Titelbild Osteuropa 6-8/2022

Aus Osteuropa 6-8/2022

Ukrainische Geschichte
Interpretations- und Erklärungsansätze

Tetjana Portnova, Andrii Portnov


Abstract in English

Abstract

Lange Zeit lebten Ukrainer avant la lettre in verschiedenen Imperien. Hat eine solches „staatenloses Volk“ eine nationale Geschichte? Historiker unterschiedlicher Couleur wie Mychajlo Hruševs’kyj, Stepan Tomašivs’kyj oder Vjačeslav Lypyns’kyj bejahten diese Frage uneingeschränkt. Zur Bestimmung der ukrainischen Nation und ihrer Geschichte rückten sie die Kosaken, das Streben nach Freiheit und Selbstbestimmung, den bäuerlichen Ethnos oder die Sprache in den Mittelpunkt. Diesem der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte verpflichteten Ansatz stand eine auf den Staat bezogene politische Geschichtsschreibung gegenüber. Diese versuchte, die Geschichte der Ukraine geographisch und territorial zu fassen. Das Fürstentum Galizien-Wolhynien war danach der erste „ukrainische Nationalstaat“. Beide Schulen essentialisieren die Nation als überzeitliche kollektive Einheit. Die ukrainische Historiographie im Exil, in der Sowjetunion und in der unabhängigen Ukraine bewegt sich auf den Spuren dieser Schulen.

(Osteuropa 6-8/2022, S. 79–102)