Titelbild Osteuropa 6/2020

Aus Osteuropa 6/2020

Russland in schlechter Verfassung
Das Ende des konstitutionellen Scheins. Ein Rückblick

Margareta Mommsen


Abstract in English

Abstract

Die „Putin-Verfassung“ von 2020 ist eine Zäsur. Mit ihr endet eine Periode, die mit der Perestrojka begann. Es folgten das Ende der kommunistischen Einparteienherrschaft, die Auflösung der UdSSR und die Verabschiedung der Verfassung der Russländischen Föderation 1993. Nach dieser Verfassung war Russland eine Demokratie und ein Rechtsstaat, der die Menschen- und Grundrechte garantierte. Die Realität war eine andere. Das sowjetische Erbe und Fehler in der El’cin-Ära erschwerten den Aufbau einer funktionierenden Demokratie. Nach Putins Amtsantritt als Präsident wuchs die Diskrepanz zwischen Verfassungsnorm und Verfassungsrealität. Doch die politische Führung hielt zwei Jahrzehnte den Schein vom liberalen Konstitutionalismus aufrecht. Dies ist vorbei: Die neue Verfassung stärkt den institutionellen Autoritarismus und den präsidentiellen Absolutismus. Das rechtsstaatliche, demokratische Vermächtnis von 1993 ist zerstört.

(Osteuropa 6/2020, S. 53–82)