadaŭstva i pravavych dasledavannjaŭ Rėspubliki Belarus’) der Präsidialverwaltung dafür verantwortlich, Gesetzesinitiativen einem Screening zu unterziehen, bevor diese im Parlament eingebracht werden können.

Seit 2008 hat das Verfassungsgericht das Recht, Gesetze einer vorläufigen Prüfung auf Verfassungsmäßigkeit zu unterziehen, bevor diese vom Präsidenten unterzeichnet werden. Damit war der Schritt des Verfassungsgerichts zum „Notar das autoritären Präsidialregimes“[25] vollzogen. Der Vorsitzende des Gerichts und fünf weitere Richter werden vom Präsidenten ernannt, die sechs anderen vom Rat der Republik – dem Oberhaus des Parlaments – welches de facto vom Präsidenten kontrolliert wird. Der Einfluss des Gerichts auf Recht und Politik im Land bleibt beschränkt,[26] auch weil der Präsident als oberster Schiedsrichter in Rechtsdisputen fungiert. Zudem besitzt der Präsident weitreichende Ernennungs- und Entlassungsbefugnisse gegenüber höheren Gerichten wie dem Obersten Gerichtshof und dem Obersten Wirtschaftsgericht. Insgesamt lässt sich mit dem ehemaligen Verfassungsrichter Michail Pastuchaŭ sagen, dass die

„Abhängigkeit der Justiz von der Exekutive in vielen Aspekten der Beziehungen zum Ausdruck kommt: im Ernennungsverfahren der Richter, in der Bezahlung und Beförderung, in der Nominierung für höher eingestufte Posten, bei der Zuteilung von Wohnraum und bei Disziplinarstrafen.“[27]

Die Kommunen, die eigentlich eher als Lokalverwaltungen bezeichnet werden sollten, sind ähnlich schwach, da sie politisch und finanziell von der Zentralregierung abhängig sind. In den lokalen Räten sitzen gewählte Abgeordnete, die aber wiederum dem nationalen Parlament Rechenschaft schuldig sind. Die Vorsitzenden der lokalen Exekutivkomitees werden vom Präsidenten ernannt und entlassen.[28] Schon sehr früh wurden die Kommunen Teil der „informationspolitischen Machtvertikale“[29] des Präsidenten.

Lukašenkas Strategie in Bezug auf den intermediären Raum zwischen Staat und Gesellschaft zielt darauf ab, die Institutionalisierung von Organisationen und Strukturen zu verhindern, die unabhängig vom Staat sind. Der Staat greift vorsorglich regulatorisch ein, indem er (wie etwa 1999) die Regeln zur Registrierung von NGOs willkürlich ändert oder unabhängige Finanzierung aus dem Inland kappt – was viele unabhängige Organisationen geradezu zwang, sich nach Fördermitteln aus dem Ausland umzuschauen. Gleichzeitig werden unabhängige Organisationen schikaniert, führende Mitglieder physisch angegriffen. Ständige Gerichtsprozesse erschweren den Alltag, die finanziellen Kosten, außerhalb der vom Staat gezogenen Grenzen existieren zu können, sind exorbitant hoch. Dies gilt für viele Organisationen im intermediären Raum, etwa für NGOs,[30] Medien,[31] Jugendorganisationen,[32] Gewerkschaften[33] und politische Parteien.[34]

Unterdrückung ist aber nur eine Strategie. Zusätzlich begann das Regime, sich wirtschaftliche und gesellschaftliche Organisationsformen zunutze zu machen. Es führte korporatistische Elemente in den Staatsaufbau ein. Staatliche oder staatlich unterstützte Organisationen wurden gegründet, die als einzige Gesprächspartner der Staatsorgane zugelassen wurden und unabhängige Akteure verdrängten. Die Liste dieser staatlich kontrollierten Organisationen ist lang. Zu nennen wären politisch relevante Vereinigungen wie Belaja Rus (Rėspublikanskae gramadskae abjadnanne „Belaja Rus’”), die Republikanische Jugendunion (Belaruski rėspublikanski sajuz moladzi, BRSM) , die Föderation der Gewerkschaften (Fedėracyja prafsajuzaŭ Belarusi, FPB), die Frauenunion, (Belaruski sajuz žančyn, BSŽ), die Vereinigung der Veteranen (Belaruskae gramadskae abjadnanne vetėranaŭ) und das Nationale Olympische Komitee (Nacyjanal’ny alimpijski kamitėt Rėspubliki Belarus’), dem Lukašenka selbst vorsteht.

Parteien spielen im politischen System dagegen eine geringe Rolle. Seit dem Jahr 2000 verweigert der Staat die Registrierung neuer Parteien. Im Haus der Repräsentanten gehören die meisten Abgeordneten keiner Partei an. Im Gegensatz zu anderen autoritären Regimen im postsowjetischen Raum wie Russland oder Kasachstan sah Lukašenka davon ab, in Belarus eine „Partei der Macht“ zu gründen. Die Pro-Lukašenka-Organisation Belaja Rus’ blieb eine gesellschaftliche Vereinigung, eine nichtkommerzielle Nicht-Regierungsorganisation,[35] der keine politische Tätigkeit als Partei erlaubt ist. Dennoch hatte deren Führung immer wieder die Absicht bekundet, sich als Partei registrieren zu lassen. Dazu sah Lukašenka keine Notwendigkeit, da eine derartige Partei seine personalistische Herrschaft beschränkt hätte.[36]

Die bestehenden staatlich kontrollierten Organisationen und propräsidentiellen Parteien wie etwa die irreführenderweise so benannte Liberaldemokratische Partei (Liberal’na-dėmakratyčnaja partyja Belarusi) unter Führung von Aleh Gajdukevič, einem Lukašenka loyalen Politiker, waren aus Sicht der Staatsführung ausreichend, um dem staatskorporatistisch organisierten politischen System einen pluralistischen Anstrich zu geben. Oppositionsparteien und unabhängige politische Bewegungen wurden in ein „demokratisches Ghetto“ verbannt. Trotz immensen politischen Drucks und rechtlicher Einschränkungen ergaben sich diese Parteien und Bewegungen keineswegs ihrem Schicksal, sondern entwickelten verschiedene Strategien, um ihr Überleben zu sichern. Hierzu gehören die Teilnahme an Wahlen, der Einsatz für konkrete Ziele und Projekte jenseits der Tagespolitik, Aktivität in den Medien oder Bildungstätigkeit.[37]

Wer herrscht?

Insbesondere die Parteifunktionäre der KPdSU verloren nach dem Kollaps der Sowjetunion schnell an Macht, wohingegen die staatliche Nomenklatura, allen voran die Sicherheitsapparate und Justiz, im Kern ihre Organisationsstrukturen beibehielten.[38] Nach seiner Wahl zum Präsidenten 1994 betrieb Lukašenka die Konsolidierung seiner Machtposition insbesondere mit Hilfe der alten Sowjetbürokraten und der Eliten, denen er hohe Posten verschaffte.[39] Michail Mjasnikovič, der von 1995 bis 2001 Leiter der Präsidialverwaltung war, galt als informeller Anführer der verbliebenen Sowjetbürokratie. Seine Entlassung im Jahr 2001 markierte das Ende dieser ehemals einflussreichen bürokratischen Riege.

Als politischer Außenseiter war Lukašenka darauf angewiesen, sich sein eigenes Patronagenetzwerk zu schaffen. Anfänglich basierte seine Herrschaft auf drei Typen von Netzwerken: erstens auf einem regionalen Netzwerk aus Šklov in seiner Heimatregion Mahilaŭ; zweitens auf Staatsbediensteten aus den Sicherheitsbehörden und der Justiz (siloviki); und drittens auf der Zivilverwaltung.[40] Mit der Zeit war er immer weniger darauf angewiesen, loyale Gefolgschaft aus seiner Heimatregion zu rekrutieren. Und so besteht die herrschende Elite bis heute aus zwei konkurrierenden Gruppen von Akteuren, idealtypisch den siloviki (kontrollfixierte, konservative Hardliner) und den eher pragmatisch orientierten, auf ökonomische Entwicklung ausgerichteten zivilen Bürokraten, die oft Managererfahrung aus der Wirtschaft mitbringen. Verlangt wird von allen bedingungslose Loyalität zu Lukašenka. Insbesondere der Generationswechsel seit Mitte der 2000er Jahre und die wechselhaften Beziehungen zu Russland sorgten für Umwälzungen im Machtgefüge der Elite. Die technokratische Fraktion bekam Aufwind, um die Annäherung an die EU zu erleichtern. Dadurch sollte ein Gegengewicht für den Fall geschaffen werden, dass sich die Beziehungen zu Russland wieder einmal verschlechterten. Generationswechsel und Modernisierungsdruck führten dazu, dass die „Alte Garde“ weichen musste. So wurde Lukašenkas Weggefährte Viktar Šeiman 2008 von seiner Position als Chef des Sicherheitsrats entbunden.[41] 2014 wurde eine Reihe von Schlüsselpositionen mit Nachwuchsleuten besetzt: So wurde etwa die ehemalige Fernsehjournalistin Natalja Ejsmant (*1984) Pressesprecherin von Lukašenka. Die belarusische Elite scheint also durchaus fähig zur Regeneration.[42] Dennoch wird Belarus trotz dieser technokratischen und professionellen Elemente in der Elite schlecht regiert. Immer wieder scheiterten Reformen, die die Staatsverwaltung effizienter gestalten sollten. Weder konnte die Qualität verbessert noch die Quantität der Staatsangestellten merklich verringert werden. Viele Posten in der Exekutive konnten nicht besetzt werden, da die Kaderersatzbank kurz ist und es an qualifiziertem Personal mangelt .[43]

In Belarus bestimmt allein der Patron an der Spitze den Zugang zu Ressourcen. Dies war nicht immer so. Zu Beginn seiner Machtergreifung enteignete Lukašenka schätzungsweise drei Viertel der wichtigsten Unternehmer.[44] Die Liegenschaftsverwaltung der Präsidialadministration (Kiraŭnictva spravami Prėzidenta Rėspubliki Belarus’) wurde zum wichtigsten Eigentümer und Machtbroker. Eigentumsrechte der verbliebenen Privatunternehmer hängen von der Loyalität zum Präsidenten ab. Dieses politökonomische Modell, das ohne Privatisierung in den 1990er Jahren auskam, ist der Grund dafür, dass keine mächtige Klasse von Oligarchen entstand, die eigene Ambitionen in der nationalen Politik verfolgte.[45] Magnate wie Uladzimir Pefcieŭ oder Juryj Čyž sind vor allem als Teilhaber des Lukašenka-Regimes zu verstehen, ohne dass sie jemals eine eigenständige politische Rolle gespielt hätten.[46]

Lukašenkas zentrales Organisationsprinzip der Elite ist ein pyramidales Netzwerk, an dessen Spitze er steht. So versucht er zu verhindern, dass rivalisierende Elitenfraktionen oder Clans an unabhängige Machtressourcen gelangen. Zu den Organisationsprinzipien dieser Machtpyramide gehören vertikale bürokratische Strukturen, die horizontales kollektives Handeln verhindern; stetige gegenseitige Kontrolle, wobei die Sicherheitsdienste, allen voran der KGB, als Wachhunde fungieren; überlappende Funktionen und Rivalitäten zwischen den Bürokratien, über die der Präsident als Schiedsrichter herrscht und nach dem Prinzip divide et impera dominiert; regelmäßige und häufige Säuberungen der Kader, was ein Klima der Angst erzeugt, gleichzeitig aber auch die Hoffnung weckt, dass später wieder eine Begnadigung ausgesprochen werden kann;[47] materielle Anreize wie überdurchschnittliche Gehälter und andere soziale Vergünstigungen, aber auch Gelegenheiten, um Renten abzuschöpfen, zumindest gilt das für die höheren Ränge in der Bürokratie; und letztlich auch eine korporative Denkweise.[48]

Stabilität und Krise im autoritären Regime

Zusätzlich zu den institutionellen und strukturellen Faktoren, die autoritäre Stabilität begünstigen, gilt die nationale Identität als eine wichtige Ursache für die Langlebigkeit des Autoritarismus in Belarus. So argumentiert etwa David Marples, dass Lukašenka das historische Erbe der Sowjetunion zu seinen Gunsten manipulierte und dafür breite Zustimmung von der Bevölkerung erntete.[49] Lucan Way erklärt autoritäre Stabilität damit, dass es im Land keine Strukturen gebe, die zu einer Spaltung der nationalen und regionalen Identität führen könnten. Das beraubte die Opposition der Möglichkeit, nationale Gegensätze für sich zu nutzen, um die Bürger gegen den amtierenden Präsidenten zu mobilisieren.[50] Zudem nehmen große Teile der Bevölkerung die nationale Mobilisierung, auf die Regimegegner wie die Belarusische Volksfront (Belaruski Narodny Front „Adradžėn’ne“, BNF) zurückgriff, als befremdlich wahr.

Diesen Erklärungen liegt zugrunde, dass der Regimewechsel vom sowjetischen Autoritarismus zu einem demokratischen Staat nicht nur den Aufbau demokratischer Institutionen, einer Marktwirtschaft und eines souveränen Staates erfordert, sondern auch die Herausbildung einer eigenen nationalen Identität.[51] Vertreter einer Variante dieses Identitätsarguments gehen davon aus, dass die Belarusen in ihren Werten und Einstellungen sowjetisch oder zumindest neosowjetisch geblieben seien. Da die Phase der nationalstaatlichen Unabhängigkeit zwischen dem Russländischen Reich und der Gründung und Konsolidierung der Sowjetunion nur kurz war und die wichtigste Phase der Nationsbildung mit der sozialistischen Modernisierung in der Sowjetunion zusammenfiel,[52] sei das sowjetische Erbe in Belarus viel stärker verankert als in anderen postsowjetischen Republiken. Da die politische Kultur dem Typ der Untertanenkultur entsprach – so die Logik –, seien die Belarusen unterwürfig oder würden gar eine starke Hand fordern, und dies umso mehr, da die Bevölkerung weitestgehend das neosowjetische Nationsbildungsprojekt von Lukašenka teilen würde.[53]

Gegen diese Argumentation ist einzuwenden, dass die von Lukašenka propagierte und tief im sowjetischen Erbe verankerte Ideologie die Bürger von oben beeinflusste und somit enge Grenzen setzte, wie sie die belarusische nationale Identität wahrnehmen und mit ihr umgehen. Der US-Historiker Timothy Snyder verglich die Wiedereinführung sowjetischer Staatssymbole und Renaissance sowjetischer Rhetorik von 1995 bis 2000 mit der Instrumentalisierung der Erinnerung im Nachkriegskommunismus.[54] 2003 und 2004 definierte die autoritäre Staatsführung die belarusische Staatsideologie, indem sie entsprechende Richtlinien erließ. Das Bildungsministerium verordnete eine ideologische Indoktrination an Universitäten. Für alle Studierenden wurden die „Grundlagen der Belarusischen Staatsideologie“ zu einem verbindlichen Lehrstoff.[55] Damit wollte der Staat die soziale und psychische Prägung der Jugend beeinflussen. Zu den persönlichen Charaktereigenschaften, die gestärkt werden sollen, um Gesellschaft und Staat zu dienen, zählen Fleiß, Sittlichkeit, bürgerliches Engagement, Patriotismus und Kollektivismus.[56] Seitdem bemüht sich die Staatsführung, diese neuen Richtlinien in der Praxis durchzusetzen, etwa bei öffentlichen Feierlichkeiten.[57] Trotz des Versuchs, eine belarusische Staatsideologie zu fördern, existieren im alltäglichen intellektuellen und kulturellen Leben von Belarus zahlreiche Vorstellungen von der nationalen Identität fort.[58]

In den letzten Jahren sprach Lukašenka das Thema der nationalen Identität immer wieder an, was auch in der politischen Elite nicht unbemerkt blieb. Dies ging sogar so weit, dass Lukašenka anlässlich des 70. Jahrestags der Befreiung im Zweiten Weltkrieg sowie des Unabhängigkeitstags seine Rede am 1. Juli 2014 erstmalig auf Belarusisch hielt.[59] In seiner Amtszeit als Kulturminister von 2009 bis 2012 war Pavel Latuška, der heute Präsidiumsmitglied des oppositionellen Koordinationsrats ist und nach Polen ins Exil getrieben wurde, einer der wenigen überzeugten Belarusisch-Sprecher in der Regierung. Er rief dazu auf „Kupljaece Belaruskae“ („Kauft Belarusisches“) –, nicht nur um die heimische Wirtschaft anzukurbeln, sondern auch um Belarus durch nationale Elemente und kulturelle Traditionen ein neues Profil zu verleihen.[60] Zur Förderung dieses belarusischen Profils gehörte, die Schlösser Mir (Mirski zamak) und Njasviž (Njasvižski zamak) zu nationalen Touristenattraktionen zu erklären, belarusisches Handwerk und nationale Küche zu bewerben, bei internationalen Sportgroßereignissen wie der Eishockeyweltmeisterschaft 2014 und den Europäischen Spielen 2019, Souvenirs mit nationalen Symbolen einzusetzen und die staatliche Fluggesellschaft Belavia einem nationalen Redesign zu unterziehen. Eine blaue Kornblume schmückt seit 2016 die Flugzeuge der nationalen Fluggesellschaft, das weiß-blaue Farbmuster löste rot-grün ab, das die Passagiere laut Betreiber mit der Sowjetunion assoziierten. Sportliche Erfolge von belarusischen Stars dienten nicht nur der persönlichen Profilierung von Lukašenka, sondern als Element der staatlichen Nationsbildung.[61] Dies war auch ein wichtiger Schritt, um der wachsenden kulturellen und ideologischen Präsenz Russlands durch russländische Medien in Belarus entgegenzutreten.[62] Was nationale Identität anbelangt, kreisen die Diskurse der Eliten sehr eng um Ideologie und Nationalkultur, wie sie die Staatsführung versteht. In der breiten Bevölkerung dagegen existiert ein viel offeneres und flexibleres Verständnis von nationaler Identität, hier bestehen verschiedene nationale Ideen und kulturelle Visionen nebeneinander.[63]

Wer die Stabilität der autoritären Herrschaft mit einer spezifischen Identität der Beherrschten erklären will, hat einen Faktor zu berücksichtigen: den Wandel durch den bloßen Lauf der Zeit. Die Alterskohorte der Lukašenka-Unterstützer wird zunehmend von einer jüngeren Generation abgelöst.[64] Belarusen sind inzwischen auch Stadtbewohner in der zweiten Generation. Sie investieren Zeit und Energie darin, sich die urbane Umgebung lebenswert zu machen und beteiligen sich an sozialen und anderen Bürgerinitiativen. Eine neue Wählergeneration kann sich nicht mehr an die Sowjetunion oder an einen anderen Staatschef als Lukašenka erinnern.

Auch die Sowjetnostalgie ist in Belarus weniger ausgeprägt, als oft angenommen wird. Laut einer Eurobarometer-Umfrage aus dem Jahr 2004 wollten nur etwa 22 Prozent der Befragten in Belarus in die kommunistische Vergangenheit zurück, wohingegen der Anteil in der Ukraine bei 25 und in Russland gar bei 38 Prozent lag. Entscheidender ist noch, dass diese Einstellung weniger von der postkommunistischen Transformationsphase als von der Sozialisierung in der Sowjetunion beeinflusst war.[65] Das Sowjeterbe ist also eine Konstante, welche die Regimekrise nicht erklären kann, da Zeit vergangen ist und der Anteil der Alterskohorten, die die Sowjetunion überhaupt erlebt haben, stark rückläufig ist. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2020 bevorzugen 56 Prozent im Alter von über 60 Jahren das sowjetische System, wohingegen 52 Prozent im Alter zwischen 18 und 40 Jahren das westliche Demokratiemodell befürworten.[66]

Insofern ist die Stabilität des autoritären Regimes kaum durch eine nationale Identität oder sowjetische Prägungen zu erklären. Vielmehr gründet die Stabilität in autoritären Regimen unabhängig von deren Typ auf drei Pfeiler: Legitimation, Repression und Kooptation.[67]


Legitimation

Während Legitimität einen Zustand beschreibt, ist Legitimation ein Prozess, der darauf zielt, Unterstützung zu generieren. Ein Regime „versucht, sich aktive Unterstützung, regelkonformes Verhalten, passiven Gehorsam oder lediglich Toleranz zu sichern“.[68] Allgemein wird angenommen, dass auch autoritäre Regime enormen Aufwand betreiben, um ihre Herrschaft zu rechtfertigen.

Diffuse Unterstützung, die für den dauerhaften Erhalt und Charakter des Regimes zentral ist, kann etwa durch die Berufung auf einen Gründungsmythos, eine Ideologie oder durch Personalismus generiert werden. Dagegen beruht spezifische, eher kurzfristige, auf erbrachte Leistungen ausgerichtete Unterstützung auf (ökonomischer) Leistungsfähigkeit (Performanzlegitimität), auf fairen oder als akzeptabel wahrzunehmenden Wahlverfahren (prozedurale Legitimität) sowie auf außenpolitischem Engagement und internationaler Anerkennung.[69] Die Erosion von Lukašenkas Legitimität begann schon lange vor der Präsidentschaftswahl im August 2020. Komplett eingebrochen ist sie aber durch die Wahlfälschung und die brutale Gewaltanwendung durch Sicherheitsapparate gegen die Protestierenden in der eigenen Bevölkerung. Die Delegitimierung des Regimes kann durchaus mit den genannten Indikatoren erklärt werden: Die zunehmend schlechte wirtschaftliche Lage sowie das staatliche Versagen in der Corona-Pandemie erlaubten es dem Regime immer weniger, Legitimität durch eigene Leistungsfähigkeit zu erzielen.[70] Die enttäuschende Leistung des Staates führte zu einem Einbruch der Zustimmung zur Staatsspitze. Dass nur noch drei Prozent der Bevölkerung Lukašenka unterstützten, wie es ein populäres Meme im Internet suggeriert, das auf eine nichtrepräsentative Online-Umfrage zurückgeht, ist sicher übertrieben. Nichtsdestotrotz brachen die Vertrauenswerte in den Staatschef massiv ein. Nachdem die Belarusische Akademie der Wissenschaften Ende März, Anfang April in Minsk eine Erhebung durchgeführt und ermittelt hatte, dass nur 24 Prozent der Befragten Lukašenka ihr Vertrauen schenkten, reagierte das Regime auf seine Art. Der verantwortliche Soziologe Genadz’ Koršunaŭ wurde im September entlassen.[71] Dieser Vertrauensverlust führte wiederum dazu, dass auch bei den Wahlen trotz des Einsatzes sogenannter „administrativer Ressourcen“ Lukašenkas reales Ergebnis dennoch einbrach.

Um zu verstehen, wie wichtig Lukašenkas Popularitätsverlust für die Regimedynamik ist, muss näher erläutert werden, welche Faktoren das Vertrauen in Lukašenka und seine Unterstützung bei Wahlen erklären können. Oleg Manaev, der Gründer des unabhängigen Umfrageinstitut IISEEPS, welches 2016 seine Aktivitäten einstellen musste, erklärt das Vertrauen in Lukašenka vor allem mit sozioökonomischen Faktoren: ältere, weniger gebildete Personen in ländlichen Gegenden unterstützen Lukašenka eher als andere Bevölkerungsgruppen.[72] Eine andere Untersuchung zeigt allerdings, dass es vor allem die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist, die ausschlaggebend für Lukašenkas Unterstützung war.[73] Bei Wahlen stimmten jene Personen für Lukašenka ab, die allgemein ihre Zustimmung zur Person Lukašenka äußern. Die Leistungsfähigkeit der Regierung oder sozialdemographische Charakteristika spielen demnach bei Wahlen eine geringere Rolle als die Zustimmung zum Präsidenten.[74] Zudem ist auch entscheidend, warum die Belarusen nun die Wahlen als unfair betrachten. Die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 waren sicher nicht die ersten, bei denen massiv gefälscht wurde. Eine vergleichende Studie ergab, dass die Menschen eher von fairen Wahlen ausgehen, die ohnehin dem Regime gegenüber positiv eingestellt sind und regelmäßig das staatliche Fernsehen schauen, während diejenigen, die schon einmal in westliche Demokratien gereist sind, seltener davon ausgehen.[75] Insbesondere der Einbruch der Zustimmung zu Lukašenka aufgrund der schlechten Wirtschaftslage und der Pandemie sorgten für Lukašenkas schlechte Wahlergebnisse. Danach hielt auch die breite Bevölkerung die Wahlen für unfair und manipuliert.

Lukašenka und seine Berater waren sich offensichtlich bereits vor den Wahlen über die mangelnde Zustimmung im Klaren und ließen deswegen vorsorglich die vermeintlich aussichtsreichsten Konkurrenten Sjarhej Cichanoŭski und Viktar Babaryka, inhaftieren. Babaryka hatte selbst nach offiziellen Angaben 435 119 Unterstützungsunterschriften für seine Kandidatur gesammelt. Angesichts der schlechten Ausgangssituation sah sich Lukašenka offensichtlich gezwungen, seine Wahlmaschinerie zu derart groben Fälschungen zu veranlassen, dass sie in der breiten Bevölkerung Ungläubigkeit auslösen mussten.

Das letzte Glied in der Kette des Legitimationsverlusts waren die massiven Repressionen gegen die friedlichen Demonstrantinnen und Demonstranten direkt nach den Wahlen. Diese Gewalt war der eigentliche Auslöser für die gewaltfreie Protestbewegung, die bis Anfang November 2020 ungebrochen war. Die Wahlfälschung und die Gewalt ließen Lukašenka international an Anerkennung verlieren. Die EU weigert sich bis heute, Lukašenka als legitimen Präsidenten anzuerkennen. Russland erkannte Lukašenkas „Wahlsieg“ dagegen bereits am 11. August an. Dadurch, dass Russland formal Lukašenka und seinem Krisenplan für eine Verfassungsreform[76] Unterstützung zusagte, sind Lukašenka und Belarus viel anfälliger für Einflussnahme aus Moskau geworden.[77]

Vor allem das Versagen der kurzfristigen, spezifischen Legitimationsstrategien trug zur Erosion der Legitimität bei und weniger die längerfristigen, diffusen Strategien, die auf einem Gründungsmythos oder einer Ideologie beruhen. Dies deckt sich mit der Feststellung, dass die Protestbewegung nicht so sehr von nationalen Symbolen oder der Sprachenfrage getrieben ist. Die Protestbewegung ist in erster Linie postnational und stellt Rechtsstaatlichkeit und die Würde des Menschen in den Vordergrund.[78]

Repression

Belarus wird oft als Polizeistaat bezeichnet. Dies impliziert, dass Zwangsmittel und Angst wichtige Herrschaftsinstrumente sind, um die Kontrolle über die Gesellschaft zu behalten. Nach den letzten verfügbaren offiziellen Angaben von 2016 gibt es in Belarus 39 000 Polizisten. Damit kommen 405 Polizisten auf 100 000 Einwohner. In Russland beläuft sich dieses Verhältnis auf 565 (2014), in Deutschland auf 297 (2016) und in den USA auf 206 (2017) Polizisten auf 100 000 Einwohner.[79] Polizisten sind jedoch nicht die einzigen siloviki, die an Repressionen gegen die Bevölkerung beteiligt sind: Es werden insgesamt mehrere Zehntausend Angehörige der Bereitschaftspolizei der Truppen des Inneren, der OMON, des KGB und der Armee eingesetzt.[80]

Gewöhnlich wird zwischen „harter“ und „weicher“ Repression oder zwischen Gewalt und Einschränkungen unterschieden.[81] Um einschätzen zu können, wie repressiv ein Regime ist, bedarf es des internationalen Vergleichs. Qualitative Einschätzungen über die Lage in Belarus in den 2000er Jahre lauten „eingeschränkt repressiv“.[82] Andere bewegen sich zwischen „moderat bis hoch repressiv“.[83] Quantitative Datenbanken wie Political Terror Scale[84] oder CIRI Human Rights Data Project[85] legen nahe, dass Belarus im Vergleich etwa zu Nordkorea, Iran oder Syrien als ein moderat repressives Regime einzustufen war. Beispiele für „harte“ Repressionen sind die Morde an vier Oppositionellen in den Jahren 1999 und 2000, die nicht aufgeklärt sind und aller Wahrscheinlichkeit nach vom Regime verübt wurden. Politische Gefangene werden häufig längere Zeit inhaftiert und quasi als „Geiseln“ genommen, um mit ihnen zu handeln, wenn es politisch opportun erscheint. So begnadigte Lukašenka im Jahr 2015 eine Reihe politischer Gefangener, darunter Mikola Statkevič, der 2010 bei der Präsidentschaftswahl kandidiert hatte, um die Beziehungen zur EU und den USA zu verbessern. Kurz danach ging Lukašenka wieder dazu über, Oppositionelle einzusperren.[86]

Das bevorzugte Herrschaftsinstrument des Regimes sind allerdings „weiche“ Repressionen: Dies sind jegliche Arten von Beschränkungen, die präventiv verhindern sollen, dass die Opposition überhaupt Handlungsfähigkeit erlangt. Das Regime beschneidet systematisch die Versammlungs-, Meinungs- und Vereinigungsfreiheit.[87] Nach einem Bericht eines Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen zur Lage der Menschenrechte in Belarus aus dem Jahr 2017 „wurde die Illegalität der Demonstrationen von den Behörden fabriziert“.[88] Etwa 900 Personen wurden damals willkürlich verhaftet und drangsaliert.

Nach der Präsidentschaftswahl im August 2020 erreichte das Ausmaß der harten und weichen Repressionen ein neues Niveau.[89] Große Teile der Bevölkerung, die vorher allenfalls im Stillen unzufrieden oder gar völlig unpolitisch gewesen waren, wurden dadurch politisiert. Mindestens fünf Menschen starben durch Polizeigewalt. Mitte November 2020 lag die Zahl der politischen Gefangenen bei 121.[90] Über 14 000 Personen wurden im Lauf von etwa zwei Monaten festgenommen und vorübergehend inhaftiert. Was bisher noch als einigermaßen gezielte und selektive Repressionen bezeichnet werden konnte, wurde binnen kurzer Zeit zu einem Massenphänomen. Die neue Qualität der Repression zeigt sich auch daran, dass selbst Verwandte von Regimetreuen von den willkürlichen Festnahmen betroffen sind. So wurden die Söhne des Vicebsker Bürgermeisters und des Generalstaatsanwalts sowie der Bruder der berühmten Biathletin Darja Domračëva festgenommen. Die Kapazitäten der Haftanstalten reichten bei weitem nicht aus. Selbst „weiche“ Repressionen stellten sich als äußerst kostspielig für das Regime heraus. Der Staatsapparat passte sich jedoch schnell an diese neue Realität an. Mal zog er die Schraube der Repression an, mal lockerte er sie. Zudem konzentrierten sich die gezielten Repressionen der Machtapparate auf die wichtigsten Oppositionellen wie die führenden Mitglieder des Koordinationsrats, auf die Streikkomitees und auf Journalisten.

Kooptation

Als Kooptation gelten Herrschaftspraktiken, die darauf zielen, strategisch wichtige Akteure an das Regime zu binden. Kooptation richtet sich vor allem auf die Bereiche Militär, Wirtschaft, Parteien oder ethnische Minderheiten. Aus der vergleichenden Autoritarismusforschung ist bekannt, dass die Stabilität eines Regimes umso höher ist, je stärker es die Kooptation institutionalisiert hat. Kooptiert werden kann über formale Kanäle, etwa nominell demokratische Institutionen wie Parlamente oder Wahlen, oder durch informelle Praktiken wie etwa die Begünstigung durch Staatsaufträge und Korruptionsrenten, zu denen ausgewählte Akteure, denen strategische Bedeutung zugemessen wird, in neopatrimonialen Systemen Zugang bekommen. In Belarus ist die dominante Rolle des Staates in der Wirtschaft und im intermediären Raum zwischen Staat und Gesellschaft zentral. Für das Lukašenka-Regime ist der Unterschied zwischen Insidern und Outsidern zentral. Insider werden mit diversen Praktiken an das Regime gebunden. Außenseiter gelten als „Volksfeinde“, werden verhaftet oder ins Ausland getrieben. Das Regime unternimmt alles, damit sie keinen Zugang zu staatsunabhängigen Ressourcen bekommen. Deutlich wird dies etwa daran, dass das Regime seit dem Jahr 2000 keine Partei mehr zulässt und nahezu alle unabhängigen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2010 Opfer von Repression wurden.

Ursprünglich schien es, dass Lukašenka dieser Haltung nach der Präsidentschaftswahl im August 2020 treu blieb. Jedoch war der Legitimitätsverlust so gravierend, dass noch nicht einmal die Repressionen die Protestbewegung zum Einhalten brachten. Dies zwang Lukašenka zu einem für ihn beispiellosen Schritt: Er organisierte im KGB-Gefängnis einen „Runden Tisch“ mit dem Ziel, wichtige politische Gefangene zu kooptieren. Er weigerte sich jedoch, mit der eigentlichen Repräsentantin der Protestbewegung, Svjatlana Cichanoŭskaja sowie dem Koordinationsrat zu verhandeln. Bei seinem „Runden Tisch“ wollte er vor allem Viktar Babaryka und Sjarhej Cichanoŭski dazu bewegen, seinen Plan für eine Verfassungsreform zur Lösung des Konflikts zu unterstützen. Dieser Versuch scheiterte kläglich: Maryja Kalesnikava weigerte sich, am „Gefängnisgespräch“ überhaupt teilzunehmen. Lediglich der Geschäftsmann Jurij Voskresenskij, der für Babaryka Wahlkampf gemacht hatte, wurde nach seiner Freilassung zum Sprachrohr des KGB, um öffentlich Werbung für Lukašenkas Verfassungsreform zu machen.[91] Die avisierte Spaltung der Opposition durch Kooptation war beendet, bevor sie richtig begonnen hatte.

Doppelherrschaft in Belarus?

Drei Monate nach Beginn der Proteste bleibt die Lage undurchsichtig. Vor den Wahlen hat Lukašenka eine Reihe von Fehlern begangen.[92] Er kontrolliert aber weiterhin die politischen Institutionen und Sicherheitsapparate. In den staatlichen Behörden wie der Präsidialverwaltung, der Staatsanwaltschaft, den Staatsmedien oder dem Außenministerium gab es auf der mittleren und niederen Ebene[93] eine Reihe von Rücktritten als Reaktion auf überbordende staatliche Gewalt und die Misshandlung der Protestierenden. Lukašenka brachte dies zum Stillstand, indem er den Preis für das Lossagen vom Regime erhöhte, indem er illoyale Bürokraten entließ und dem Machtapparat mit Repressionen drohte. Dadurch konnte eine weitere Destabilisierung des Regimes verhindert werden.[94]

Lukašenkas Position an der Spitze der Machtpyramide ermöglicht ihm schnelle Kaderrotationen, insbesondere auch in den Sicherheitsapparaten. So ernannte er Valeryj Vakultčyk zum Vorsitzenden des Sicherheitsrats und Ivan Tertel’ zum Chef des Inlandsgeheimdienstes KGB.[95] Andrej Šved erhielt den Posten des Generalstaatsanwalts. Unmittelbar nach seiner Amtsübernahme kündigte dieser an, dass jeder einzelne Protestierende zur Verantwortung gezogen werde.[96] Ende Oktober drehte sich das Kaderkarussell weiter: Vakultčyk wurde zum Präsidialaufseher für die Region Hrodna und Ex-Innenminister Karaeŭ zu einem solchen für die Region Brest ernannt, um dort die Kontrolle der Machtvertikale zu sichern. Lukašenka zeigte sich insbesondere um die Loyalität der Sicherheitsapparate bemüht, oft ließ er sich im Staatsfernsehen bei Sitzungen und Treffen mit siloviki zeigen. Weiche und harte Repressionen gegen Andersdenkende sind der Schmierstoff, mit denen Lukašenka die Sicherheitsapparate – insbesondere auch durch lediglich mündliche Befehle – zu Komplizen macht und diese somit an sich bindet.

Während Lukašenka seine Machtvertikale bisher kontrolliert, ist es der Opposition bislang nicht gelungen, eine hierarchisch organisierte politische Struktur zu schaffen, die ein ernsthaftes Gegengewicht zum autoritären Staat bieten könnte. Der bedeutendste Versuch, sich als Opposition zu organisieren, ist der Koordinationsrat für die Organisation des Prozesses für die Überwindung der Krise, kurz Koordinationsrat (Kaardynacyjnaja Rada pa arganizacyi pracėsu peraadolennja kryzisu). Dieser ist ein informelles Oppositionsgremium, welches sich auf Initiative von Svjatlana Cichanoŭskaja am 18. August 2020 bildete, um politische Forderungen zu stellen und mit der Lukašenka-Administration in Verhandlungen zu treten. Das Regime reagierte auf die Gründung des Koordinationsrats mit einem Strafverfahren. Es beschuldigte die Präsidiumsmitglieder, der nationalen Sicherheit von Belarus Schaden zufügen zu wollen. Die Präsidiumsmitglieder Maryja Kalesnikava, Maksim Znak und Lilija Vlasova[97] wurden verhaftet, andere ins Exil nach Polen oder Litauen getrieben.

Während der Wahlperiode hatten die neuen Bürgerinitiativen und politischen Kampagnen ein klares Ziel, eine definierte Struktur und ein politisches Mandat. Nach der Wahl begann mit den Protesten eine neue Herausforderung für die Opposition. Die gemeinsame Struktur der Kampagne, die die Teams von Cichanoŭskaja, Cepkala und Babaryka vereint hatte, begann auseinanderzudriften, da gezielte Repressionen Schlüsselpersonen und Wahlkämpfer dazu zwangen, sich ins Ausland abzusetzen. Dadurch entstand die Notwendigkeit, eine neue Struktur zu gründen, die die bestehende Oppositionskoalition verstetigen, Forderungen verlautbaren und mit Lukašenka in politische Verhandlungen eintreten würde. Der Koordinationsrat sollte eben jene Funktionen erfüllen. Ursprünglich gehörten dem Koordinationsrat Personen an, die entweder nominiert wurden oder sich selbst dafür beworben hatten. Die Bewerbungen wurden von Volha Kavalkova und Maksim Znak auf Grundlage der öffentlichen Profile der Kandidaten begutachtet.[98] Obwohl es durchaus auch Kritik an der Auswahl gab, erlaubte es die Struktur des Rates eine breite Koalition aufrechtzuerhalten, neue Akteure zu integrieren, die während der Repressionswellen an öffentlichem Ansehen gewannen oder bekannte Persönlichkeiten zu rekrutieren. Der Rat etablierte ein Verwaltungsgremium, welches aus sieben Mitgliedern besteht. Außerdem wurde ca. 70 weiteren Personen die ständige Mitgliedschaft zugesprochen.


Abbildung 1: Tätigkeitsprofil der Angehörigen des Präsidiums und der ständigen Mitglieder des Koordinationsrats der belarusischen Opposition

Eigene Zusammenstellung. Stand 23.10.2020 <https://rada.vision/en/council-governance>.

Nachdem ein Strafverfahren gegen den Koordinationsrat eröffnet wurde und Führungsmitglieder verhaftet oder ins Exil gedrängt waren, beschloss der Rat, dass er einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich sein sollte. Der erweiterte Rat umfasste Ende Oktober über 5000 Mitglieder. Obwohl die Mitglieder weiterhin Repressionen ausgesetzt sind, versucht der Rat, seine Tätigkeit aus dem Ausland fortzusetzen. Der Koordinationsrat bildete Arbeitsgruppen und vertritt nun die Opposition nach außen und pflegt Beziehungen zu ausländischen Regierungen und Zivilgesellschaften. In Belarus übernahm der Rat die Koordination der Protestbewegung. Dies war besonders deswegen wichtig, weil die Opposition im bestehenden Institutionsgefüge keinen Druck auf das Regime ausüben konnte. Die breite Bevölkerung dürfte allerdings wenig über den Koordinationsrat wissen. Diejenigen, die ihn kennen, sehen in ihm „eine Art Vertretung von allen Gesellschaftsschichten, der etwas Vertrauen entgegengebracht und die für recht effektiv gehalten wird“.[99] Der Einfluss des Rats auf die Protestbewegung ist gering, da diese in hohem Grad selbstorganisiert ist. Dennoch gelingt es bisher, den Schwung der Demonstrationen und Märsche im Land aufrecht zu erhalten.

Die Repressionen des Regimes nach der Präsidentschaftswahl 2020 zeugen davon, dass Lukašenka die staatlichen Institutionen noch fest im Griff hat und diese über genügend Kapazitäten verfügen, um die Entstehung und Institutionalisierung von neuen Oppositionsstrukturen und anderen Graswurzelbewegungen zu verhindern. Die politische Mobilisierung der Straße wurde durch die Repressionen allerdings erst recht angefacht. Um den Straßenprotesten etwas entgegenzusetzen, simulierte das autoritäre Regime Unterstützung, indem es Menschen aus ganz Belarus mit Bussen zu Pro-Lukašenka-Kundgebungen nach Minsk bringen ließ. Doch diese offiziösen Kundgebungen waren viel kleiner als die Protestmärsche und speisten sich wie diese aus ganz verschiedenen sozialen Schichten. Am 25. Oktober, dem sogenannten Tag des Volksultimatums, an dem Lukašenka nach Cichanoŭskajas Forderung spätestens hätte zurücktreten sollen, sagte Lukašenka sogar eine Kundgebung in letzter Minute aus fadenscheinigen Gründen ab. Dies lässt darauf schließen, dass viele Menschen in Belarus das Regime aus unterschiedlichen Gründen noch tolerieren, sich aber kaum mehr von diesem mobilisieren lassen.

Lukašenkas einziges politisches Angebot war eine Verfassungsreform. Dieser Vorschlag sollte Russland und der EU signalisieren, dass er zu Zugeständnissen bereit ist. Tatsächlich aber will Lukašenka seine Macht erhalten und den Status quo einfrieren.[100] Eine Verfassungsreform hatte er immer wieder versprochen, dies jedoch nie eingelöst.[101] Immer wieder hatte er Erwartungen geschürt, aber nie konkrete, verbindliche Angaben gemacht, wie diese aussehen soll. Nun kündigte er sogar an, dass nur ausgewählte nichtstaatliche Vertreter an einer Verfassungsdebatte teilnehmen dürfen.[102] Diese Weigerung, der neuen Oppositionsbewegung einen politischen Status zuzugestehen, wird die öffentliche Meinung nicht von Lukašenkas Verfassungsreform überzeugen. Die Protestbewegung und die Opposition werden an ihren Forderungen festhalten: eine Beendigung der Repressionen, Freilassung aller politischen Gefangenen und faire und freie Wahlen. Nur wenn diese Forderungen erfüllt sind, ist ein echter und glaubwürdiger Wandel im Land möglich.

 


[1]   Fabian Burkhardt: Concepts of the Nation and Legitimation in Belarus, in: Martin Brusis, Joachim Ahrens, Martin Schulze Wessel (Hg.): Politics and Legitimacy in Post-Soviet Eurasia. London 2016, S. 148–171.

[2]   Belarus: Systematic Beatings, Torture of Protesters. Human Rights Watch, 15.9.2020. – Statement of Mrs Anaïs Marin, UN Special Rapporteur on the situation of human rights in Belarus, at the Urgent Debate on the situation of human rights in Belarus Human Rights Council 45th session. ohchr.org, 18.9.2020.

[3]   Erica Chenoweth, Margherita Belgioioso: The Physics of Dissent and the Effects of Movement Momentum, in: Nature Human Behaviour, 10/2019, S. 1088–1095, <https://dash.harvard. edu/bitstream/handle/1/42332888/Nature_HB_final.pdf>.

[4]   Eti ljudi byli svjazany s kandidatami v prezidenty, a sejčas zaderžany ili uechali iz strany. Spisok. Tut, 18.9.2020.

[5]   Steven Levitsky, Lucan Way: Competitive authoritarianism: Hybrid regimes after the Cold War. New York 2010, S. 21.

[6]   Andrej Eliseeŭ: Voennye v regionach. Formirovanie personalistskogo voennogo režima blizko k zaveršeniju. Telegram, 30.10.2020.

[7]   Artem Šrajbman: Belarus Reshuffle Produces „Wartime Cabinet“. Carnegie, 12.6.2020.

[8]   Elena Korosteleva: Is Belarus a demagogical democracy? In: Cambridge Review of International Affairs, 3/2003, S. 525–533.

[9]   Kimitaka Matsuzato: A populist island in an ocean of clan politics: the Lukashenka regime as an exception among CIS countries, in: Europe-Asia Studies, 2/2004, S. 235–261.

[10] Fabian Burkhardt: Belarus, in: Anna Fruhstorfer, Michael Hein (Hg.): Constitutional Politics in Central and Eastern Europe: From Post-Socialist Transition to the Reform of Political Systems. Wiesbaden 2016, S. 463–493.

[11]  Luke March: Populism in the Post-Soviet States, in: Kaltwasser, Cristóbal Rovira u.a. (Hg.): The Oxford Handbook of Populism. Oxford 2017, S. 214–231, hier S. 220.

[12]  Zum patronalen Charakter: Henry Hale: Democracy or autocracy on the march? The colored re­vo­lutions as normal dynamics of patronal presidentialism, in: Communist and Post-Communist Studies, 3/2006, S. 305–329. – Steven Eke, Taras Kuzio: Sultanism in Eastern Europe: The Socio-Political Roots of Authoritarian Populism in Belarus, in: Europe-Asia Studies, 3/2000, S. 523–547. – Uladzimir Rouda: Belarus: Transformation from Authoritarianism towards Sultanism, in: Baltic Journal of Political Science, 1/2012, S. 62–76.

[13]  Henry Hale: Patronal politics: Eurasian regime dynamics in comparative perspective. New York, NY 2015.

[14]  Lucan Way: Deer in Headlights: Incompetence and Weak Authoritarianism after the Cold War, in: Slavic Review, 3/2012, S. 619–646.

[15]  Vitali Silitski: Still Soviet? Why dictatorship persists in Belarus, in: Harvard International Review, 1/2006, S. 46–53.

[16]  Matthew Frear: Belarus under Lukashenka: adaptive authoritarianism. London, New York 2019.

[17]  David S. Law, Mila Versteeg: Constitutional Variation among Strains of Authoritarianism, in: Tom Ginsburg, Alberto Simpser (Hg.): Constitutions in authoritarian regimes, Comparative constitutional law and policy. New York, NY 2014, S. 165–195.

[18]  Zakon RB O massovych meroprijatijach v Respublike Belarus’. Stat’ja 6. Porjadok rassmotrenija zajavlenija i vynesenie po nemu rešenija. Kodeksy.by. – Svjatlana Cichanoŭskajas Beauftragter für Verfassungsreform Anatol Ljabedcko hat ausgerechnet, dass etwa 40 Prozent der Verfassungsartikel nicht gelten, da sie formal von Gesetzen, Präsidialerlassen oder Behördenverordnungen ausgehebelt werden. Mestnoe samoupravlenie, Konstitucija i novye vybory. vystuplenie Anatolija Lebed’ko pered zaderžaniem, <https://youtu.be/Q6dJh9qgcX0>.

[19]  Diktatura – ėto naš brend. Bližajšaja soratnica Lukašenko – ego press-sekretar Natal’ja Ėjsmont. Ee nazyvajut čelovekom, kotoryj pomog prezidentu poterjat’ svjaz’ s real’nost’ju. Meduza, 26.08.2020.

[20] Andrei Arkadyev: Belarus: A case of unsuccessful semi-presidentialism (1994–1996), in: Robert Elgie, Sophia Moestrup (Hg.): Semi-presidentialism in Central and Eastern Europe. Manchester, New York 2008, S. 14–31. – Otto Luchterhandt (Hg.): Neue Regierungssysteme in Osteuropa und der GUS: Probleme der Ausbildung stabiler Machtinstitutionen. Berlin 2002. – Alexander Lukashuk: Constitutionalism in Belarus: A False Start, in: Jan Zielonka (Hg.): Democratic consolidation in Eastern Europe. Oxford, New York 2001, S. 293–318. – Astrid Sahm: Schleichender Staatsstreich in Belarus: Hintergründe und Konsequenzen des Verfassungsreferendums im November 1996, in: Osteuropa, 5/1997, S. 475–487.

[21] Burkhardt, Belarus [Fn. 10].

[22] Belarus’. Vremja, obraščennoe vspjat’. Human Rights Watch, 1998.

[23] Venice Commission: Opinion on the amendments and addenda to the Constitution of the Republic of Belarus as proposed by I. The President of the Republic (doc. CDL (96) 90) II. The Agrarian and Communist groups of parliamentarians (CDL (96) 71), 18.11.1996, <www.venice.coe.int/webforms/documents/default.aspx?pdffile=CDL-INF(1996)008-e>.

[24] Alexander Danilovich: Understanding Politics in Belarus, in: „Understanding Politics“ series, Department of Political Science, University of Aarhus 2001.

[25] Silvia von Steinsdorff: Das weißrussische Verfassungsgericht: Vom Verteidiger der demokratischen Verfassung zum Notar des autoritären Präsidialregimes, in: Osteuropa-Recht, 3/2012, S. 40–53.

[26]  Andrei Kazakevich: Judiciary and law enforcement authorities, in: Hans-Georg Wieck, Stephan Malerius (Hg.): Belarus and the EU: From isolations towards cooperation. Vilnius 2011, S. 79–95.

[27] Mikhail Pastukhou: Judiciary, in: Ales Antsipienka, Valer Bulhakau (Hg.): Belarus: Reform Scenarios. Warsaw 2003, S. 42–44, hier S. 43.

[28]  Maryia Rohava: Local governance and government administration: Belarus, Moldova, Ukraine. Swedish International Centre for Local Democracy, 2019, <www.academia.edu /42638003/Local_Governance_and_Government_Administration_in_Belarus>.

[29]  Kathleen J. Mihalisko: Belarus: retreat to authoritarianism, in: Karen Dawisha, Bruce Parrott (Hg.): Democratic changes and authoritarian reactions in Russia, Ukraine, Belarus, and Moldova. Cambridge, U.K.; New York 1997, S. 223–281.

[30] Jury Čavusau: Belarus’ Civic Sector, in: Marta Pejda (Hg.): Hopes. Illusions. Perspectives. Belarusian Society 2007. Warsaw, Minsk 2007, S. 6–15.

[31] Oleg Manaev: Media in Post-Soviet Belarus: Between Democratization and Reinforcing Autho­ritarianism, in: Demokratizatsiya, 2/2014, S. 207–229.

[32] Olena Nikolayenko: Youth Movements and Elections in Belarus, in: Europe-Asia Studies, 3/2015, S. 468–492. – Kristiina Silvan: From Komsomol to the Republican Youth Union: Building a Pro-presidential Mass Youth Organisation in Post-Soviet Belarus, in: Europe-Asia Studies, 8/2020, S. 1305–1328.

[33] Julia Korosteleva: Belarus: Heading towards State Capitalism? In: David Lane, Martin Myant (Hg.): Varieties of Capitalism in Post-Communist Countries. London 2007, S. 221–238.

[34] Volha Charnysh, Tatsiana Kulakevich: Belarusian Political Parties: Organizational Structures and Practices, 2016, <www.academia.edu/download/52767912/Belarusian_Parties.pdf>. – Sofie Bedford, Laurent Vinatier: Resisting the Irresistible: „Failed Opposition“ in Azerbaijan and Belarus Revisited, in: Government and Opposition, 4/2019, S. 686–714.

[35] Zakon Respubliki Belarus’ ot 4 oktjabrja 1994 g. № 3254-ChP „Ob obščestvennych ob”edinenijach“. Pravo.by.

[36] Charnysh Kulakevich, Belarusian political parties [Fn. 34].

[37] Bedford, Vinatier, Failed opposition [Fn. 34].

[38] Piotr Natchyk: The Belarusian nomenclature and lines of cleavage in it. Lukashenka’s cadre policy, in: Valer Bulhakaŭ (Hg.): The Political System of Belarus and the 2001 Presidential Election. Warsaw 2002, S. 105–120.

[39] Siarhei Bohdan: Who rules Belarus? Centre for Transition Studies. Belarusdigest, 31.5.2013.

[40] Vitali Silitski: Belarus: The Tsar and His Boyars. Transitions Online, 6.8.2004.

[41] Andrei Liakhovich: Belarusian elites – change and authoritarian rule, in: Sabine Fischer (Hg.): Back from the Cold? The EU and Belarus in 2009, S. 37–48.

[42] Ryhor Astapenia: Young Officials Get Positions, Old Crowd Waits for New Appointments, Belarus Digest, 2.12.2014. – Francisak Viacorka: Structure of Government elites within the regime of Alaksandar Lukashenka, American University School of International Service 2017 (Typoskript), <www.academia.edu/39745171/ Structure_of_Government_elites_within_the_regime_of_Alaksandar_Lukashenka>.

[43] Liberal’nyj Klub: Al’ternativnyj vzgljad na reformu sistemy gosudarstvennogo upravlenija v Belarusi. Liberalclub.biz, 2012. – Nikolai Burov: Presidential Administration: Preparing for the sixth presidential term, in: Valeria Kostyugova, Anatoly Pankovski (Hg.): Belarusian Yearbook 2020. Vilnius 2020, S. 11–18. – Yauheni Preiherman: Belarusian Government: Getting Older and Less Capable of a Reform. Belarus Digest, 9.7.2013.

[44] Tadeusz Giczan: The Rise of Belarusian Oligarchs. Cepa.org, 30.7.2020.

[45] Zum Wirtschaftssystem siehe den Beitrag von Roland Götz in diesem Heft, S. 35–59.

[46] Bohdan, Who rules Belarus? [Fn. 39]. – Tadeusz Giczan: Lukashenko’s Penultimate Elections. Waidelotte.org, 20.6.2020.

[47] Silitski, The Tsar and the Boyars [Fn. 40].

[48] Liakhovich, Belarusian elites [Fn. 41].

[49] David R. Marples: Color Revolutions: The Belarus case, in: Communist and Post-Communist Studies, 3/2006, S. 351–364.

[50] Lucan Way: The Sources of Authoritarian Control after the Cold War: East Africa and the Former Soviet Union, in: Post-Soviet Affairs, 4/2012, S. 424–448.

[51] Taras Kuzio: Transition in Post-Communist States: Triple or Quadruple? In: Politics 3/2001, S. 168–177.

[52] Nelly Bekus: Struggle over Identity: the Official and the Alternative „Belarusianness“. Budapest 2010.

[53] Irina Bugrova: Politische Kultur in Belarus: Eine Rekonstruktion der Entwicklung vom Großfürstentum Litauen zum Lukaschenko-Regime, Arbeitspapier des FKKS an der Universität Mannheim, 1998, <http://fkks.uni-mannheim.de/publikationen/fkks18.pdf> – Grigory Ioffe: Culture Wars, Soul-Searching, and Belarusian Identity, in: East European Politics and Societies, 2/2007, S. 348–381.

[54] Timothy Snyder: Introduction, in: East European Politics and Societies, 3/2010, S. 3–5.

[55] Prikaz Ministerstva Obrazovanija Respubliki Belarus’ ot 16.12.2003 N 497 „Ob ideo­logičeskom soprovoždenii vospitatel’noj raboty“, <http://miu.by/kaf_new/upload_files/kaf_ideology/miu_by_ob_ideologich_sopr_vospitatel_raboti.pdf>.

[56] Katsiaryna Yakouchyk: Belarusian State Ideology: A Strategy of Flexible Adaptation, Arbeitspapier des Jean Monnet-Lehrstuhls Universität Passau, 2019, <https://opus4.kobv.de/opus4-uni-passau/ frontdoor/deliver/index/docId/602/file/Working+Paper+Yakouchyk.pdf>.

[57] Maryia Rohava: The politics of state celebrations in Belarus, in: Nations and Nationalism, <https://doi.org/10.1111/nana.12653>.

[58] Burkhardt, Concepts of the Nation [Fn. 1].

[59] Prezident Respubliki Belarus’: Vystuplenie Prezidenta A.G. Lukašenko na toržestvennom sobranii i koncerte masterov iskusstv Belarusi i Rossii, posvjaščennych 70-oj godovščine osvoboždenija Respubliki Belarus’ ot nemecko-fašistskich zachvatčikov i Dnju Nezavisimosti Respubliki Belarus’ (Dnju Respubliki). president.gov.by, 1.7.2014,

[60] Burkhardt, Concepts of the Nation [Fn. 1], hier S. 161–163.

[61] Ryhor Nizhnikau, Niko Alvari: Ice Hockey World Championship in Belarus: Political Context in: Andrey Makarychev, Alexandra Yatsyk (Hg.): Mega Events in Post-Soviet Eurasia, Mega Event Planning. New York 2016, S. 79–98.

[62] Joanna Szostek: Russian Influence on News Media in Belarus, in: Communist and Post-Communist Studies, 2–3/2015, S. 123–135.

[63] Maryia Rohava: Identity in an Autocratic State: Or What Belarusians Talk about When They Talk about National Identity, in: East European Politics and Societies, 3/2018, S. 639–668.

[64] Kristin M. Bakke, Gerard Toal, John O’Loughlin: Is Belarus in the midst of a generational upheaval? Globalvoices.org, 17.9.2020.

[65] Sergiu Gherghina, Lina Klymenko: Why Look Back? In: Problems of Post-Communism, 1/2012, S. 55–65.

[66] Die repräsentative Umfrage wurde im Januar 2020 per Face-to-Face-Befragung von einem internationalen Forscherteam durchgeführt, das dafür ein nicht näher identifiziertes Umfrageinstitut in Belarus beauftragte. Die Respondenten konnten bei der Frage nach dem besten politischen System wählen zwischen: dem sowjetischen System, dem aktuellen System in Belarus, westlicher Demokratie oder dem russischen System. What’s driving the Belarus protests? Washington Post, 21.8.2020.

[67] Johannes Gerschewski: The Three Pillars of Stability: Legitimation, Repression, and Co-optation in Autocratic Regimes, in: Democratization 1/2013, S. 13–38. Das Modell wurde am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) entwickelt.

[68] Ebd., S. 18.

[69] Seraphine Maerz: The Many Faces of Authoritarian Persistence: A Set-Theory Perspective on the Survival Strategies of Authoritarian Regimes, in: Government and Opposition, 1/2020, S. 64–87.

[70] Andrei Vardomatski: Belarus vor den Wahlen: Einige soziologische Aspekte, in: Belarus-Analysen, 50/2020, S. 7–10. – Bakke, Is Belarus in the midst [Fn. 64]. – Astrid Sahm, Der riskante Sonderweg. Belarus und das Virus, in: Osteuropa, 3‒4/2020, S. 99‒110.

[71] Iz Akademii nauk uchodit glava Instituta sociologii. Ėto on priznaval, čto vesnoj urovenʼ doverija Lukašenko v Minske byl 24%. Tut, 17.9.2020.

[72] Trends of change in Belarusian public opinion. <www.iiseps.org/?p=114>. Manaev: Belarusi nužna buržuazno-demokratičeskaja revoljucija. Tut, 23.1.2014. – Oleg Manaev: Transformacija ėlektorata, in: Ders.: (Hg.): Prezidentskie vybory v Belarusi: ot ograničennoj demokratii k neograničennomu avtoritarizmu. Vilnius 2006, S. 45–85.

[73] Lina Klymenko, Sergiu Gherghina: Determinants of Positive Attitudes towards an Authoritarian Regime: The Case of Belarus, in: The Soviet and Post-Soviet Review, 2/2012, S. 249–269.

[74] Ian McAllister, Stephen White: Lukashenka and His Voters, in: East European Politics & Societies, 2/2015.

[75] Ian McAllister und Stephen White: Electoral Integrity and Support for Democracy in Belarus, Russia, and Ukraine, in: Journal of Elections, Public Opinion and Parties, 1/2015, S. 78–96.

[76] Fabian Burkhardt: The Standoff over Constitutional Reform in Belarus Leaves the EU and Russia on Opposite Sides of the Barricades, in: Russian Analytical Digest, 257/2020, S. 5–7.

[77] Siehe dazu auch die Beiträge von Maksim Samorukov, S. 281–290, sowie Sabine Fischer, Janis Kluge und Astrid Sahm in diesem Band, S. 291–304.

[78] Olga Šparaga: Belarus – eine res publica. In: Osteuropa-Blog „Fokus Belarus“, 18.8.2020, <www.zeitschrift-osteuropa.de/blog/belarus-eine-res-publica/>.

[79] Alle Angaben nach Statista. <www.statista.com/statistics/529925/police-personnel-rate-in-canada-and-us/>. – <www.statista.com/chart/2987/the-most-heavily-policed-countries-in-the-world/>. – <www.statista.com/chart/16515/police-officers-per-100000-inhabitants-in-the-eu/

[80] Skol’ko v Belarusi milicionerov? A skol’ko čelovek v armii? Probuem podsčitat’ čislo silovikov. Tut, 24.07.2020. – Belorusskie siloviki „po poločkam“: skol’ko stvolov u Lukašenko. MK.ru, 8.8.2020.

[81] Dag Tanneberg: The Politics of Repression under Authoritarian Rule. How Steadfast is the Iron Throne? Cham 2020.

[82] Steven Levitsky, Lucan Way: Competitive authoritarianism: hybrid regimes after the Cold War. New York 2010.

[83] Margarita M. Balmaceda: Understanding repression in Belarus, in: Robert I. Rotberg (Hg.): Worst of the worst: dealing with repressive and rogue nations. Cambridge, Mass., Washington, D.C. 2007, S. 193–222.

[84] The Political Terror Scale, 2020, <www.politicalterrorscale.org>.

[85] David Cingranelli, Davids Richard, K. Chad Clay: CIRI Human Rights Data Project, 2014, <www.humanrightsdata.com/>.

[86] Auch Statkevič wurde wieder festgenommen und im Mai 2020 zu 2x14 Tagen Haft verurteilt. Er ist bis heute im Gefängnis. Stand.15.11.2020

[87]  EU 2018 report Human rights in Belarus: The EU’s role since 2016. Brüssel 2018, <www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2018/603870/EXPO_STU(2018)603870_EN.pdf>. – Human rights watch 2018 report on Belarus. New York 2020, <www.hrw.org/ world-report/2018/country-chapters/belarus>.

[88] Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Belarus, 21.4.2017, S. 10, <https://ap.ohchr.org/documents/dpage_e.aspx?si=A/HRC/35/40 >.

[89] OSCE ODIHR: OSCE Rapporteur’s Report under the Moscow Mechanism on Alleged Human Rights Violations related to the Presidential Elections of 9 August 2020 in Belarus. Warsaw: Organization for Security and Co-operation in Europe, 5.11.2020, <www.osce.org/odihr/469539>.

[90] There are 121 political prisoners in Belarus as of November 9, 2020. Viasna. <https://spring96.org/en/news/49539>.

[91] Jurij Voskresenskij: Lukašenko nam v SIZO skazal: ėto moj poslednij srok. Kljanus’ det’mi. Komsomol’sjaka Pravda, 23.10.2020, < www.kp.by/daily/217199.5/4309403/>.

[92] Tatsiana Kulakevich: Belarus, Explained: How Europe’s Last Dictator Could Fall. The Conversation 2020, <https://theconversation.com/belarus-explained-how-europes-last-dictator-could-fall-144711>.

[93] Artem Šrajbman: Belorusskaja nomenklatura ne raskololas’ tak, kak ot nee ožidali, Telegram, 22.9.2020, <https://t.me/shraibman/275>.

[94] Julian G. Waller: Institutional Constraints and Possibilities in Semi-Revolutionary Belarus. Baltic Worlds 2020.

[95] Lukašenko peretasoval silovoj blok: Vakulčik – v Sovbez, Tertelʼ – v KGB. Tut, 3.9.2020.

[96] Genprokuratura: ni odin organizator i učastnik nesankcionirovannych akcij ne ujdet ot otvetstvennosti. Tut, 24.9.2020.

[97] Vlasova wurde nach dem „Runden Tisch“ im KGB-Gefängnis am 19. Oktober aus dem Gefängnis entlassen, am 23. Oktober 2020 wurde ihr Hausarrest aufgehoben, das Strafverfahren bleibt allerdings bestehen.

[98] Coordination Council: Council Membership, 23.10.2020, <https://rada.vision/en/council-governance>.

[99] Ryhor Astapenia: What Belarusians Think About Their Country’s Crisis. Chatham House, 21.10.2020.

[100]  Fabian Burkhardt: The Standoff over Constitutional Reform [Fn. 76].

[101]  Fabian Burkhardt, Maryia Rohava: Verfassungspolitik und nationale Souveränität in Belarus, in: Belarus-Analysen, 42/2019, S. 2–16.

[102] President of Belarus, Press Office: Vstreča s političeskim aktivom strany. 16.10.2020, <http://president.gov.by/ru/news_ru/view/vstrecha-s-politicheskim-aktivom-strany-24526/>.

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