Völkerrecht à la russe
Multipolarität versus Universalität
Angelika Nußberger, Lauri Mälksoo
Abstract in English
Abstract
Völkerrecht soll universell verbindliche Normen für das friedliche Zusammenleben gleichberechtigter Staaten zur Verfügung stellen. Seit einigen Jahren wendet sich Russland von diesem Universalitätsprinzip ab und versucht, unter Verweis auf die „multipolare Weltordnung“ ein eigenes regionales Völkerrechtsregime zu etablieren. Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind für Russland nicht länger die Pfeiler des Völkerrechts, das auch auf die innerstaatlichen Strukturen einwirkt. Vielmehr reklamiert Russland als „historische Großmacht“ für sich die absolute Souveränität des Staates. Der damit verbundene Anspruch auf Nichteinmischung in innere Angelegenheiten hat Vorrang vor normativen Bindungen, insbesondere, wenn es um Menschenrechtsfragen geht. Eingegangene vertragliche Bindungen und Pflichten halten Politiker und Diplomaten für anachronistisch und irrrelevant. Sie begründen dies damit, dass die Vertragspartner eine feindliche Position gegenüber Russland eingenommen hätten. Russland legt die Axt an das Völkerrecht.
(Osteuropa 7-9/2023, S. 193208)