Aleksej Naval'nyj (1976-2024)
Am 16.2.2024 ist Aleksej Naval’nyj in der Haft gestorben. Putin und seine Schergen tragen die Verantwortung für den Tod des profiliertesten Oppositionellen Russlands. Ein Mensch wurde ermordet, sein Erbe wird bleiben. Naval’nyjs „Verbrechen“ bestand darin, dass er ein anderes Russland wollte, ein freies, demokratisches Russland.
- "Ich akzeptiere keine Geheimbestattung"
Russlands Regime will ein öffentliches Begräbnis von Aleksej Naval’nyj verhindern. Seine Mutter fordert in einer Videobotschaft die Einhaltung des Gesetzes.
Weiterlesen - Naval’nyj, die Politik und die Moral
Am Fall Naval’nyj entscheidet sich Russlands politische Zukunft. Das Putin-Regime hat den Staat als öffentliches Institutionengefüge zerstört und ihn zu eigenen Zwecken privatisiert. Es kontrolliert und sterilisiert den eigentlichen Raum der Politik und versucht durch immer schärfere Repressionen, den Bürgern und der Gesellschaft die Wahrnehmung ihrer Rechte zu verwehren. Aleksej Naval’nyj ist der einzige Politiker, der trotz dieser Bedingungen in der Lage war, öffentlich zu handeln, Gegenmacht zu bilden, und der versucht hat, den politischen Raum für die Gesellschaft zurückzugewinnen. Seine Entscheidung, ungeachtet des Mordversuchs und der drohenden Inhaftierung nach Russland zurückzukehren, ist eine Handlung von enormer ethischer und politischer Bedeutung. Naval’nyj demonstriert in einer Zeit Angstfreiheit, in der das Regime darauf zielt, Protest zu brechen, die Gesellschaft einzuschüchtern und wieder Angst zu verbreiten.
Weiterlesen - „Stirb hier, wie wir!“
Aleksej Navalʼnyjs Aufstieg vom marginalen Blogger über den virtuosen Kämpfer gegen Korruption zum bekanntesten Oppositionellen in Russland hat zehn Jahre gedauert. Mit sozialen Medien und visueller Kommunikation hat er eine Gegenöffentlichkeit aufgebaut und landesweit eine politische Infrastruktur geschaffen – trotz aller Repressionen. Seine Bekanntheit wuchs von Jahr zu Jahr. Doch die Mehrheit der Bevölkerung lehnt ihn ab. Vor allem ältere Menschen und Fernsehkonsumenten reproduzieren die Propaganda des Kreml: Naval’nyj sei ein westlicher Agent. Die Vergiftung vom August 2020 habe er selbst inszeniert. Naval’nyjs Inhaftierung könnte das Ende seines politischen Weges bedeuten. Doch Korruption, Stagnation und Selbstisolation des Putin-Systems bieten Angriffsflächen für die Opposition. Es wäre verfrüht, Navalʼnyj abzuschreiben – vorausgesetzt, er überlebt die Haft.
Weiterlesen - Das Naval’nyj-Paradoxon
Das Putin-Regime ist stabil, solange es die grundlegenden Aufgaben eines Staates gegenüber der Bevölkerung erfüllt. Doch etliche Legitimitätsressourcen von Putins Herrschaft haben sich erschöpft. Deshalb setzt das Regime zunehmend auf Repression und grenzt sich von der Außenwelt ab. Aleksej Naval’nyj griff das Regime mit der Veröffentlichung seines Videos über Putin frontal an. Er löste zwar Proteste aus, doch die Kritik am Putinschen Sultanismus trug zur Homogenisierung der Elite bei. Ein Herausforderer, der erfolgreich sein will, muss jenen Gruppen, die dem Regime heute klientelistisch verbunden sind, attraktive Anreize zur Abwanderung bieten.
Weiterlesen - The GULag is still alive
Russia’s penal system has not been reformed since the late-Stalinist period and is essentially managed by the FSB. Alexei Navalny will be sent to one of the many correction colonies that serve as prisons. Conditions in these deeply backward institutions are atrocious, says Olga Romanova, founder of the NGO Russia Behind Bars.
Weiterlesen - Aktive und Träge
Trotz Verboten und Abschreckung gingen Ende Januar Hunderttausende, vor allem junge Menschen in Russland auf die Straße, um gegen die Verhaftung und Verurteilung von Aleksej Naval’nyj zu protestieren. Aus diesen Protesten erwachsen noch keine stabilen politischen Strukturen. Aber sie finden vor dem Hintergrund einer gewachsenen Unzufriedenheit statt. Das Regime reagiert mit Härte. Doch die Gesellschaft lässt sich nicht mehr in Winterstarre versetzen. Was gestern unvorstellbar schien, ist heute in den Bereich des Möglichen gerückt: Putin ist nicht mehr der Quell aller Legitimität, sondern wird zu einer Last, die das Establishment loswerden möchte.
Weiterlesen - „Auf Bajonetten kann man nicht sitzen"
Die Gründerin der NGO „Russland hinter Gittern“, Ol’ga Romanova, sieht im Urteil gegen Aleksej Naval’nyj eine rechtsnihilistische, für Russlands Justiz aber repräsentative Farce. Sie erinnert daran, dass das Strafvollzugssystem seit dem späten Stalinismus nicht reformiert ist, Geheimdienstler dort das Sagen haben und die Haftbedingungen in einem Straflager des Normalvollzugs, wo Naval’nyj inhaftiert sein wird, prekär sind.
Weiterlesen - "Eine neue Generation von Demonstranten"
Seit der Verhaftung von Aleksej Naval'nyj am 17. Januar 2021 gibt es in ganz Russland Proteste für seine Freilassung. Die Behörden reagieren mit Repressionen. Über zehntausend Menschen wurden verhaftet. Die Hintergründe der Verhaftungen sowie den Missbrauch des Rechts analysiert Grigorij Ochotin. Der Gründer von OVD-Info unterstreicht: Versammlungsfreiheit ist ein Menschenrecht.
Weiterlesen - Missbrauch des Strafrechts
In den Jahren 2013 und 2014 wurden gegen Aleksej Naval’nyj zwei Strafverfahren eröffnet. Sie endeten mit Naval’nyjs Verurteilung wegen Veruntreuung und Betrugs. Die Strafe wurde damals zur Bewährung ausgesetzt. Otto Luchterhandt analysiert den Prozess in Heft 1-2/2015, S. 95-124.
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