Modernisierung und Sowjetisierung
Die Sowjetmacht und die Juden in Berdyčiv
Abstract in English
Abstract
Die frühe sowjetische Nationalitätenpolitik förderte die Sprache und Kultur der Völker, die im Russländischen Reich unterdrückt worden waren. Die Bolschewiki wollten so deren Loyalität gewinnen und die eigene Macht konsolidieren. Auch die Juden profitierten von dieser Politik. Das Jiddische wurde gefördert, Schulen und Kultureinrichtungen aufgebaut. Doch gläubige Juden gerieten zunehmend unter Druck. Das zeigt der Fall von Berdyčiv, dem Prototyp eines jüdischen Shtetls in der Zentralukraine. Die Sowjetisierung des Lebens war in einer Kleinstadt mit gewachsenen Strukturen schwieriger durchzusetzen als in einer schnelllebigen Großstadt. Doch mit der Entwicklung einer proletarisch-jüdischen, säkularen Kultur, dem sozialen Wandel und der antireligiösen Politik war die Erosion jahrhundertealter jüdischer Traditionen in den 1920er Jahren in Gang gesetzt.
(Osteuropa 12/2023, S. 127148)