Titelbild Osteuropa 3-4/2020

Aus Osteuropa 3-4/2020

Im Konsens
Pandemiebekämpfung in der Slowakei

Andrea Kluknavská, Tomáš Gábriš

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Abstract in English

Abstract

In der Slowakei fiel der Regierungswechsel nach den Parlamentswahlen in die heiße Phase des Kampfs gegen die Sars-CoV-2-Pandemie. Der vor Ausbruch der Pandemie erwartete politische Kurswechsel fiel aus. Die neue Regierung setzte die Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaftstätigkeit fort und weitete sie aus. Konflikte gab es nur über das rasch verabschiedete Gesetz zur Speicherung und Nutzung von Mobilfunkdaten. Das Gesetz verleiht den Gesundheitsbehörden zwar weniger Kompetenzen, als in einem ersten Entwurf vorgesehen war. Gleichwohl will die Opposition vor das Verfassungsgericht ziehen. Je stärker sich die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemiebekämpfung bemerkbar machen, desto mehr wird der Konsens bröckeln.

(Osteuropa 3-4/2020, S. 79–88)

Volltext

In der Slowakei wurde die erste Sars-CoV-2-Infektion am 19. März 2020 bestätigt.[1] Zu diesem Zeitpunkt galt bereits seit einer Woche der Ausnahmezustand. Diesen hatte die bei den Parlamentswahlen Ende Februar bereits abgewählte, aber noch bis zum 20. März amtierende Regierung unter Peter Pellegrini am 12. März unter Berufung auf das Zivilschutzgesetz ausgerufen.[2]

Den Notstand hingegen rief die Regierung am 15. März zunächst nur für Teile des Gesundheitssystems aus. Von da an galten für das Personal von Krankenhäusern eine Arbeitspflicht und ein Streikverbot.[3] Zunächst trat diese Regelung nur in einigen in der Verordnung aufgezählten Regionen in Kraft, am 19. März weitete die Regierung den Notstand im Gesundheitssystem auf das gesamte Land und zudem über Krankenhäuser hinaus auch auf zahlreiche weitere staatliche und private Einrichtungen des Gesundheitswesens aus.

Die seit 21. März amtierende Regierung unter Igor Matovič, dessen Partei OĽANO als Sieger aus den Parlamentswahlen hervorgegangen war, übernahm diese und zahlreiche weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die die Regierung Pellegrini in den letzten Tagen ihrer Amtszeit zur Verlangsamung der Ausbreitung des Virus sowie zur Dämpfung der sozialen und ökonomischen Folgewirkungen der Pandemiebekämpfung verhängt hatte. Zudem weitete sie die Notstandsregelungen aus. So gilt der Notstand seit dem 28. März auch für Einrichtungen der Altenpflege, Kinderheime und andere soziale Einrichtungen.[4]

Vor den Osterfeiertagen, die in der Slowakei oft für Verwandtenbesuche genutzt werden, erweiterte die Regierung die Notstandsregelungen und schränkte die Freizügigkeit auf dem Gebiet der Slowakei ein. Über das verlängerte Osterwochenende war es verboten, den Regierungsbezirk (okres), in dem man seinen Wohnsitz hat, zu verlassen. Einwohner von Bratislava sowie von Košice, der zweitgrößten Stadt des Landes, durften ihren Wohnort nicht verlassen. Ausgenommen waren Fahrten zum Zwecke des Einkaufs von Lebensmitteln, Medikamenten, Tierfutter sowie zur Betreuung von Kindern oder hilfsbedürftigen Angehörigen, ebenso Fahrten zur Arbeit. Ministerpräsident Igor Matovič hatte sogar gefordert, dass zum Zwecke der Pandemiebekämpfung das gesamte öffentliche Leben für vier Wochen stillgelegt werden müsse. Es blieb unklar, was er damit meinte und der Vorschlag fand auch in seiner Regierungskoalition keine Unterstützung. Mit der Überwachung der Einhaltung der Notstandsmaßnahmen beauftragte die Regierung die Polizei und die Armee. Verstöße gegen einen der Beschlüsse zur Pandemiebekämpfung werden als Gefährdung der öffentlichen Gesundheit gewertet und mit einem Bußgeld von 1659 Euro geahndet, das das örtliche Gesundheitsamt auferlegt.[5]

Administrative Beschränkungen – Maßnahmen der Gesundheitsbehörde und des Zentralen Krisenstabs
Grenzschließungen

Die Slowakei schloss als eines der ersten Länder in Europa ihre Grenzen, um eine Ausbreitung der Pandemie zu verhindern. Am 12. März verfügte der Zentrale Krisenstab die Schließung der drei internationalen Flughäfen des Landes – in Bratislava, Košice und Poprad ‒ und stellte den grenzüberschreitenden sowie den innerstaatlichen Bahn- und Busfernverkehr ein, ausgenommen den Warentransport. Am 13. März untersagte die Regierung den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Bahnen und Bussen vollständig. Zudem wurden alle kleineren Grenzübergänge geschlossen und an den wenigen weiter geöffneten großen Grenzübergängen Kontrollen eingeführt. Einreisen dürfen nur Personen mit einer dauerhaften oder befristeten Aufenthaltsberechtigung in der Slowakei.

Allen Einreisenden wurde die Pflicht auferlegt, sich in eine zweiwöchige häusliche Quarantäne zu begeben. Diese Regelung wurde am 6. April verschärft. Seitdem werden alle Einreisenden in regionale Quarantänezentren gebracht und dort auf Sars-CoV-2 getestet.[6] Ist das Laborergebnis nach einigen Tagen eingetroffen und der Text negativ ausgefallen, dürfen sie zwar das Quarantänezentrum verlassen, müssen sich nun aber noch in eine vierzehntägige häusliche Quarantäne begeben. Verstöße gegen die Quarantäneanordnung werden mit einem Bußgeld von 1659 Euro geahndet.

Gleichzeitig wurde für slowakische Staatsbürger und Personen mit Aufenthaltsgenehmigung, die aus dem Ausland in die Slowakei zurückkehren wollen, die Pflicht eingeführt, ihre Reise anzumelden. Ziel der Maßnahme ist es, die Belegung der Quarantänezentren zu planen. Unmittelbar nach ihrer Einreise müssen sie sich zudem telefonisch oder per E-Mail bei ihrem Hausarzt melden.

Die genannten Regelungen gelten nicht für Pendler. Darunter versteht die Verordnung Personen, die ihren Wohnort maximal 30 Kilometer von der Staatsgrenze entfernt haben und einen Arbeitsvertrag bei einem Unternehmen in einem Nachbarland an einem Arbeitsort haben, der ebenfalls nicht weiter als 30 Kilometer von der Grenze entfernt liegen darf. Zudem ist bei den Grenzbeamten eine Bestätigung des Arbeitgebers vorzulegen, dass die aktuelle Fahrt zum Zwecke der Arbeit erfolgt. Auch ist eine gültige Telefonnummer anzugeben.[7]

Zur schnelleren Abfertigung von Lastwagen mit bestimmten Waren – Medikamente, medizinische Ausrüstung, Lebensmittel, Treibstoffe, lebendes Vieh und Geflügel, produktionsrelevante Halbfabrikate und Postpakete ‒ wurden an den Grenzen Grüne Spuren eingerichtet, die nur von LKW mit dieser Fracht genutzt werden dürfen.

Beschränkungen von Wirtschaftstätigkeit

Bereits am 12. März beschloss der Krisenstab auch, dass Hallenbäder, Skigebiete, Diskotheken, Fitnesszentren und ähnliche Einrichtungen schließen müssen. Öffentliche Veranstaltungen wurden untersagt, Restaurants dürfen nur noch einen Liefer- und Abholservice anbieten.

Ebenfalls schließen mussten ab 16. März zahlreiche Einzelhandelsgeschäfte und Dienstleistungsunternehmen.[8] Am 1. April wurde die Liste der Geschäfte und Dienstleister, denen die Öffnung nicht untersagt ist, um einige wenige Sparten erweitert. Optiker, Buchläden, Fahrradgeschäfte, Elektronikgeschäfte, Farb- und Lackgeschäfte, Baumärkte, Gartencenter, Wertstoffhöfe und Schlüsseldienste dürfen seitdem wieder öffnen. Auch Anwälte müssen ihre Kanzlei nicht mehr geschlossen halten.

Alle Geschäfte, die geöffnet haben, dürfen nur mit bedeckten oberen Atemwegen betreten werden (Maske, Schal, Tuch, etc.). Am Eingang müssen die Hände desinfiziert oder ausgelegte Einmalhandschuhe angezogen werden. In Warteschlangen muss ein Abstand von zwei Metern eingehalten werden, die Zahl der gleichzeitig Einkaufenden darf nicht höher liegen als eine Person pro 25 Quadratmeter angemeldeter Ladenfläche.

Schulschließungen

Die ersten Einschränkungen im Bereich der Schulen gab es bereits drei Wochen vor dem ersten positiven Sars-CoV-2-Test in der Slowakei. Am 28. Februar verbot das Ministerium für Schule, Wissenschaft, Forschung und Sport auf Anraten des Krisenstabs alle Ausflüge, Exkursionen und Schulwettbewerbe. Am 16. März wurden für zunächst 14 Tage alle Kindergärten, Grund- und Mittelschulen sowie alle Fachhochschulen und Universitäten geschlossen. Alle Präsenzveranstaltungen sind bis zu einem neuen Beschluss verboten.

Sonderbehandlung für Roma

Spezielle Maßnahmen zur Covid-19-Bekämpfung setzte die Regierung bei der Roma-Bevölkerung ein. Am 3. März begannen in ausgewählten Roma-Gemeinden Pilot-Testreihen, die die Regierung als freiwillig bezeichnete. Der Krisenstab erklärte, er habe damit auf Informationen reagiert, dass es in Roma-Siedlungen Personen gebe, die aus dem Ausland zurückgekehrt seien und „sich gesundheitlich schlecht fühlten, einen Arztbesuch jedoch scheuten. Sie kommen aus dem Ausland und wohnen dann an einem Ort, an dem oft bis zu zehn Personen in einer Wohnung leben, manche haben keinen Zugang zu Trinkwasser und Kanalisation. Von der Einhaltung der Hygienevorschriften und erst recht der häuslichen Quarantäne kann dort keine Rede sein.“

Rege Gesetzestätigkeit

Nachdem einige Schulleiter und Universitätsrektoren den Schul- und Lehrbetrieb eingestellt hatten und dann die Gesundheitsämter eine allgemeine Schließung verfügt hatten, änderte die Regierung mit Gesetz 56/2020 vom 24. März das Schulgesetz und ermöglichte es dem Bildungsminister, im Falle der Ausrufung des Ausnahmezustands, des Notstands oder einer außerordentlichen Lage eine Einstellung des Unterrichts zu verfügen oder Prüfungstermine zu verschieben.

Den größten Eingriff in die Rechtsordnung brachten die Gesetze, die in schneller Abfolge ab dem 25. März verabschiedet wurden. Den Auftakt machte das sogenannte „Lex Corona“.[9] Die umstrittenste Regelung dieses Gesetzes war die Änderung des Telekommunikationsgesetzes 351/2011. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf sah vor, dass zur Überwachung der Einhaltung der Quarantänevorschriften Lokalisierungsdaten der Mobiltelefone aller Bürger der Slowakei erhoben werden können. Solchen Quarantänevorschriften ist jedoch nur einer kleiner Kreis von Bürgern unterworfen – jene, die positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden, Personen, mit denen sie in Kontakt standen, sowie Personen, die aus dem Ausland zurückgekehrt sind. Die schließlich verabschiedete Fassung geht weniger weit und sieht nun vor, dass während eines Ausnahmezustands oder eines Notstands im Gesundheitssystem, die in ursächlichem Zusammenhang mit einer Pandemie oder der Ausbreitung einer für den Menschen gefährlichen Ansteckungskrankheit ausgerufen wurden, Daten, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen – Telefonnummer, Name und Wohnsitz ‒ sowie Informationen über den Entstehungszeitpunkt von Lokalisationsdaten

a) in anonymisierter Form zu statistischen Zwecken verwendet werden, um eine Vorhersage, eine Vorbeugung und eine Modellierung der Entwicklung der Bedrohung für Gesundheit und Leben zu ermöglichen.

b) zur Identifizierung der Empfänger von Nachrichten verwendet werden, denen die individuellen Maßnahmen der Gesundheitsbehörden zum Zwecke des Schutzes von Gesundheit und Leben mitgeteilt werden müssen.

Die Daten werden vom Mobilfunkbetreiber auf eine begründete schriftliche Bitte hin an das staatliche Gesundheitsamt weitergegeben. Das Gesundheitsamt kann die Daten sammeln, verarbeiten und speichern, solange der Ausnahmezustand oder der Notstand im Gesundheitssystem gilt, maximal aber bis zum 31. Dezember 2020.

Obwohl die Änderung des Telekommunikationsgesetzes Belange des Datenschutzes viel besser berücksichtigt, als dies der Entwurf getan hatte, kündigte die Oppositionspartei Smer an, das Gesetz vom Verfassungsgericht prüfen zu lassen, da es grob gegen die Bürgerrechte verstoße. Zudem sei nicht klar, welche Angestellten des staatlichen Gesundheitsamts Zugang zu den Daten haben, wie die Behörde mit den Daten umgeht und wer sie kontrolliert.

Neben der Änderung des Telekommunikationsgesetzes brachte die Lex Corona auch zivilrechtliche Übergangsregelungen. Die gesetzlichen Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen aus privatrechtlichen Verträgen vor Gericht, deren Ablauf zu einem Erlöschen der Ansprüche geführt hätte, sind ausgesetzt. Die Fristen beginnen erst am 30. April wieder zu laufen. Gerichte können jedoch abweichende Regelungen festlegen, eine solche Entscheidung ist nicht anfechtbar. Ebenso wurden gesetzliche Fristen in verwaltungsrechtlichen Verfahren ausgesetzt. In Strafrechtsverfahren wurden lediglich die Fristen für das Einlegen von Rechtsmitteln durch die Verteidigung und die geschädigte Partei ausgesetzt. Zudem finden Verhandlungen, Hauptverhandlungen und öffentliche Sitzungen der Gerichte in der Zeit der Geltung des Ausnahmezustands und der Notlage nur im unerlässlichen Ausmaß und in aller Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das entsprechende Gericht muss jedoch eine Audioaufzeichnung der gesamten Verhandlung anfertigen.

Schließlich verlängert das Corona-Gesetz die Frist, innerhalb derer ein Unternehmer, der zwischen 12. März und 30. April anfallenden Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann, Konkurs anmelden muss. Sie beträgt nun 60 Tage. Verpfändungen sind bis zum 30. April ausgesetzt, entsprechende Anordnungen nichtig.

Ein Eingriff in das Unternehmensrecht ist auch die Klausel, der zufolge nach dem Zivilrecht oder dem Handelsrecht gegründete Organisationen zu Zeiten eines Ausnahmezustands oder eines Notstands Abstimmungen per Brief durchführen oder die Sitzung als Videokonferenz organisieren können, auch wenn ihre Satzung dies nicht vorsieht.

Wegen Problemen bei der Beschaffung wichtiger medizinischer Ausrüstung wurde mit dem „Lex Corona“ auch Gesetz 343/2015 über die öffentliche Beschaffung geändert und für die Zeit des Notstands oder des Ausnahmezustands im Falle essentieller medizinischer Güter die Pflicht zur Ausschreibung aufgehoben.

Voraussichtlich wird auch ein gesetzliches Verbot erlassen, Schutzmasken der Kategorie FFP2 und FFP3 zum persönlichen Gebrauch zu verwenden oder sie an Personen zu verkaufen, die nicht im Gesundheitswesen arbeiten, soll erlassen werden. Die Strafe bei Zuwiderhandlung soll zwischen 1000 und 10 000 Euro liegen. Geändert werden soll auch das Gesetz über Schutz und Förderung der öffentlichen Gesundheit aus dem Jahr 2007. Die Vollmachten des Gesundheitsministers, während einer Krisensituation bestimmte Tätigkeiten im notwendigen Ausmaß und für den notwendigen Zeitraum zu verbieten, sollen erweitert werden. Das Arzneimittelgesetz soll so geändert werden, dass es dem Gesundheitsminister zukünftig erlaubt ist, den Export von Arzneimitteln und anderen für das Gesundheitswesen wichtigen Gütern zu untersagen.

Neben der „Lex Corona“ wurden im Eilverfahren weitere Gesetze vorbereitet und verabschiedet. Gesetz 63/2020 vom 25.3.2020 brachte eine Änderung im Bereich der Sozialversicherung. Anspruch auf Erhalt des Krankengeldes haben nun auch jene Versicherten, denen eine Quarantäne oder eine Isolation auferlegt wurde und die daher für vorübergehend arbeitsunfähig erklärt wurden. Erweitert wurde auch der Anspruch auf Pflegegeld, den Personen geltend machen können, die ein krankes Familienmitglied pflegen. Auch müssen solche Personen für die Zeit, in der sie der häuslichen Pflege nachgehen, keine Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge abführen.

Linderung der Folgen der Pandemiebekämpfung

Maßnahmen zur Linderung der ökonomischen Folgen der Pandemiebekämpfung sind in Gesetz 67/2020 vom 2. April zusammengefasst.[10]

Unter anderem wurde es Gemeinden erleichtert, Subventionen aus dem Staatshaushalt zu erhalten. Sie können auf Mittel aus dem Reservefonds zurückgreifen, um Haushaltsschwierigkeiten zu vermeiden. 

Wohltätigkeitsorganisationen, die zu karitativen Zwecken Waren importieren, zahlen auf diese vorübergehend keine Importzölle und keine Mehrwertsteuer mehr.

Im Bereich der Steuergesetzgebung wurde die Möglichkeit einer elektronischen Steuererklärung eingeführt und Fristen verlängert. Steuerüberprüfungen wurden eingestellt, die öffentliche Liste der säumigen Steuerzahler und andere Aufstellungen, die die staatliche Finanzverwaltung führt, werden nicht aktualisiert. Ausstehende Steuerzahlungen werden während des Ausnahmezustands nicht als Schulden betrachtet, also auf eine Eintreibung mittels Gerichtsvollzug verzichtet und keine Zinsen auf die ausstehenden Beträge erhoben. Die Frist für die Abgabe der Steuererklärung wurde verlängert und das Fälligkeitsdatum für die Zahlung der Kfz-Steuer verschoben. Ebenfalls wurden Fristen bei der Rechnungslegung verlängert, ebenso Fristen in Zusammenhang mit der von der slowakischen Nationalbank ausgeübten Finanzaufsicht.

Äußerst wichtig für die Unterstützung der slowakischen Wirtschaft ist eine besondere Bestimmung des Gesetzes 67/2020 vom 2.4.2020, in der es heißt, dass das Finanzministerium zur Linderung der negativen Folgen der Pandemie kleinen und mittleren Unternehmen finanzielle Hilfe gewährleisten kann. Dies geschieht mittels der Export-Import-Bank sowie der Slowakischen Bürgschafts- und Entwicklungsbank (Slovenská záručná a rozvojová banka).

Finanzielle Hilfen können in zweierlei Form gewährt werden:

1) Bürgschaften für Kredite bei einer der beiden Banken

2) Übernahmen der Zinsen auf bereits vergebene Kredite (Zinsbonifikation)

Neben den genannten Gesetzen verabschiedete das slowakische Parlament auch ein Gesetz, mit dem die Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer und alle anderen Sozialversicherungspflichtigen gesenkt werden, deren Lohn oder deren Einnahmen aus unternehmerischer Tätigkeit um 40 Prozent oder mehr gefallen ist.

Ebenso nahm das Parlament ein Gesetz an, demzufolge Personen, die bei der Umsetzung von Gesetzen und staatlichen Anordnungen für das Gesundheitswesen, die in Zusammenhang mit der außerordentlichen Lage verabschiedet bzw. erlassen wurden, Rechtsverstöße begehen, für diese nicht zur Verantwortung gezogen werden können.

Die politische Diskussion

Kritik zog vor allem die Neufassung des Telekommunikationsgesetzes nach sich, die eine generelle Erfassung der Lokalisationsdaten von Mobiltelefonen ermöglichen sollte. Nachdem die Öffentlichkeit massiv gegen einen solch tiefen Eingriff in das Recht auf Privatsphäre und den Datenschutz protestiert hatte, wurde der Zweck der Erfassung auf die Sicherung der öffentlichen Gesundheit beschränkt und der Umfang der Erfassung auf Personen, die mit Sars-CoV-2 infiziert sind, sowie solche, die mit diesen Personen in Kontakt standen. Die Opposition hat gleichwohl angekündigt, auch gegen diese immer noch weitreichende Befugnis zum staatlichen Eingriff in die Privatsphäre Verfassungsklage zu erheben.

Umstritten ist auch die Frage, ob das staatliche Gesundheitsamt die Sicherheit der Daten gewährleisten kann, ist es doch bereits zu einem Datenleck gekommen, so dass die Adressen derjenigen Personen, die sich zu diesem Zeitpunkt in Quarantäne befanden, an die Öffentlichkeit gelangten.

Eine Kontroverse gab es auch um die Einschränkungen im Bereich juristischer Berufe. Die Anordnung des Gesundheitsamts vom 15.3.2020 wurde ursprünglich so ausgelegt, dass auch Kanzleien von Rechtsanwälten und Notaren als kleine Dienstleistungsbetriebe betrachtet wurden und entsprechend schließen mussten.[11] Das Justizministerium stellte jedoch am 23.3.2020 in einem Gutachten fest, dass es sich um Dienstleistungen handele, die gerade in der aktuellen Lage notwendig seien. Rechtsberatung für Arbeitnehmer und Unternehmer beim Verfassen eines Testaments oder in Fragen des Kindesunterhalts könne nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Nach Rücksprache mit dem Leiter der staatlichen Gesundheitsbehörde gab Justizministerin Mária Kolíková bekannt, dass die Einschränkung sich nicht auf Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher und Konkursverwalter beziehe.

Insgesamt aber gab es bis Anfang April vom Streit über die Mobilfunkdaten abgesehen keine ernsthafte politische Debatte über die Maßnahmen der Regierung. Sowohl vor dem Regierungswechsel als auch danach unterstützte die jeweilige Opposition die Maßnahmen der Regierung zur Pandemiebekämpfung und forderte allenfalls in Detailfragen Änderungen.

Mittlerweile haben jedoch jene, die bereits früh davon sprachen, die Maßnahmen der Regierung seien zu weitreichend und hätten verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes, mehr Unterstützung gewonnen. So hatte sich bereits im März der Landespräsident (župan) des Bezirks Bratislava Juraj Droba von der wirtschaftsliberalen Partei Sloboda a Solidarita (SaS) kritisch geäußert.[12] Gleiches gilt für den Wirtschaftsminister der neuen Regierung Richard Sulík, den Gründer der Partei SaS.[13] Diese Debatte wird sich intensivieren, je stärker sich die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemiebekämpfung bei anhaltend niedriger oder sinkender Zahl der Sars-CoV-2-Infektionen bemerkbar machen.

Manuskript abgeschlossen am 8.4.2020

Aus dem Slowakischen von Volker Weichsel, Berlin

 


[1]   Muž, pochádzajúci z Bratislavského kraja, sa nezdržoval v zahraničí a v tomto prípade šlo o sekundárny prenos ochorenia. Nakazený žil v spoločnej domácnosti s osobou, ktorá sa v polovici februára 2020 zdržovala v oblasti s výskytom nového koronavírusu. Táto osoba bola zároveň označená ako pacient 0.

[2]   Im Sinne von Paragraph 8 des Gesetzes 42/1994 „Über den Zivilschutz“ in der zuletzt geänderten Fassung.

[3]   Uznesenie vlády Slovenskej republiky č. 114 vom 15.3.2020. Zbierka zákonov Slovenskej republiky, č. 45/2020. Die Verordnung bezieht sich auf Artikel 5 des Verfassungsgesetzes č. 227/2002 „Über die Sicherheit des Staats in Kriegszeiten, im Kriegszustand, im Ausnahmezustand und im Notstand“ in der gültigen Fassung.

[4]   Uznesenie vlády SR č. 169 vom 27.3.2020. Zbierka zákonov, č. 64/2020.

[5]   Nach Paragraph § 56, Absatz 2 des Gesetzes č. 355/2007 „Zákon o ochrane, podpore a rozvoji verejného zdravia a o zmene a doplnení niektorých zákonov“.

[6]   Ausnahmen gelten für schwangere Frauen, Krebspatienten und Patienten mit Immunschwäche, <www.uvzsr.sk/docs/info/covid19 Opatrenie_statna_karantena_04042020.pdf>.

[7]   Ausgenommen von all diesen Regelungen sind lediglich Personen, die den grenzüberschreitenden Güterverkehr gewährleisten, darunter LKW-Fahrer, Lokführer von Güterzügen, Binnenschiffer sowie die Fahrer der staatlich organisierten Busse, mit denen alleine rückkehrende slowakische Staatsbürger in das Land einreisen dürfen. Opatrenie Úradu verejného zdravotníctva Slovenskej republiky pri ohrození. verejného zdravia, <www.uvzsr.sk/docs/info/ covid19/Opatrenie_statna_karantena_04042020.pdf>.

[8]   Ausgenommen sind Apotheken, Ärzte, Lebensmittelgeschäfte, Metzgereien, Bäckereien, der Obst- und Gemüsehandel, Drogerien, Tierfutterverkaufsstellen, Tankstellen, Zeitungskioske, Wäschereien, Taxi-Unternehmen und einige andere. 

[9]   Zákon č. 62/2020 Z. z. z 25. marca 2020 o niektorých mimoriadnych opatreniach v súvislosti so šírením nebezpečnej nákazlivej ľudskej choroby COVID-19 a v justícii.

[10]  Zákon č. 67/2020 Z. z. z 02. apríla 2020 o niektorých mimoriadnych opatreniach vo finančnej oblasti v súvislosti so šírením nebezpečnej nákazlivej ľudskej choroby COVID-19.

[11]  Opatrenie Úradu verejného zdravotníctva Slovenskej republiky pri ohrození verejného zdravia číslo OLP/2595/2020 zo dňa 15.3.2020.

[12]  <https://spravy.pravda.sk/domace/clanok/547783-zupan-droba-treba-zdravy-rozum-nie-prisne-zakazy/>.

[13] <https://www.postoj.sk/53365/sulik-je-za-postupne-ozivenie-ekonomiky-a-uvolnenie-opatreni>.

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