Titelbild Osteuropa 1-3/2025

Aus Osteuropa 1-3/2025

Der fatale Nexus
Deutschland und Russland 1925–2025

Gerd Koenen


Abstract in English

Abstract

Bei ihrer Gründung 1925 bewegte sich die Zeitschrift Osteuropa im Kraftfeld einer auf Russland ausgerichteten Ostorientierung. Dem entsprach die Erwartung der Bolschewiki, mithilfe des technischen und industriellen Potentials Deutschlands einen Staatssozialismus in Russland errichten und in einer Kombination mit den deutschen Revisionsbestrebungen das „Versailler Weltsystem“ aushebeln zu können. Von entscheidender Bedeutung für die Weltbilder und mentalen Prägungen in Russland bleibt die katastrophale Konfrontation im Zweiten Weltkrieg, die die Erinnerungen an die Opfer des Großen Terrors wie an das Zusammenspiel nach dem Hitler-Stalin-Pakt 1939 neu kodierte. Dabei hätte es einen Großen Vaterländischen Krieg ohne Hitlers Vernichtungskrieg kaum gegeben, und die Rote Armee hätte schwerlich bis an die Elbe vorstoßen können. Erst dadurch konnte Stalin sich zu der welthistorischen Höhe erheben, auf der er nach 1945 stand, und das neuartige, überdimensionierte Sowjetimperium errichten. Putins revisionistische Politik nährt sich aus den mentalen Reflexen dieses Pseudo-Siegs. Mit dem Krieg gegen die Ukraine, der dem vereinten Europa gilt, reißt er Russland aus seinen kulturgeschichtlichen Verankerungen heraus und zerstört bewusst das Maß an Normalität, das es seit 1989 gegeben hat.

(Osteuropa 1-3/2025, S. 7–34)