Titelbild Osteuropa 4-5/2008

Aus Osteuropa 4-5/2008

Rasender Stillstand
Die simulierte Nachhaltigkeitsrevolution

Daniel Hausknost

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Abstract in English

Abstract

Das Bekenntnis zu einer nachhaltigeren Zivilisationsform wird immer nachdrücklicher. Politiker aller Couleur opponieren geschliffen gegen den Klimawandel. Doch dem Plädoyer für Nachhaltigkeit und radikalen Wandel folgen ungenügende Taten. Indikatoren wie der „ökologische Fußabdruck“, der den Verbrauch der Biokapazität der Erde durch den Menschen misst, weisen in die falsche Richtung. Die politischen Systeme in Ost und West sind bislang nicht fähig, die größte Herausforderung der Gegenwart zu bewältigen: den Übergang vom fossilen ins postfossile Zeitalter. Die Menschheit muss ihr gesamtes Reproduktionssystem und ihren Stoffwechsel neu konstruieren.

(Osteuropa 4-5/2008, S. 9–19)

Volltext

Auf Sumatra, Borneo und Neuguinea werden derzeit die letzten tropischen Urwälder im Zeichen der Nachhaltigkeit gerodet. Allein in Indonesien sollen in den kommenden Jahren mehrere Millionen Hektar neuer Palmölplantagen entstehen, um die Welt mit dem Brennstoff für das neue Jahrtausend zu versorgen: reine Sonnenenergie, umgewandelt in Pflanzenfett, das in dichten Knäueln unter den Palmkronen hängt. Doch auch andernorts ist man dabei, die letzten halbwegs unberührten tropischen Vegetationszonen der schachbrettartigen Ordnung dunkelgrüner Palmenhaine zu opfern. In Südamerika sind vor allem Ecuador, Kolumbien und Brasilien auf den Zug der Nachhaltigkeit aufgesprungen und wollen helfen, den Durst nach Erdöl mit der Substitutionsdroge „Biotreibstoff“ zu stillen.

Für den Anbau dieser Ölpflanzen werden selbstverständlich enorme Mengen fossiler Düngemittel und giftiger Pestizide benötigt, werden Grundwassersysteme und ganze Flüsse ausgetrocknet, zigtausende Menschen umgesiedelt und müssen Tausende Pflanzen- und Tierarten für immer verschwinden. Doch die Verkehrsminister der nördlichen Industriestaaten können ihren Autofahrern stolz einen wichtigen Schritt in Richtung einer „nachhaltigen Wirtschaft“ verkünden, einer Wirtschaft, die sich bei stetigem Wachstum von Produktion und Wohlstand vom Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen schrittweise völlig entkoppelt. Win-win. Danach Empfang bei Biowein und Brötchen.

Ambivalenzen des Nachhaltigkeitsdiskurses

Ganz offensichtlich läuft einiges falsch auf diesem Weg in die Nachhaltigkeitsrevolution. Ein fundamentales Problem des Nachhaltigkeitsbegriffs scheint zunächst darin zu bestehen, dass er keinerlei Maßgabe darüber beinhaltet, wie eine „nachhaltige“ Gesellschaft auszusehen hat. Wenn der Begriff Nachhaltigkeit grundsätzlich bedeutet, dass ein Produktionssystem nicht mehr Ressourcen verbraucht, als es regenerieren kann, so sagt er noch nichts darüber aus, welche Form von Gesellschaft ein derartiges nachhaltiges Produktionssystem erfordert. Hier sind unterschiedliche Szenarien denkbar. Nachhaltigkeit kann genauso gut eine technoide Hölle bedeuten, ein diktatorisches Metropolis, in dem die Mehrzahl der Menschen als Arbeitsbienen kurz gehalten wird, wie eine egalitäre, mit sich und der Natur im Einklang stehende, demokratische Weltgesellschaft.

Ein zweites Problem besteht darin, dass der Begriff keine Maßgabe darüber enthält, auf welchem ökologischen, moralischen oder auch ästhetischen Niveau „Nachhaltigkeit“ beginnt. Technisch gesehen beginnt Nachhaltigkeit dann, wenn eine Gesellschaft ein Ressourcenequilibrium erreicht hat, egal auf welchem Niveau. Mit anderen Worten: Wenn es nötig ist, alle Urwälder zu opfern und durch Energiepflanzen zu ersetzen, und wenn es unvermeidlich ist, die biologische Artenvielfalt des Planeten bis auf ein Zehntel des Status quo, der ohnehin bereits Besorgnis erregend zurückgeht,[1] schrumpfen zu lassen und sich erst dann das gewünschte Ressourcenequilibrium einstellt, dann ist eben erst dort „Nachhaltigkeit“ erreicht.

Nachhaltigkeit ist ein relativer Begriff, der nichts über das absolute Niveau aussagt, auf dem er erreicht wird. Da sich der Nachhaltigkeitsbegriff über den Ressourcenbegriff konstituiert, ist das Gesellschaftssystem (also jenes System, das einen Bedarf an Ressourcen hat) die unabhängige Variable und die Natur (also jenes System, das Ressourcen zur Verfügung stellt) die abhängige. Nachhaltigkeit bezieht sich also immer auf die Erhaltung des Gesellschaftssystems und nicht auf die der Natur. Wie muss ich mit Natur umgehen, um meine Gesellschaft zu erhalten? Das ist die bestimmende Frage. Je nach dem, wie diese Gesellschaft aussieht, kann die Antwort auch lauten: Vernichte die Natur und forme sie zur Gänze in einen erneuerbaren Rohstoff um – so kannst du deine Gesellschaft erhalten. Wenn wir eine auf Otto- und Dieselmotoren beruhende Gesellschaft erhalten wollen, dann wird „Nachhaltigkeit“ wohl dieses Gesicht tragen.

Kein Wunder also, dass Nachhaltigkeit lange Zeit ein politisches Phantom geblieben ist – eine Beschwörungsformel, um jenen anderen, mit sich selbst und der Natur im Einklang stehenden Kapitalismus herbeizurufen, der weder Zerstörung noch Ungleichheit kennt. Insofern war der Begriff seit seiner politischen Prägung durch den sogenannten „Brundtland-Bericht“ 1987 mehr als eine technische Zielvorgabe.[2] Er war, was Habermas ein „regulatives Ideal“ für eine in die Krise geratene Industriemoderne nennen würde; er war eine Vision, unter deren Namen bald jede noch so belanglose Effizienzsteigerung und technische Innovation verbucht wurde.[3]

Erst in jüngster Zeit gewann die Debatte über Nachhaltigkeit an Substanz und der Begriff erfuhr die längst notwendige Konkretisierung. In diesem Zusammenhang sind zwei von einander unabhängige Entwicklungen hervorzuheben: Zum einen kristallisierte sich im Jahr 2006 international ein wissenschaftlicher und politischer Konsens darüber heraus, dass es einen anthropogenen und potentiell gefährlichen Klimawandel gibt (ab hier „Klimakonsens“ genannt).[4] Zum anderen ist der internationale Siegeszug des Konzepts des „ökologischen Fußabdrucks“ als Maßstab für nachhaltige Entwicklung zu nennen, das die beiden Ökologen Mathis Wackernagel und William Rees bereits Mitte der 1990er Jahre vorgelegt hatten.[5]

Die Berichte des als wissenschaftliche Autorität auf seinem Gebiet ins Leben gerufenen Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) gaben 2007 erstmals eine klare Marschrichtung für die Nachhaltigkeitsrevolution vor: die Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen um mindestens 80 bis 90 Prozent bis 2050. Im Klartext: Bis in 42 Jahren muss die Menschheit den Umstieg ins postfossile Zeitalter abgeschlossen haben, will sie nicht einen unkontrollierbaren und desaströsen Klimawandel riskieren, der den Planeten im schlimmsten Fall unbewohnbar machen könnte.

Damit hat die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft erstmals ein weithin unumstrittenes, quantifizierbares Ziel für den Umbau der Industriemoderne in eine „nachhaltige“ Zivilisationsform vorgegeben, das zudem von der gesamten internationalen Politik, einschließlich den USA, anerkannt wurde. Dieser Klimakonsens ist insofern als historisch zu bezeichnen, als er den Nachhaltigkeitsdiskurs erstmals aus seiner Relativität („Jeder kleine Fortschritt ist ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit!“) befreit und an ein unmissverständliches Ziel in Zeit und Raum koppelt.

Die Festlegung absoluter Zielwerte für Nachhaltigkeit bedeutet jedoch auch, dass Ziele messbar und Länder vergleichbar werden. Die Ziele für den Klimaschutz können nur global formuliert werden, doch sie müssen von den einzelnen Nationen separat erreicht werden. Daraus ist ein neuer Diskurs entstanden, der auch auf internationalem diplomatischem Parkett zu vernehmen ist: Nachhaltigkeit wird, vor allem von Vertretern ärmerer Staaten und von Nichtregierungsorganisationen, zusehends in den Begrifflichkeiten globaler Gerechtigkeit ausgedrückt. Solche Akteure erwarten von Ländern wie den Vereinigten Staaten höhere Reduktionen an Treibhausgasemissionen als von Staaten wie Afghanistan, Albanien oder Rumänien. Ginge es „lediglich“ um die Errechnung eines globalen Medianwerts an Emissionen pro Kopf, der als Maßstab für Gerechtigkeit gelten könnte (im Sinne des alten „regulativen Ideals“), so wäre die Sache relativ einfach. Das Problem im Falle des Klimaschutzes besteht jedoch darin, dass dieser relative und als Gerechtigkeitsmaß attraktive Mittelwert von der Wissenschaft durch einen absoluten Wert ersetzt wurde, der weit unterhalb des globalen Durchschnitts an Pro-Kopf-Emissionen liegt. Tatsächlich wird sich der Pro-Kopf-Ausstoß von klimawirksamen Gasen auf dem heutigen Niveau von Staaten wie Albanien oder Moldova einpendeln müssen, um das globale Reduktionsziel von 80 bis 90 Prozent zu erreichen.

Pro-Kopf-Emissionen von fossilem Kohlenstoff nach Staaten (Auswahl)

Rang

Nation

CO2 (Jahrestonnen pro Kopf)

1

Quatar

21,63

9

USA

  5,61

16

Estland

  3,82

24

Tschechische Republik

  3,12

28

Russländische Föderation

  2,89

33

Japan

  2,69

36

Deutschland

  2,67

37

Großbritannien

  2,67

48

Slowenien

  2,21

49

Polen

  2,19

52

Spanien

  2,08

56

Ukraine

  1,90

58

Slowakei

  1,84

62

Belarus

  1,80

66

Frankreich

  1,64

68

Ungarn

  1,54

85

Rumänien

  1,14

113

Kuba

  0,62

119

Moldova

  0,50

136

Albanien

  0,32

205

Afghanistan

  0,01

 

Quelle: <http://cdiac.ornl.gov/trends/emis/top2004.cap>


Gerade für die meisten Staaten Osteuropas bedeutet das ein strategisches Problem. Obwohl sie von einem weit niedrigeren Niveau an Kohlendioxid-Emissionen starten als die meisten reichen Staaten des Westens, können sie diesen Umstand politisch kaum mehr verwerten. Ihre Bevölkerungen sind auf Wachstum und Wohl­standsgewinne, auf die ständige Steigerung des Lebensstandards eingestellt, was eher für ein überdurchschnittliches Ansteigen der Treibhausgasemissionen als für ihr Absinken spricht.

Ihr Vorteil gegenüber dem Westen könnte jedoch darin bestehen, dass sie mit intelligenter Klimapolitik künftige Wohlstandsgewinne bereits stärker auf Basis nichtfossiler Energieträger erreichen und damit im Vergleich zum Westen sogar eine Art Entwicklungsvorsprung für sich verbuchen könnten. Während der Westen bereits erreichten „fossilen“ Wohlstand auf erneuerbare Energieträger umrüsten muss, was politisch nicht einfach durchzusetzen, weil mit gewissen quantitativen Einschränkungen verbunden ist, könnte der Osten, der von einem geringeren Wohlstandsniveau ausgeht und daher weniger „umzurüsten“ hat, sein Wohlstandswachstum bereits auf erneuerbaren Energieträgern aufbauen und wäre damit für das Ende der fossilen Ära mitunter besser gerüstet als der Westen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Übergang in ein postfossiles Zeitalter allein durch technologische Innovation, also durch die „ökologische Modernisierung“ der Industriemoderne zu erreichen ist.

Zugleich können die Staaten Ostmitteleuropas und Osteuropas im Bezug auf ihre klimawirksamen Emissionen keineswegs als eine homogene Gruppe gelten. Estland, Tschechien oder Russland wiesen einer Studie des US-Energieministeriums zufolge im Jahr 2004 höhere Pro-Kopf-Emissionen an fossilem Kohlendioxid aus als etwa Japan, Deutschland oder Großbritannien.[6] Slowenien, Polen, die Ukraine, die Slowakei, Belarus und Ungarn befinden sich in einem Mittelfeld mit Frankreich, Spanien und Portugal. Nur die ärmsten der Staaten Südosteuropas befinden sich auf dem abgeschlagenen Emissionsniveau der meisten so genannten „Entwicklungsstaaten“ der Südhemisphäre. Doch wie gesagt: Genau diese Klasse von Staaten ist es, die jenes niedrige Niveau an Emissionen aufweist, das es zu erreichen gilt. Aber wer will sich schon Moldova als Entwicklungsvorbild nehmen?

Das Problem der meisten Staaten Ostmitteleuropas und Osteuropas im Bezug auf die Herausforderungen des Klimawandels besteht darin, dass sie ihren Bevölkerungen einerseits weiterhin den ökonomischen und materiellen Anschluss an Westeuropa versprechen müssen, um als politische Systeme legitim und stabil zu bleiben, was Wachstumsraten weit jenseits der drei Prozent erfordert, und sich andererseits im Bezug auf ihren Treibhausgasausstoß am Niveau von abgeschlagenen Ländern wie Moldova orientieren müssten. Realistisch gesehen wird Westeuropa als Entwicklungsideal den Vorzug vor Moldova behalten. Insofern wird erfolgreiche Klimapolitik aus Sicht der jungen Marktwirtschaften im Idealfall eine schrittweise Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Treibhausgasausstoß bedeuten. Das heißt, wenn die Wirtschaft eines Landes pro Jahr um etwa fünf Prozent wächst, die Treibhausgasemissionen jedoch nur um drei, dann wäre das aus Sicht dieser Staaten schon ein Erfolg. Von effektiver Reduktion kann hier also kaum die Rede sein.

Ein ähnliches Dilemma wird offenbar, wenn man den „ökologischen Fußabdruck“ eines Landes als Maßstab für die Nachhaltigkeit seiner Wirtschaft heranzieht. Der ökologische Fußabdruck misst, wie groß jener Teil der regenerativen Kapazität der Biosphäre ist, der durch menschliche Aktivitäten verbraucht wird.[7] Der Fußabdruck eines Landes errechnet sich demnach aus der Gesamtfläche an biologisch produktivem Land, das ein Staat benötigt, um die von seiner Bevölkerung konsumierten Nahrungsmittel, Textilien und Holzprodukte herzustellen, seine Abfälle zu verwerten und seine Infrastruktur zu unterhalten.[8]

Einen Maßstab für die Nachhaltigkeit eines Landes erhält man, wenn man den Fußabdruck des Landes per capita mit der Biokapazität der Erde per capita in Verhältnis setzt. Beide werden in der Maßeinheit des „globalen Hektars“ (gha) angegeben und lassen sich daher vergleichen. Im Jahr 2003 etwa betrug die Biokapazität der Erde 1,8 gha per capita. Aufgrund des rasanten Bevölkerungswachstums hat sich dieser Wert seit 1961 von 3,4 gha fast halbiert! Der tatsächliche ökologische Fußabdruck pro Erdenbürger oder Erdenbürgerin betrug 2003 jedoch 2,2 gha. Die Biokapazität der Erde wurde daher um rund 25 Prozent überschritten.[9]

Das Verhältnis von Fußabdruck zu Biokapazität wird folglich in Erdäquivalenten angegeben. Anders ausgedrückt – die Weltbevölkerung verbraucht derzeit rund 1,25 Erdäquivalente an Ressourcen.

Aussagekräftiger werden diese Zahlen, wenn man den ökologischen Fußabdruck des jeweiligen Staates in Beziehung setzt zu dessen jeweiligem offiziellen „Entwicklungsstand“, wie ihn der Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen definiert.[10] Das Ergebnis ist einerseits wenig überraschend und andererseits in seiner Klarheit dennoch verblüffend: Nur ein einziges Land – Kuba – kann zugleich als „entwickelt“ nach dem Maßstab der UNO und als „nachhaltig“ im Sinne eines Ressourcenverbrauchs von weniger als einem Erdäquivalent gelten. Kuba kommt im HDI auf einen Wert von 0,82 (ab 0,80 spricht die UNO von einem „gut entwickelten“ Land – der hypothetische Höchstwert ist 1,00) und auf einen Ressourcenverbrauch von 0,87 Erdäquivalenten. Wenn alle Bürgerinnen und Bürger der Erde wie die Menschen in Kuba lebten, würde die Weltbevölkerung mit 87 Prozent der Biokapazität der Erde ihr Auskommen finden.

Ein weiteres Ergebnis der Studie verdient Beachtung. Die Autoren fanden heraus, dass die einkommensstärksten Nationen ihre Entwicklungszugewinne in den vergangenen 25 Jahren in der Regel durch eine überproportionale Ausweitung ihres Fußabdrucks erkauften, was eine weitere Entfernung dieser Staaten vom Nachhaltigkeitsprinzip bedeutet. Umgekehrt haben es einige weniger entwickelte Staaten geschafft, Entwicklungszugewinne ohne eine zusätzliche Vergrößerung ihres Fußabdrucks zu erzielen. Diese Staaten würden also die wahren role models für den Fortschritt im 21. Jahrhundert abgeben. Doch wer will sich ernsthaft an Staaten wie Kuba oder Burundi orientieren?[11]

Von den in der Studie untersuchten Staaten Ostmitteleuropas und Osteuropas ist Ungarn das einzige Land, von dem Vergleichsdaten aus dem Jahr 1975 vorliegen. Auch wenn von diesem einen Land nicht auf ein allgemeines Entwicklungsmuster der ostmittel- und osteuropäischen Staaten geschlossen werden kann, so ist doch auffällig, dass die Entwicklung Ungarns gemäß HDI (1975: 0,78; 2003: 0,86) und die Vergrößerung seines ökologischen Fußabdrucks (1975: 1,55; 2003: 1,97) in etwa proportional erfolgten. Daraus kann gefolgert werden, dass bis zu einem gewissen Niveau ein Mehr an Entwicklung nicht unbedingt ein überproportionales Mehr an Ressourcenverbrauch bedingt, dass sich diese Relation aber ab dem Erreichen eines bestimmten Entwicklungsniveaus entkoppelt und der Ressourcenverbrauch exorbitant steigt, will man zusätzliche Entwicklungsgewinne verbuchen.

Für die wohlhabenderen Staaten Ostmitteleuropas und Osteuropas bedeutet dies abermals zunächst ein Problem, denn es ist anzunehmen, dass jeder weitere Zuwachs an Wohlstand und Entwicklung eine überproportionale Vergrößerung ihres ökologischen Fußabdrucks bedingen wird, geht man von bisherigen Entwicklungslinien aus. Für die ökonomisch rückständigsten Staaten Osteuropas hingegen könnte ihre Rückständigkeit aber auch einen gewissen Startvorteil auf dem Weg in das postfossile Zeitalter bedeuten, wenn sie es verstehen, ihre Entwicklungsindikatoren zu steigern, ohne ihren Fußabdruck dabei signifikant zu vergrößern.

Je unabhängiger die Ökonomien von fossilen Energieträgern sind, desto besser sind diese Staaten für den Übergang in die bevorstehende neue Zeitrechnung menschlicher Zivilisation gewappnet: Wer nicht hoch zu Rosse sitzt, kann nicht tief stürzen. Und während eine immer wahrscheinlicher werdende globale Ressourcenkrise (Erdöl, Lebensmittel, Wasser) die wohlhabenden Staaten wahrscheinlich an den Rand des Kollapses bringen würde, könnten jene Staaten in ihrer materiellen Genügsamkeit eine Quelle des Fortschritts entdecken. Ein solches Szenario würde aber bedingen, dass aus heutiger Sicht rückständige Staaten ihrer Entwicklung eine radikal neue Richtung geben, indem sie auf höchstmögliche agrarische Autarkie und nachhaltiges Wohlstandswachstum setzen, beides basierend auf erneuerbaren Energieträgern. Ein solches Szenario ist im Zeitalter der Globalisierung jedoch gewiss nicht als realistisch einzuschätzen.

Das „realistischere“ Szenario würde hingegen vorsehen, dass ärmere Staaten die letzten zur Verfügung stehenden fossilen Ressourcen so gut es geht zu ihren Gunsten auszubeuten trachten, um noch möglichst viel „Fortschritt“ zu generieren, bevor es dann in Ost und West gleichermaßen umso steiler bergab geht. Doch wenn man den realistischen Blick für einen Moment durch die Perspektive materieller Notwendigkeiten ersetzt, dann zeigt sich, dass es die heutigen Underdogs sind, auf die die Welt blicken sollte, wenn sie an ihre Zukunft denkt. Und umgekehrt zeigt sich für rückständige Staaten in Süd und Ost, dass es wohl kaum eine gute Idee sein kann, sich weiterhin an der westlichen Strategie des fossilen Wachstums zu orientieren.

Idealismus, Realismus und die Ressourcenkrise

Aus dem Konzept des ökologischen Fußabdrucks wie aus den Schlussfolgerungen der IPCC-Berichte lassen sich zwei unterschiedliche Lehren ziehen: eine idealistische und eine realistische. Idealisten wie der britische Politikwissenschaftler Andrew Dobson beharren auf einer gerechten Verteilung der globalen Bürde der Nachhaltigkeitsrevolution.[12] Sie sehen im Zeitalter der Globalisierung auch eine Chance, ein neues Konzept („dichter“) kosmopolitischer oder gar ökologischer Bürgerschaft (thick cosmopolitanism bzw. ecological citizenship) in Kraft zu setzen, der zufolge Verantwortung von Staaten und Individuen an deren ökologischem Fußabdruck gemessen werden soll.

Kein Staat und kein Individuum soll das Recht haben, mehr als den ihm zustehenden Teil an Ressourcen zu verbrauchen (gemessen in Erdäquivalenten per capita). Wer zu viel verbraucht, muss schrumpfen, wer weniger verbraucht, hat das Recht (verantwortungsvoll) zu wachsen. Eine Bürgerin, die also mehr als die ihr derzeit zustehenden 1,8 globalen Hektar Land verbraucht, ist eine schlechte Bürgerin, und ein Staat, der diesen Wert, multipliziert mit seiner Einwohnerzahl, überschreitet, ist ein verantwortungsloser Staat. Dieser Sichtweise zufolge, die moralisch eindeutig die sauberste ist, müsste sich die Welt folglich derzeit am Entwicklungsniveau Kubas orientieren – selbstverständlich ohne das politische Modell Kubas als Leitbild übernehmen zu müssen. Es ist jedoch augenscheinlich, dass diese Sichtweise bei all ihrer moralischen Überlegenheit nicht realistisch ist.

Realisten würden wohl eher von der globalen Überschreitung der Biokapazität um derzeit 25 Prozent ausgehen und sich fragen, wie man diesen Wert global senken kann. Für sie würde es kein besonderes Problem darstellen, dass es Länder gibt, die ein Vielfaches anderer verbrauchen, solange dies nicht zu unkontrollierbaren Konflikten und ausufernder politischer Instabilität führt. Durch technologische Innovation und politische Steuerung (Stichwort: „global governance“) den ökologischen Fußabdruck der Menschheit in Richtung 1,0 Erdäquivalente abzusenken, erscheint ihnen machbarer, als etwa die USA dazu zu bringen, ihren Fußabdruck von derzeit 5,4 Erdäquivalenten um über 80 Prozent zu verkleinern.

Für Realisten hat nicht globale Gerechtigkeit, sondern die Erhaltung von Stabilität im Weltsystem Priorität. Das bedeutet jedoch, dass Nachhaltigkeit für sie keinen besonderen normativen Wert besitzt, sondern ein technisches Mittel zur Erhaltung politischer Stabilität ist. Das Überleben des Systems steht im Mittelpunkt des Interesses. Doch das System überlebt dann, wenn seine ökonomischen und politischen Zentren, seine „peers“, überleben. Insofern ist dem realistischen Ansatz ein gewisser Zynismus eigen. Denn „das System“ könnte Hilfe von unerwarteter Seite bekommen: von den Zeitläuften der Geschichte selbst. Durch die absehbare Koinzidenz von Klimawandel und dem Ende der Erdölvorräte könnten sich einige Probleme der Menschheit gewissermaßen von selbst lösen. Das Ende des Öls wird die Welt voraussichtlich ins Chaos stürzen und gemeinsam mit den Folgen des Klimawandels einen Wendepunkt in der Weltbevölkerungskurve einläuten.[13] Das postfossile Zeitalter wird seine eigenen Gesetze schreiben und wahrscheinlich keine sieben Milliarden Menschen ernähren können – wenigstens nicht in den chaotischen Jahrzehnten des Übergangs.

Ein „realistischer“ Reflex ist der des laissez-faire. Sobald uns das Öl ausgegangen sein wird, werden sich die Dinge zunächst einmal von selbst ordnen. Chaos und Zusammenbruch werden (zumindest in manchen Teilen der Welt) unausweichlich sein. Erst dann wird ein geordneter Neuanfang möglich werden. Und zu diesem Zeitpunkt wird die Menschheit ihren ökologischen Fußabdruck gleichsam „von selbst“ erheblich verkleinert haben. Das Kalkül der Hyperrealisten besteht also darin, dass das 21. Jahrhundert zwar wahrscheinlich für ein paar Jahrzehnte im Chaos versinken wird, dass dieses Chaos aber keineswegs zum Untergang der Menschheit, sondern nur zu ihrer historischen Neuordnung in einem postfossilen Zeitalter führen wird.

Die Kontraktion wird also letztlich „kreativ“ im Schumpeterschen Sinne wirken. Das eigentliche Programm der realistischen Schule besteht demnach darin, die „Zentren“ für die Zeit des Übergangs zu rüsten und sie klar für den bevorstehenden Sturm zu machen. Chaos gilt es zu minimieren, Zivilisation aufrecht zu erhalten. „Anpassung“ an die bevorstehenden Herausforderungen von Klimawandel und peak-oil sowie Linderung ihrer Effekte sind somit die Gebote der Stunde.[14]

In jüngster Zeit versucht eine neuere Strömung der Umweltsoziologie ein realistisches Bild von jenem Dilemma zu zeichnen, in dem sich moderne Demokratien auf der Suche nach der Nachhaltigkeitsrevolution befinden. Der Soziologe und Politikwissenschafter Ingolfur Blühdorn ist zum Wortführer jener deskriptiv-analytischen Schule geworden, die uns im Zeitalter des „Postökologismus“ und der „simulativen Demokratie“ sieht.[15] Seines Erachtens sind spätmoderne Demokratien durch die Gleichzeitigkeit und Gleichwichtigkeit zweier entgegengesetzter Phänomene gekennzeichnet: ein bisher nie da gewesenes Bekenntnis zur Notwendigkeit eines radikalen und baldigen ökologischen Wandels der Gesellschaft einerseits und ein unbeirrtes Beharren auf den Grundwerten und Grundprinzipien der postindustriellen liberalen Konsumgesellschaft andererseits. Blühdorns Grundannahme lautet, dass sich das kritische Projekt der gesellschaftlichen Emanzipation in den vergangenen Jahrzehnten erschöpft habe. Sowohl das emanzipierte moderne Subjekt als auch die von Entfremdung, Verdinglichung und Kommodifizierung emanzipierte Gesellschaft seien unerfüllbar geworden. Mithin sei die von der Ökologiebewegung seit den 1960er Jahren propagierte alternative, nachhaltige Gesellschaftsform ein leeres Ideal geblieben und habe sich als gesellschaftliche Vision erschöpft.

Moderne Demokratien, so Blühdorn weiter, können aber ohne die Vision von Emanzipation nicht bestehen, da sie sonst ihre Legitimität einbüßen würden. Was als markanteste Entwicklung der letzten Jahrzehnte beobachtet werden kann, ist daher die Tendenz, das „moderne“ Bekenntnis zu Emanzipation und ökologischer Nachhaltigkeit „performativ“ zu „simulieren“. Blühdorn beschreibt eine gesellschaftliche Realität, in der die offizielle Politik und die öffentliche Meinung demonstrativ an der idealistischen Vision von Nachhaltigkeit, globaler Gerechtigkeit und sozialer Gleichheit festhalten, während dieselben Akteure und die Gesellschaft grosso modo jene Praktiken fortführen, die sie als unnachhaltig und schädlich verteufeln. Es handelt sich um eine Art Schizophrenie, in der moderne Konsumgesellschaften eine idealistisch-emanzipatorische Symbolik aufrecht erhalten, während sie sehenden Auges eine realistische Politik der Systemerhaltung um jeden Preis betreiben. Der rhetorische Kampf für die Nachhaltigkeit wird durch eine Realpolitik konterkariert, die in Wahrheit darum bemüht ist, das Unnachhaltige zu erhalten – sustaining the unsustainable, wie es Blühdorn treffend nennt.[16]

Für Blühdorn wurzelt diese Entwicklung im spätmodernen Individuum ebenso wie in der Struktur moderner Demokratie. Schuld sind nicht die Profitinteressen der Großkonzerne oder ausbeuterische Kapitalisten, die den Einzelnen verderben, sondern das spätmoderne Individuum selbst, das seine Identität fast ausschließlich über den Konsum im freien Markt konstituiert und somit ein größeres Interesse an der „Maximierung von Einkommenspotentialen und Konsumkraft“ als an der tatsächlichen Umformung der Gesellschaft hat.[17] Obwohl die Symbolik der Emanzipation fortgeschrieben wird, hat man sich bereits längst mit der realistischen Sicht arrangiert, dass die Geschichte ohnehin ihren Lauf nehmen wird. Blühdorn bringt es auf den Punkt:

Emanzipation und Selbstverwirklichung stehen auch weiterhin hoch im Kurs, sie bedeuten jedoch nicht mehr Befreiung vom etablierten, auf wirtschaftliche Effizienz ausgerichteten System, sondern dessen Radikalisierung.[18]

Die Rede von Postökologismus und simulativer Demokratie trifft gewiss einen wahren Kern, doch sie kommt zu voreiligen Schlüssen. Es ist voreilig, von der Gleichzeitigkeit zweier Phänomene – dem Bekenntnis zur Notwendigkeit radikalen Wandels einerseits und dem faktischen Beharren auf dem Status Quo andererseits – auf den Tatbestand von mehr oder weniger bewusster Simulation und gesellschaftlicher Selbsttäuschung zu schließen.[19]

Die Tatsachenbeschreibung ist korrekt, dass die offizielle Politik und Teile der Öffentlichkeit sich einerseits zum Wandel bekennen und ihn andererseits in ihren Handlungen nicht umsetzen. Doch kann es nicht sein, dass beide Bedürfnisse in ein und demselben Akteur gleichermaßen authentisch wirken? Kann es nicht sein, dass die Politik (zumindest teilweise) tatsächlich und authentisch den Willen hat, einen radikalen Wandel einzuleiten, doch innerhalb ihres Handlungssystems auf rigide strukturelle Grenzen stößt und daher die Handlungsaufforderung machtlos an andere (ebenso machtlose) Teilsysteme weitergibt, da Systemerhalt innersystemisch eben der stärkere Imperativ ist, auch wenn das bedeutet, das System langfristig zu gefährden? Sind nicht die abwechselnd in ihrer Verantwortung als Konsumenten und Bürger angesprochenen Individuen ebenso gespalten durch ein vielerorts klares und authentisches Bewusstsein, dass ein radikaler Wandel notwendig ist, die politischen Instrumentarien jedoch völlig unzureichend sind, um dieses Bewusstsein in praktisches Handeln umzusetzen?

Tatsächlich hat sich noch keine moderne Demokratie jemals zuvor vor der Aufgabe gesehen, ihr gesamtes soziales Reproduktionssystem, ihren kompletten Stoffwechsel neu konstruieren zu müssen. Moderne Demokratien wurden für eine solch monumentale Aufgabe nicht geschaffen, sie sind mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mit den notwendigen Instrumentarien und Entscheidungsmechanismen ausgerüstet, um einen derart universalen Umbau ihres sozioökonomischen Fundaments zu bewältigen, ohne Schiffbruch zu erleiden. Als diese Demokratien entstanden, hatten sie unendliches materielles Wachstum und unbegrenzten technologischen Fortschritt als sine qua non und zugleich als Zweck von Gesellschaft angenommen und ihre Institutionen rund um diese Grundannahme errichtet. Dass sie nun zu scheitern drohen, wenn sich ihre ontologische Voraussetzung als unzuverlässig oder gar illusorisch herausstellt, sollte nicht weiter verwundern.

Anstelle also die Unbeholfenheit und Ratlosigkeit moderner demokratischer Systeme, ihrer Eliten und Bürgerinnen und Bürger angesichts dieser monumentalen Verschiebung der zivilisatorischen Voraussetzungen als das logische und überfällige Scheitern jedes emanzipatorischen Anspruchs auf menschliche Selbstbestimmung schlechthin zu geißeln, ist es an der Zeit, eine nüchterne Analyse der modernen Demokratie und der ihr zur Verfügung stehenden Veränderungsmechanismen vorzunehmen.[20]

Demokratie, wie wir sie kennen, ist das Kind einer Zeit, die mit unendlichem Wachstum von Wohlstand und Technik rechnete. Ihre ganze Legitimität ist an eine lineare Zeitrechnung gebunden, in der alle Indikatoren nach schräg oben weisen. Moderne Demokratie ist in mehr als einer Hinsicht fossile Demokratie. Anstatt sie aber gemeinsam mit dem fossilen Zeitalter aufzugeben, sollten wir trachten, sie umzubauen und mit jenen neuen Werkzeugen und Instrumenten auszustatten, die für die Bewältigung der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts notwendig sind. Erfolgsgarantie für diese Operation gibt es jedoch keine, denn es ist nicht nur eine Operation am offenen Herzen, sondern es ist der Chirurg selbst, der unter dem Messer liegt.

 


Daniel Hausknost (1975), Mag. phil., Politikwissenschaftler, Doctoral Fellow am Research Institute for Law, Politics and Justice, Keele University, UK. Von 1996 bis 2007 war D. Hausknost Campaigner für GLOBAL 2000, Wien.

[1]   Laut Weltnaturschutzunion (IUCN) waren 2007 ein Viertel aller Säugetiere, jede achte Vogelart, ein Drittel aller Amphibien und 70 Prozent aller untersuchten Pflanzenarten gefährdet und über 16 000 Arten akut vom Aussterben bedroht. „Das Leben auf der Erde schwindet rapide“, wird im Bericht der Organisation treffend formuliert;

    <http://www.iucn.org/en/news/archive/2007/09/12_pr_redlist.htm>.

[2]   World Commission on Environment and Development: Our Common Future. Oxford 1987.

[3]   Susan Baker: Sustainable Development as Symbolic Commitment: Declaratory Politics and the Seductive Appeal of Ecological Modernisation in the European Union, in: Environmental Politics, 2/2007, S. 297–317.

[4]   Zur Konsensbildung trugen mehrere Publikationen bei: der „Stern-Report“ 2006 sowie die Berichte des Intergovernmental Panel on Climate Change. Her Majesty’s Treasury: Stern Review on the Economics of Climate Change. London 2006;

    <www.hm-treasury.gov.uk./independent_reviews/stern_review_economics _climate_change/stern_review_report.cfm>. – IPCC: Climate Change 2007. Cambridge and New York 2007. – <www.ipcc.ch/ipccreports/assessments-reports.htm>.

[5]   Mathis Wackernagel, William Rees: Our Ecological Footprint: Reducing Human Impact on the Earth. British Columbia 1996. – Nicky Chambers, Craig Simmons, Mathis Wackernagel: Sharing Nature’s Interest: Ecological Footprints as an Indicator of Sustainability. London 2000.

[6]   Carbon Dioxide Information Analysis Center (CDIAC): Ranking of the world’s countries by 2004 per capita fossil-fuel CO2 emission rates; <http://cdiac.ornl.gov/trends/emis/top2004.cap>.

[7]   Daniel D. Moran, Mathis Wackernagel, Justin A. Kitzes et al.: Measuring sustainable development – nation by nation, in: Ecological Economics, 64/2008, S. 470–474, hier S. 471.

[8]   Ebd., S. 472.

[9]   Ebd.

[10]  Moran, Wackernagel, Kitzes et al. [Fn. 7] untersuchten 93 Staaten.

[11]  Burundi steigerte seinen HDI-Wert von 0,29 (1975) auf 0,38 (2003) und verkleinerte im selben Zeitraum seinen ohnehin kleinen Fußabdruck von 0,39 Erdäquivalenten auf 0,38. Ähnliches gelang dem Kongo, der Elfenbeinküste und Malawi. Andere sogenannte „Entwicklungsländer“ vergrößerten zwar ihren Fußabdruck geringfügig, konnten aber zugleich ihren HDI-Wert überproportional steigern. Im Vergleich dazu haben Dänemark, Finnland oder Österreich ihre Fußabdrücke seit 1975 auf bis zu vier (!) Erdäquivalente verdoppelt, während sie ihren HDI-Wert „nur“ von ca. 0,85 auf ca. 0,95 gehoben haben.

[12]  Andrew Dobson: Citizenship and the Environment. Oxford 2003. – Andrew Dobson: Thick Cosmopolitanism, in: Political Studies, 54/2006, S. 165–184.

[13]  In den ersten Monaten 2008 kam es in mehreren Staaten Asiens, Afrikas und der Karibik zu Unruhen infolge rasant steigender Lebensmittelpreise. Am 14. April 2008 veröffentlichte Weltbank-Präsident Robert Zoellick ein alarmierendes Kommuniqué, in dem er vor der akuten Verarmung weiterer 100 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Erde aufgrund der Preissteigerungen im Lebensmittelsektor warnte; <http://go.worldbank.org/5W9U9WTJB0>. Nach Angaben der Food and Agriculture Organisation (FAO) der UNO drohen in 37 Ländern der Erde Hungerkrisen und Unruhen infolge der Lebensmittelknappheit und der hohen Preise; <www.fao.org/newsroom/en/news/2008/1000826/index.html>. Der hohe Ölpreis und die stärkere Nachfrage aus Indien und China sorgen für einen extrem angespannten Markt. Wird er sich jemals erholen, wenn Nachfrage und Ölpreis weiter ansteigen?

[14]  Einen Versuch, den zu erwartenden Schock der Erdölverknappung nach dem Höhepunkt der globalen Ölförderung („peak-oil“) zu lindern, stellt das von der Association for the Study of Peak Oil and Gas vorgeschlagene Oil Depletion Protocol dar. Es sieht die Selbstverpflichtung der erdölimportierenden Länder vor, ihre Ölimporte im Ausmaß der jährlichen Erdölerschöpfungsrate (die jährliche Förderung als Bruchteil der bekannten Reserven) zu senken. Derzeit liegt diese Rate bei 2,6 Prozent. Das bedeutet, 2007 wurden 2,6 Prozent der bekannten Ölreserven gefördert. Diese Rate wird sich nach dem Peak natürlich erhöhen. Damit könnte die Kurve des Produktionsrückgangs nach dem Peak abgeflacht, der Ölpreis in Schranken gehalten und der Übergang ins postfossile Zeitalter besser bewältigt werden; C.J. Campbell: The Oil Depletion Protocol: A Response To Peak Oil, in: Globalizations, 1/2008, S. 60–62. – Das charakteristisch „Realistische“ an solchen Initiativen ist natürlich, dass ihr Ziel nicht darin besteht, den Verbrauch von Öl zu stoppen, um den Klimawandel zu bremsen, sondern die Reserven in ökonomisch geordneten Bahnen bis zum letzten Tropfen zu verbrauchen und parallel eine postfossile Wirtschaft aufzubauen.

[15]  Ingolfur Blühdorn: Post-Ecologist Politics. Social theory and the abdication of the ecologist paradigm. London 2000. – Ders.: Billig will ich. Post-demokratische Wende und simulative Demokratie, in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, 4/2006, S. 72–83.

[16]  Ders.: Sustaining the Unsustainable: Symbolic politics and the politics of simulation, in: Environmental Politics, 2/2007, S. 251–275.

[17]  Blühdorn, Billig will ich [Fn. 15], S. 81.

[18]  Ebd., S. 78.

[19]  Blühdorn spricht von „societal self-deception“, die in einer „tacit strategic community between the public and its political elites“ durchgeführt wird; Blühdorn, Sustaining the Unsustainable [Fn. 16], S. 268.

[20]  Dazu auch: Daniel Hausknost: Abmelden – Herunterfahren – Neustarten. Zur Zukunft der Ökologiebewegung, in: Re-Vision. Nachdenken über ökologische Vordenker [= Politische Ökologie, 100/2006], S. 70–74.

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