Titelbild Osteuropa 6/2003

Aus Osteuropa 6/2003

Russische Literaturpreise 2002 im Widerstreit der Ideologien

Karlheinz Kasper

Abstract

Obwohl die Literatur in den neunziger Jahren durch das Fernsehen und andere Massenmedien ihre dominierende Rolle verloren hat, gibt es in Rußland gegenwärtig etwa 300 Literaturpreise. Um ihre Vergabe wird von Jahr zu Jahr immer heftiger gestritten. Das 2002 in den russischen Medien gesammelte Material bestätigt, daß Literaturprämien häufig nur an Autoren gehen, die mit bestimmten gesellschaftlichen Interessengruppen verbunden sind und deren Werke den ideologischen Vorgaben der Sponsoren oder anderer einflußreicher Kräfte entsprechen. So bekamen Aleksandr Prochanov, ein Exponent des linken Nationalpatriotismus, den Nacional’nyj Bestseller und der rechtskonservative Oleg Pavlov den Booker-Preis. Der von Boris Berezovskij finanzierte Triumph-Preis ging an Ljudmila Petruševskaja, der Staatspreis an Konstantin Vanšenkin und Daniil Granin, die als staatsnah gelten. Den Aleksandr-Solženicyn-Preis erhielt der fest in der nationalen Bewegung stehende Leonid Borodin, den Andrej-Belyj-Preis der Nationalbolschewist Ėduard Limonov. Marina Višneveckaja wurde von der Gilde der professionellen Literaturkritiker mit dem Apollon-Grigor’ev-Preis und dem Ivan-Petrovič-Belkin-Preis ausgezeichnet.

(Osteuropa 6/2003, S. 839–857)