Titelbild Osteuropa 8-9/2021

Aus Osteuropa 8-9/2021

Spinnrad im Dauerbetrieb
Der Justizumbau in Polen

Marta Bucholc, Maciej Komornik


Abstract in English

Abstract

Die Zerstörung des Rechtsstaats in Polen geht weiter und der Konflikt mit der Europäischen Union eskaliert. In Polen herrscht Rechtschaos. Ein Sechstel der Richter an ordentlichen Gerichten sind mittlerweile unter Mitwirkung des Nationalen Justizrats ins Amt gekommen, sie haben mehr als zwei Millionen Urteile gefällt. Doch wie unterdessen auch der Europäische Gerichtshof bestätigt hat, widersprach ihre Berufung europäischem Recht. Polnische Gerichte sind laut EuGH verpflichtet, die Unabhängigkeit dieser Richter und ihrer Urteile zu prüfen. Die Regierung ist in die Ecke gedrängt und reagiert mit einer Zuspitzung des Konflikts. Ein Maulkorbgesetz verbietet diese Prüfung. Richter, die an der Unabhängigkeit der Justiz festhalten, werden von den unter der seit 2015 amtierenden Regierung ins Amt gekommenen Vorsitzenden schikaniert oder von der ebenso umstrittenen Disziplinarkammer gegängelt. Jetzt hat die Regierung zur großen Kanone gegriffen. Das ihr untertänige polnische Verfassungsgericht bescheinigt dem EuGH Kompetenzüberschreitung und dem EU-Vertrag Unvereinbarkeit mit der polnischen Verfassung. Polen ist mit Strafgeldzahlungen und Subventionskürzungen konfrontiert, doch Einlenken ist nicht der Stil dieser Regierung.

(Osteuropa 8-9/2021, S. 5–24)